alles schief – Dachausbau Stille Reserven nutzen

 

Wie immer bei irgendwelchen geplanten Umbaumaßnahmen ist es ratsam, sich erst einmal über die aktuelle Gesetzeslage zu informieren, und zwar vor Ort, sprich in der jeweiligen Gemeinde, denn die Bauvorschriften können von Kommune zu Kommune stark variieren. Orientiert sich die jeweilige Behörde an den neuen Baunutzungsverordnungen, ist es relativ egal, wie viel Wohnraum hinzugewonnen wird. Bei älteren jedoch kann die neu gewonnene Fläche Einfluss auf die Geschossflächenzahl haben, was zu Einschränkungen führen kann. Kleine Ausbauten sind normalerweise ohne besondere Baugenehmigungen möglich, bei Eingriffen in die Tragstruktur des Dachstuhls jedoch ist immer eine Anmeldung bei der zuständigen Baubehörde nötig. Soll der Dachboden später primär genutzt, also zu Wohn- und nicht zu Lagerflächen, ist aber auf jeden Fall eine Nutzungsänderung erforderlich. Diese wiederum hat Einfluss auf erforderlichen Fensterflächen und lichten Mindesthöhen. So müssen mindestens die Hälfte der neugewonnenen Flächen über 2 Meter hoch sein und die Fensterfläche ein Achtel der Grundfläche ausmachen. Liegt die Raumhöhe unter 1,80 Meter dürfen gar keine dauerhaften Aufenthaltsräume dort geschaffen werden. Sind behördliche Fragen hinreichend abgeklärt, muss die Substanz des jeweiligen Dachstuhls und der Bodenplatte einer genauen Betrachtung unterzogen werden. Reicht die Tragfähigkeit aus für die geplanten Leichtbauwände und auch die gewünschte Möblierung? Ist der Dachstuhl stabil genug für notwendige Dämmmaterialien und Fenstereinbauten? Ist das Holz trocken und frei von Schädlingsbefall oder Fäulnis? Ist die Dachdeckung lückenlos und alle Ziegel auch unversehrt? Sind vorhandene Kamine rissfrei und die Anschlüsse dicht? Reicht die jetzige Deckenöffnung aus für einen bequemen Zugang oder muss sie vergrößert oder gar verlegt werden? Soll der Zugang nicht von einem bestehenden Treppenhaus oder Flur, sondern durch einen bewohnten Raum erfolgen, muss man sich Gedanken über die spätere Nutzung machen. Kombinationen von Kinderzimmer und Spielboden, Schlafzimmer und Arbeitsempore oder Gästezimmer und zusätzlichem Bad sind sinnvoll, ein Freunde-Feiern-Fernsehraum erschlossen durch das Elternschlafzimmer sicherlich nicht. Bei allen Varianten sollte auch ein ausreichender Trittschallschutz auf der Deckenplatte aufgebracht werden. In den meisten Fällen ist aufgrund der strengen Brandschutzvorschriften ein zweiter Fluchtweg notwendig. Dieser kann über bestehende oder neu einzubauende Fenster erfolgen. Dazu muss dieses aber eine Diagonale von mindestens 1 Meter aufweisen. Sollte geplant sein, eine Giebelwand komplett zu verglasen, muss ein Statiker eingeschaltet werden, um die Stützfähigkeit für den Dachstuhl mit all seinen Veränderungen hinsichtlich aufgebrachter Dämmmaterialien und Fenstereinbauten zu gewährleisten. Um dem Brandschutz zu genügen, müssen auch alle tragenden Elemente wie Stützen, Pfeiler und Wände bei Einfamilienhäusern zumindest feuerhemmend erstellt sein. Die Themen Dämmung und Fenstereinbau sind maßgeblich von der Beschaffenheit des Dachstuhls abhängig. Möchte man so viel Raumhöhe wie irgendwie möglich erreichen oder erhalten, ist eine Dämmung zwischen den einzelnen Dachsparren sinnvoll. Sie ist jedoch aufgrund der zahlreichen Anschlussfugen aufwändiger als eine großflächig unter den Sparren befestigte Dämmung, die nur die Fenster ausspart. Sind keine großflächigen Kippfenster vorhanden oder ihr Einbau nicht möglich, können zwischen die vorhandenen Sparren auch übereinander gereihte Fensterbänder sinnvoll sein. Oft ist diese Variante auch günstiger, als den Dachstuhl aufzuschneiden und die Sparren horizontal neu auszusteifen. Mit der dann sinkenden Einbauhöhe steigt die Ausblicksgröße, und zudem wird die Bedienung einfacher. Bei einer sogenannten Überfirstverglasung steigert sich das Sichterlebnis noch einmal. Aber auch nebeneinander liegende Fensterbahnen zwischen den Sparren sind reizvoll. Mit zunehmender Fensterfläche steigt aber auch der Lichteinfall und somit die Wärmeeinwirkung. Sonnenschutzglas ist dann eine gute Investition. Sonnenschutzrollos in verschiedenen Varianten oder Schutzfolien erfüllen ebenfalls ihren Zweck, nicht ganz so effektiv, aber auch nicht ganz so kostspielig. Durch ein ausgeklügeltes Lüftungssystem auch bei geschlossenen Fenstern können moderne Dachflächenfenster aber schon einen Teil dieser Problematik ausgleichen. Neu geplante Fenster in Form von Dachgauben bedürfen auf jeden Fall einer behördlichen Genehmigung, da diese die Dachform verändern. Bei der Formgebung hat es nicht nur in der Vergangenheit zahlreiche Beispiele für hohe Handwerkskunst, aber geringe Effektivität gegeben. So gibt es große Diskrepanzen zwischen den Kosten von Dreiecksgauben und ihrem Raumgewinn, zwischen dem Platzbedarf einer Fledermausgaube und ihrer Lichtausbeute und hinsichtlich einer optischen Harmonie zwischen halbrunden Bogengauben und spitzen Satteldächern. Im Zuge der immer weiter fortschreitenden Nutzung der Dachflächen für Photovoltaik- und Solaranlagen hat sich aber zumindest die weitere Ausbreitung von Fledermausgauben erledigt. Denn für die technische Installation wird jeder Quadratmeter auf der sonnenzugewandten Seite benötigt. Auch bei nachträglichen Umbaumaßnahmen am Dach sollte große Sorgfalt darauf gelegt werden, dass die beteiligten Gewerke Dachdecker, Fensterbauer und Installateur gemeinsam eine technisch, aber auch optisch optimale Lösung erarbeiten. Auf zu vielen Dächern sieht man ein wirre Pflasterung mit unterschiedlichen Solarpaneelen zwischen Gauben, Kippfenstern, Kaminen und abgetreppten Giebeln. Eine grundlegendes Gewicht bei der Schaffung neuen Wohnraumes auf bisher ungenutzten Dachböden kommt der Aufstiegsmöglichkeit zu. Wurde das Dachgeschoss bisher lediglich über eine klapprige Kippleiter bestiegen, sollte in Zukunft der Zugang bequem über eine Treppenanlage erfolgen. Diese – wie auch immer letztlich geartet – wird in den meisten Fällen eine größere Deckenöffnung nötig machen. Aufgrund ihres geringen Platzbedarfs sind Spindeltreppen auf den ersten Blick eine raumsparende Lösung. Diese sind aber aufgrund ihrer engen Wendelung zumeist nicht freihändig zu begehen, wodurch der Transport von größeren Gegenständen stark eingeschränkt ist. Dies ist bei der geplanten Möblierung der neuen Wohnfläche ein wichtiges Kriterium. Auch gerade, aber sehr steile Treppen mit Stufen von geringer Tritttiefe können zwar vorwärts hoch-, aber runter oftmals nur rückwärts begangen werden. Eine Alternative sind sogenannte Sambatreppen oder Treppen mit Schmetterlingsstufen. Anfangs vielleicht noch gewöhnungsbedürftig hat man aber schnell den Dreh raus, mit welchem Fuß man den Anfang des Auf- oder Abstiegs macht. Bedingt durch diesen oft eingeschränkten Zugang kommt der vorausschauenden Möblierung der neuen Wohnfläche unter dem Dach eine große Bedeutung zu. Da viele Gegenstände nur zerlegt nach oben transportiert werden können, ist es angeraten, vorhandene bauliche Elemente wie Wandvorsprünge, freistehende Kamine oder Dachpfosten mit einzubeziehen. Durch die Integrierung in ein vor Ort auf Maß errichtetes Regal oder einen Schrank werden diese nicht mehr als störend oder im Weg stehend wahrgenommen. Dazu kann auch eine auf jeden Fall notwendige Brüstung rund um die Bodenöffnung gehören. Alles, was im Erdgeschoss vielleicht noch elegante Füße hat, kann hier oben getrost direkt auf dem Boden stehen, was den Raum höher erscheinen lässt. Auch sollte man den gesamten Bodenbereich nutzen und nicht wie immer noch sehr beliebt durch Einziehen von seitlichen Drempeln unnützen und nicht zugänglichen Leerraum schaffen. Niedrige Rollcontainer können bei Bedarf unter der niedrigen Schräge hervorgeholt und wieder zurückgeschoben werden. Die Optik aber suggeriert weiter eine große, offene Fläche, was durch einen möglichen großen Teppich noch gesteigert werden kann. Ein unter der Dachschräge vorgesehener Kleiderschrank ist effektiver auf Maß mit nur einer Seiten- und Vorderfront und restlos ausgenutzter Innenfläche zu realisieren, als eine abgetreppte, fertige Kastenvariante. Es gibt wirklich viele Gründe, ungenutzten Dachraum einmal näher unter die Lupe zu nehmen. Anregungen für alle möglichen Szenarien gibt es zuhauf in zahlreichen Publikationen (siehe auch die Bücherliste in dieser Ausgabe). Einen zusätzlichen Anreiz bieten aber nicht zuletzt auch staatliche Fördertöpfe für derlei Ausbaumaßnahmen, da es auch um Energieeffizienz geht. Denn durch den Um- und Ausbau von Dachböden werden automatisch sinnvolle Dämmungsmaßnahmen vollzogen, was nicht nur dem neu geschaffenen Wohnraum, sondern dem gesamten Haus zugute kommt. Zudem können für herangewachsene Kinder größere Wohnmöglichkeiten geschaffen werden, die einen Umzug in eine immer knapper zur Verfügung stehende Singlewohnung zumindest hinauszögern können. Oder es wird durch Umstrukturierung und Umzug im eigenen Haus benötigter Platz für einen Elternteil frei. In diesem Sinne: Träumen Sie mal darüber nach!

 

TEXT: Rainer Güntermann

Foto: Velux Deutschland GmbH, FAKRO,  Raumplus