Innehöfe – Schönheiten hinter Mauern

Wer kennt sie nicht, die gerade auf Mallorca oder im Festlandsspanien so verbreiteten Patios, die jeder für sich immer wieder einen besonderen Blick wert sind. Sind derlei Innenhöfe in Italien zumeist nur bei großen Palästen anzutreffen, gibt es sie in Spanien, vor allem in Andalusien, auch bei kleineren Wohnhäusern. In Cordoba gibt es sogar jedes Jahr einen Wettbewerb um die schönste Anlage, wo es aber wohl mehr um die botanische Aufhübschung als um die seit Jahrhunderten vorgegebene Architektur geht. Wir wollen uns aber eben mit letzterer beschäftigen und sehen, welche Besonderheiten wir in unserer Zeit übernehmen oder neu interpretieren können.

Wie so oft fängt alles in der Antike bei den Römern oder Griechen an. Dieses Mal sind es die Hellenen, bei denen vierseitig von Säulen umgebene Höfe innerhalb von herrschaftlichen Häusern als Peristyl bezeichnet wurden. In den christlichen Kirchen der Romanik und Gotik bildeten dann derlei Säulengänge um einen offenen Innenhof oft den Kreuzgang. Auf mittelalterlichen Burgen ergab sich die geometrische Form von Innenhöfen noch zwangsläufig aus der vorgegeben Topografie der Anlage. In Zeiten der Renaissance und des Barocks kehrt sich die Rangfolge beinahe um. Der Innenhof als zentraler Zugang zum Palast als Wohnanlage wird zum beherrschenden Stilelement, dem sich die umgebenden Gebäudeteile unterzuordnen hatten. Auch hier ist wieder ein deutlicher Unterschied zwischen den italienischen und den spanischen Vorbildern festzustellen. Während sich in Italien die oft gesondert überdachten Treppenaufgänge an den Seiten des Hofes befanden und viel Platz für einen mittigen Brunnen ließen, errichtete man in Spanien großzügige Freitreppen in der Mitte des Platzes, die in ihrer jeweiligen Ausführung auch den Reichtum des Hausherrn widerspiegelten.


Wollte man den Innenhof zusätzlich aufwerten, bekam er einen quadratischen Grundriss anstelle eines rechteckigen. Das in der heutigen Architektur weit verbreitete Wort Atrium wiederum stammt aus der römischen Zeit, bezeichnete aber eigentlich einen mittig im Haus gelegenen Raum mit einem Loch in der Decke zur Belichtung. Inzwischen wird jedoch fast jeder oftmals nur dreiseitig umschlossener Außenraum als Atrium bezeichnet, was großzügig klingt, jedoch nur bedingt korrekt ist. Im Wohnungsbau der 1960er Jahre, als noch dem eingeschossigen Flachdachbungalow gehuldigt und dementsprechend flächenmäßig großzügig gebaut wurde, waren Atrien groß in Mode. Statt unnötiges Abstandsgrün zu Nachbarn und Verkehrswegen zu verschwenden, baute man relativ eng verdichtet, dafür aber mit großzügig bemessenen Innenhöfen, die oft als Ersatzgärten fungierten. Das Aufkommen von sehr schlanken Aluminium-Fensterrahmen erlaubte damals sehr grazile, deckenhohe Glaskonstruktionen, welche dadurch fast nicht mehr wahrgenommen wurden und statt dessen die Natur scheinbar ins Haus holten.
Im Zuge der Energieeinsparung notwendig gewordene Dreischicht-Verglasungen erfordern rein aus Gewichtsgründen inzwischen wieder breite Fensterprofile, und eine rein erdgeschossige Bauweise mit entsprechendem Baugrundbedarf ist kaum noch anzutreffen. Damit einhergehend sinkt auch die Zahl von veritablen Atrien beziehungsweise Innenhöfen. Im Gegenzug halten sie heute wieder Einzug in den sozialen Wohnungsbau, der die Grundstücke wieder dichter und höher bebaut und dafür oft einen zweiten, bisweilen sogar dritten Riegel hinter den straßenseitigen Baukörper einschiebt. Diese verfügen meistens über weniger Geschosse und sind untereinander mit Innenhöfen voneinander getrennt beziehungsweise miteinander verbunden. Ziel ist dabei die intensive Nutzung dieser Abstandsflächen als Begegnungsraum mit gezielter Möblierung und Begrünung statt einer früher vorherrschenden Brachfläche mit Wäscheleinen. Ob aber in großen Wohnanlagen oder kleinen Privatgebäuden – einig ist allen die Intention, auf kleinem Raum einen hohen Nutzungswert zu erzielen, sei es durch intensive Begrünung oder sinnvolle sonstige Bestückung. Beides kann und soll auch einen Erhohlungsfaktor darstellen, welcher durch eine Wasserquelle noch erheblich gesteigert werden kann.

Früher dienten die Brunnen in den Innenhöfen oft nur der gemeinen Wasserversorgung, in den südlichen Ländern zusätzlich auch der Verdunstung und Erfrischung. In der heutigen Zeit und in unseren Breitengraden erfüllen sie jedoch zumeist eine durch Optik und Akustik beruhigende Aufgabe. Daher gilt es nicht, Fontänen und Wasserfälle mit entsprechendem Geräuschpegel und Spritzwasser zu installieren, sondern vielmehr sanft dahin plätschernde Wasserschleier über breite Flächen fließen zu lassen, um nur ein Bespiel zu nennen. Nicht der punktuell sprudelnde Strahl aus welchen Öffnungen auch immer, sondern eine fließende Fläche mit entsprechend sanfter Akustik trägt zum Wohlbefinden und zur gewünschten Erholung bei.
Eine selten ausgeführte, aber durchaus praktische Lösung ist die Verlegung eines Patios in das Kellergeschoss. Vorausgesetzt es steht genügend Grundfläche zur Verfügung, kann man auf diesem Wege auch in diese Räumlichkeiten Tageslicht lenken und für entsprechend bessere Aufenthaltsqualitäten sorgen. Wichtig dabei ist eine perfekte Abwasserführung und eine durchdachte Baukörperplanung, die diesen tiefliegenden Innenhof nicht dauerhaft verschattet und dadurch eine schnelle Vermoosung verursacht. Auch die Materialauswahl spielt diesbezüglich eine große Rolle. Eine begehbare Kiesschicht ist sicherlich eher anzuraten als ein hölzerner Boden, der permanent gescheuert werden muss, um nicht zur Rutschbahn zu mutieren. Schlanke Bäume mit ebensolchen Kronen sind mit ihren säulenähnlichen Stämmen im Kellergeschoss ebenso eine Augenweide wie mit ihren Blattkronen bereits im Erdgeschoss. Ein kubischer oder zylindrischer Formschnitt unterstreicht und fördert hier die architektonische Gesamtwirkung, vorausgesetzt die restliche Hofgestaltung zieht in diesem Sinn mit. Was der soganannte Narthex bei Sakralbauten und der Cour d’Honneur oder Ehrenhof bei barocken Schlossanlagen war, nämlich ein dreiseitig umschlossener Vorhof als Übergang vom öffentlichen Raum zum Gebäude, kann ebenfalls neu interpretiert werden. Um den Eingangsbereich vor unliebsamen Einblicken zu schützen, einen windgeschützten Austritt zu ermöglichen und nicht zuletzt um die heute unvermeidliche farbige Mülltonnenparade geschickt zu verbergen, kann man mit Hilfe von Holzpalisaden oder ausreichend hohen Mauerelementen eine neue Form des Vorhofes kreieren. Um dabei keine dunklen Ecken zu erzeugen, sollte man die Mauern jeweils freistehend mit einem wenn auch geringen Abstand setzen. Auch ein mögliches FLACH-Dach sollte rundum kurz aufgestützt sein und nicht aufliegen. Das erzeugt Leichtigkeit und ermöglicht eine gesunde Luftzirkulation. Das für die Mauern oder Palisaden verwendete Material darf ruhig im Kontrast zum Gebäude stehen, um seine Eigenständigkeit als architektonisches Element zu unterstreichen. Eine Rustica-Mauer aus „lebendigem“ Naturstein hebt sich noch deutlicher vor einem monochrom verputzten Haus ab. Und dunkle Holzpalisaden setzen markante Akzente vor einem hellen Baukörper. Bei der Entscheidung, alles einheitlich in Material und Farbe zu halten, muss jedoch noch mehr Augenmerk auf eine aussagekräftige Formgebung gelegt werden. Bezüglich der konkreten Planung von Patios und dergleichen sei auf die Rubrik „10 Tipps“ in dieser Ausgabe hingewiesen. Zusammengefasst gilt aber wie immer, wenn es um kleine Flächen geht, nämlich dass die Planung umso sorgsamer und detailgenauer erfolgen sollte. Neben der Konsultierung eines Fachmanns ist auch im Vorfeld die Lektüre von Fachliteratur angeraten, siehe dazu auch die Rubrik „Bücher-Tipps“ in dieser Ausgabe.

TEXT: Rainer Güntermann

FOTOS: Foto: Modeste Herweg | „Kleine Gärten vergrößern“ | www.bjvv.de

Foto: Marianne Majerus, Steven Wooster, Andrew Lawsont