Es war einmal – eine Zeit, in der ebenso selbstverständlich wie Wohnhäuser, Bürogebäude und öffentliche Bauten auch Kirchen-Neubauten errichtet wurden. Es war die Zeit des Babybooms, damals noch „geburtenstarke Jahrgänge“ genannt, die die Pfarreien bezüglich Mitgliederzahl und räumliche Ausdehnung regelrecht explodieren ließen. Die Kirche ließ sich nicht lumpen und beauftragte viele namhafte Architekten, aber auch junge, noch unbekannte Talente mit Planung und Realisierung. Auch bei uns in der Euregio gibt es zahlreiche, eindrucksvolle Beispiele, wie wir im Folgenden in einer kleinen Auswahl zeigen.
In Zeiten zahlreicher Kirchenschließungen, Gemeindezusammenlegungen und sogar Abrissen kann man sich nur schwerlich vorstellen, dass es einmal einen akuten Bedarf an Kirchen gegeben hat. Dieser konnte nicht durch das schnelle Herrichten von im Zweiten Weltkrieg beschädigter Kirchen gedeckt werden. Dazu kamen rund um alle Städte und Gemeinden riesige Neubaugebiete, die damals ganz selbstverständlich eine neue, eigene Kirchenbetreuung benötigten. Zahlreiche neue Pfarreien wurden also gegründet und für sie neue Kirchen errichtet. Da die Kirchen beziehungsweise die Bistümer als Bauherren in ihrer langen Geschichte nie für Kleckern, sondern eher stets für Klotzen bekannt waren, wurden auch in den 1950er und 60er Jahren teils beeindruckende Architekturen realisiert.
Ein fast durchgängig anzutreffendes Merkmal der damaligen Kirchenneubauten ist der freistehende Glockenturm, gleich dem Campanile in Venedig. Rank und schlank ragen sie ohne Turmspitze gerade in den Himmel setzen weithin sichtbar ein Zeichen. Manchmal ist er ebenerdig durch einen Gemeinderaum oder die Sakristei mit dem eigentlichen Kirchenschiff verbunden. Eine deutliche Ausnahme bildet die Kirche Sankt Castor in Alsdorf-Mitte. Weit entrückt auf der großen Grünfläche vor dem Haupteingang ist eine gedrungene Betonskulptur platziert, die fast in Augenhöhe die Glocken beherbergt. Erbaut wurde die Kirche genau während des drei Jahre dauernden Zweiten Vatikanischen Konzils von 1962 bis 1965, mit den bekannten weitreichenden Folgen für Liturgie und Altarpositionierung. Kein Hochaltar mehr, an dem der Priester der Gemeinde den Rücken zukehrt, sondern ein freistehender Abendmahltisch, der ganz neue architektonische Lösungen zuließ. Auch der Bau von St. Castor trägt dieser Novität Rechnung. Ein kubistischer, sehr wuchtiger Baukörper ohne Versprünge, mit klaren, geschlossenen Ziegelmauern oder gänzlich mit Betonmaßwerkfenstern ausgefüllten Wandflächen als ultramoderner Gegenpol zur gegenüberliegenden Burg Alsdorf. Der Grundriss in Form eines T mit dem Altar zentral im Querschiff, errichtet exakt dort, wo kurz zuvor die im Krieg zwar nicht beschädigte, jedoch inzwischen zu klein gewordene Vorgängerkirche abgerissen worden war.
Gänzlich ohne Glockenturm, sondern nur mit einem großen Kreuz aus einer durchbrochenen Eisenkonstruktion auf dem Dach kommt Sankt Johann Baptist in Eschweiler – Hücheln aus. Bereits 1962 eingeweiht, war die Kirchenarchitektur der Zeit weit voraus und hatte weitere Besonderheiten aufzuweisen. So betritt man den rechteckigen Kubus nicht an der Kopfseite, sondern auf der linken Hälfte der Längsseite, um nach Betreten direkt gegenüber auf den Altar zu stoßen, hinter dem sich eine kleine, nach außen ragende Apsis befindet. Abgesehen von diesem historischen Architekturzitat erscheint der Baukörper mit seinen Betonfertigteilfenstern eher wie eine Turnhalle oder ein Konzertsaal aus dieser Zeit. Im Innern finden sich neben dem vom Aachener Architekten Elmar Lang entworfenen Marmoraltar und Ambo auch Tabernakel und Altarkreuz aus dem Atelier vom Würselener Künstler Albert Sous. Der Architekt war auch Schöpfer der Kirche Sankt Martin in Aachen in der Liebigstraße aus dem Jahr 1954, die inzwischen an die Vineyard Glaubensgemeinschaft abgegeben wurde. Ebenfalls ohne Campanile ist Sankt Andreas in der Aachener Soers. Die 1968 konsekrierte Kirche steht mit ihrer Architektur für eine äußerst konsequente Umsetzung der Konzilsreformen. Der Altar steht mittig in der sternförmigen Rundkirche, die Gemeinde sitzt gemeinsam mit dem Klerus rund herum, letzterer nur durch eine Stufe erhöht. Das Dach über dem zentralsymmetrischen Oktogon besteht aus einer Kronen-ähnlichen Faltkonstruktion mit einem mittigen Kreuz darauf. Bewusst sind vom Erbauer architektonische Assoziationen gewählt worden wie das Oktogon Karls des Großen, die Dornenkrone Jesu oder das Abendmahl unter einem Gotteszelt.
Ein weiteres, sehr konsequentes Beispiel für den Nachkriegs-Kirchenneubau in Aachen ist Sankt Bonifatius in Aachen-Forst. Es ist nach der noch heute spektakulär anmutenden Kirche St. Fronleichnam im Aachener Osten aus dem Jahr 1929 der zweite in Aachen realisierte Sakralbau des international berühmten Architekten und ehemaligen Leiters der Aachener Kunstgewerbeschule Rudolf Schwartz (siehe auch BUCHTIPPS in dieser Ausgabe). Der an eine Fabrikhalle erinnernde Längsbau aus einem mit Ziegelfeldern ausgefachten Betonskelett ist in drei Längssegmente aufgeteilt mit einem erhöhten Mittelteil, ähnlich den klassischen dreischiffigen Kirchen. Die mittige Erhöhung wirkt wie ein offenes Dach, da sie zusätzlich zu den rundum laufenden Fensterbändern zwischen Wänden und Dach ein weiteres Glasband mit Lichteinfall aufweist. An der Innenausstattung waren vor allem Künstler aus der Umgebung beteiligt. So stammt der Tabernakel von Peter Bücken aus Kohlscheid, die Madonna aus Beton von der Aachenerin Erika Vonhoff. Die feierliche Kirchweihe des 1960 begonnenen Baus fand 1964 statt, drei Jahre nach dem frühen Tod des Architekten.
Die Kirche Sankt Martin in Aldenhoven wartet statt mit einem Glockenturm mit zwei Spitztürmen aus Kupfer über den offenen Glockenaufhängungen oberhalb der Portalwand auf. Entworfen wurde sie 1951 von Alfons Leitl, dem ehemaligen Leiter des Deutschen Werkbundes. Mit seinem Kölner Architekturbüro verwirklichte er zwischen 1948 und 1972 mehr als 50 Sakralbauten, darunter auch Synagogen. 1953 noch vor dem Konzil geweiht, befindet sich am Ende des geradlinigen Hallen-Skelettbaus noch eine halbrunde Apsis für die alte Liturgieform. Das stringent modern gehaltene Innere beherbergt einen direkt ins Auge fallenden Kunstschatz, das Antwerpener Retabel. Dieser Altar aus dem Jahr 1510 war Bestandteil des Vorgängerbaus an selbiger Stelle, der von der deutschen Wehrmacht vor den anrückenden amerikanischen Truppen noch im Jahr 1944 in die Luft gesprengt worden war. Die imposanten Fensterfelder an den beiden Längsseiten wurden erst nach 1961 nach Entwürfen des bekannten Aldorfer Glasmalers Ludwig Schaffrath gestaltet. Ebenfalls von Alfons Leitl stammt die 1954 benedizierte Kirche Sankt Sebastian auf der Aachener Hörn. Die das Längsschiff krönenden Fensterbögen von Aldenhoven werden hier noch einmal weiterentwickelt und formen das gesamte Dach zu einem Wellengebilde, weswegen man im Öcher Volksmund rasch von St. Lockwell oder St. Ondulett sprach. Die Fensterflächen sind jedoch hier reduziert auf die Bogenfelder an sich, der Baukubus darunter besteht aus nahezu geschlossenen Ziegelmauern. Selbst der freistehende Glockenturm hat untypischer Weise ein Bogendach. Das Hauptportal unter einem konischen Rundbogen befindet sich wie in Eschweiler-Hücheln auf der Längsseite des Gemeinderaums, der dahinter folgende Altarbereich weist ein höhere Decke und ein ebenso hohes, großes Seitenfenster auf. Die Bogenfenster über dem Eingangsportal und unter dem Betonschalendach sind wie in Aldenhoven von Ludwig Schaffrath.
Schaffrath-Fenster finden wir auch in Sankt Apollonia in Eilendorf. Nach ihrer Weihe 1961 fanden auch weitere Arbeiten des Würselener Künstlers Albert Sous ihren Platz, wie 1968 Tabernakel und Ambo und 1969 der Osterleuchter. Entworfen vom Aachener Architekten Peter Salm weist die Kirche noch typische Merkmale der 1950er Jahre auf wie konisch verlaufende Öffnungen zum Beispiel am Campanile. Die seitlichen Fensterfelder nehmen die zum Altarbereich abfallende Neigung des Satteldachs auf. Die Eingangswand ist konvex geschwungen und durchgehend aus Ziegelmauerwerk. Über dem Portal wacht eindrucksvoll Apollonia, die Schutzheilige der Zahnärzte. Ein gänzlich anderes Erscheinungsbild bietet Sankt Franziskus in der Stolberger Unterstadt. Ein mächtiger, geradliniger Glockenturm thront oberhalb des am Hang gelegenen Kirchenbaus. Dieser steht auf quadratischem Grundriss mit einem über Eck geneigten Satteldach. Der schon 1923 angedachte Neubau einer Gemeindekirche konnte erst 1965 begonnen werden. Den Entwurf lieferte der Aachener Architekt Hans Heinemann, die Einweihung fand schließlich im Jahr 1967 statt. Zwischen der Dachkonstruktion und den Ziegelwänden ist ein umlaufendes, monochromes Fensterband mit christlichen Motiven, welches vom Aachener Künstler Peter Hodiamont geschaffen wurde. Passend zur Kupferstadt Stolberg ist der Tabernakel aus eben diesem Material gearbeitet, versehen mit mehreren Bergkristallen. Der Altar in der Südecke besteht aus belgischem Blaustein.
Ebenfalls auf quadratischem Grundriss basiert Sankt Hermann Josef in Stolberg-Liester, wobei Eingangsportal und Chorraum jeweils leicht herausgezogen sind. Dadurch entsteht der Eindruck eines klassischen dreischiffigen Kirchenbaus, jedoch unter einheitlichem Dach. Ansonsten weist der wieder kubistisch geradlinige Bau keinerlei dekoratives Detail auf, sodass ohne den Campanile auch eine Lagerhalle assoziiert werden könnte. Die Konsekration der vom Eschweiler Architekten Heinz Kaldenbach entworfenen Kirche fand im Jahr 1967 statt. Zum Interieur steuerte der Stolberger Künstler Ludwig Mohnen das Altarkreuz und den Tabernakel bei, der Bildhauer Hermann Pier aus Mulartshütte den Altar.
Zwei Kleinode der Nachkriegs-Kirchenarchitektur finden sich in Übach-Palenberg und Alsdorf. Sankt Maria Heimsuchung im Palenberger Stadtteil Marienberg ist auf integrierten Mauerresten des 1944 zerstörten Vorgängerbaus aufgebaut und offeriert die 1950er Formensprache par Excellence. Abgerundete Trapezformen bilden Fensteröffnungen sowohl in der Giebelwand als auch im Glockenturm. 1961 konsekriert weist sie aber auch schon an den Längsseiten des einfachen Ziegelstein-Baukörpers mit Satteldach Betonmaßwerk-Fenster auf. Sankt Wendelin in Alsdorf-Bettendorf steht mitten auf einer großen Grünfläche wie eine Ziegelstein-Plastik. Der abgerundete Trapez-Grundriss leitet galant zum freistehenden Glockenturm mit ebenfalls abgerundeten Ecken über. Dieser nimmt in seiner Höhe zusätzlich die gegenüberliegende Schräge des Satteldachs auf. Die 1964 geweihte Kirche fokussiert aufgrund der konischen Mauerführung die Gemeinde auf den Altar, der wiederum von einem Oberlicht in der spiralförmig hochgezogenen Chorrundung angestrahlt wird. Mächtig und selbstbewusst thront mitten in Geilenkirchen-Immendorf die Kirche Sankt Peter. Allein der mächtige Campanile mit seinen typischen Öffnungen im Glockenbereich weist von Weitem den Weg. Aber auch der 1960 benedizierte, stattliche Langbau, der auf Resten der dreischiffigen, im Krieg teilweise zerstörten Vorgängerkirche hochgezogen wurde, kann beeindrucken. Betreten wird er durch einen zweigeschossigen Verbindungsbau zum Turm. Durch die Skelettbauweise wird trotz einheitlicher Deckenhöhe Bezug genommen auf die ehemaligen drei Längsschiffe. Die beiden Seitenwände sind komplett mit bunten Fenstern zwischen Betonstreben verglast. Sie leuchten mit den gelb-violetten Glasleuchten fast um die Wette. Auch hier wird schon die neue Liturgie-Reformbewegung des Einraumsaals vorweggenommen. Gemeinde und Priester finden sich unter einem gemeinsamen Dach in schlichter Umgebung zum Abendmahl ein.
Ebenfalls stattlich, aber schlicht in den Grundformen zeigt sich Sankt Thekla in Herzogenrath-Merkstein. Ein schlanker und hoher Quader aus Beton als Glockenturm und ein liegender Quader aus Ziegelstein mit einem minimal geneigten Satteldach bilden die Architektur-Bausteine. Rundbogenfenster à la Palladio als umlaufendes Element unter der Dachkonstruktion und vertikale Lisenen dazwischen strukturieren einheitlich die Außenwände. 1968 war ihre Kirchweihe.
Eine Ausnahme bezüglich des freistehenden Glockenturms weist Sankt Andreas in Baesweiler-Setterich aus. Hier ist sein Grundriss nicht quadratisch, sondern rund, und mit schachbrettartigem Wechsel zwischen offenen Betonwerksteinen und geschlossenen Ziegelfeldern im Glockenbereich setzt er ein eigenwilliges Zeichen. Nur zwei Jahre vergingen zwischen Planung und Einsegnung im Jahr 1961. Architekt war Stefan Leuer, ein ehemaliger Mitarbeiter im Büro Mies van der Rohes und ab 1946 Assistent von Hans Schwippert an der RWTH Aachen, wo er auch studiert hatte. Auch die eigentliche Kirche ist rund, allerdings ellipsenförmig und steht an der selben Stelle, wo auch die Ende 1944 vollständig zerstörte, neugotische Vorgängerkirche gestanden hatte. Zum Interieur hat der Architekt auch den Altar aus Trachyt beigesteuert. Der Tabernakel stammt aus der Werkstatt des Aachener Goldschmieds Gerd Thewis, die Fenster wurden 1967 von Ludwig Schaffrath geschaffen.
Ein weiterer Sakralbau von Stefan Leuer ist Sankt Gregorius in Aachen-Steinebrück. Auch hier hat der Kirchensaal runde Formen, dieses Mal in Form einer konvex geschlossenen Parabel. Der Campanile nimmt den Grundriss in entgegengesetzter Richtung auf, wobei die gerade Schlusswand komplett mit Betonmaßwerk versehen ist. Das Portal liegt an der nach außen gewölbten Schlusswand, der Altar steht in der Parabelspitze, zwei Stufen von der Gemeindeebene erhöht. Nicht nur die hierhin zulaufenden Seitenwände lenken den Blick auf ihn, sondern auch das von gut fünf Metern am Eingang auf fast 14 Metern über dem Altar empor schießende Flachdach mit Lichtkuppeln über dem Altarbereich. Das Hanggrundstück wurde gekonnt instrumentalisiert, indem der Eingang mit kleinem Vorplatz gegen den Hügel gesetzt wurde, so dass zur unteren Straße automatisch eine Art Souterrain unter dem Altar entstand. Hier fanden ein Gemeinderaum und eine Krypta nach klassischem Vorbild Platz, die neuerdings als Kolumbarium genutzt wird (siehe auch AKTUELLES in diesem Heft). Der einem Schiffsbug ähnelnde Baukörper ist bis auf die Eingangswand rundum geschlossen mit Waschbetonplatten verkleidet. Lediglich im Bereich der ehemaligen Krypta sind kleine, quadratische Fensteröffnungen und ein separater Zugang, welcher heute ins Kolumbarium führt. Der Hauptsaal wird durch die erwähnten Lichtkuppeln und 160 kleine Fenster in der Portalwand erhellt. Letztere wurden wieder von Ludwig Schaffrath entworfen, aber auch das Außenkreuz über der höchsten Parabelkurve und der Wetterhahn auf dem Glockenturm. Die Konsekration fand 1967 statt, seit 2018 steht die Kirche unter Denkmalschutz.
Zuletzt seien zwei Kirchen genannt, die unterschiedlicher kaum sein könnten, obwohl sie aus einer Architektenfamilie stammen. Sankt Johann Baptist in Geilenkirchen-Hünshoven von Dominikus Böhm und Sankt Hubert in Aachen am Kronenberg vom Sohn Gottfried Böhm. Erstere wurde an die Überreste einer einschiffigen Kirche aus dem 15. Jahrhundert angebaut, welche nun als Eingang fungieren. Das neue Langhaus mit einfachem Satteldach mündet in einem halbrunden Chor, der vertikal durch raumhohe, schmale Buntglas-Felder gegliedert wird. Obwohl schon 1951 eingeweiht, weist der Sakralbau bereits das Element des freistehenden Glockenturms auf, wenngleich noch relativ gedrungen und mit gänzlich offenen Glocken. Im Innern beeindruckt die zeltartig gespannte Deckenkonstruktion aus Betongewebe, die der Sohn von Dominicus Böhm, der spätere Aachener Architekturprofessor Gottfried Böhm, nachher bei seinen allein entworfenen Sakralbauten in zahlreichen Variationen zu wagemutigen, Skulpturen-gleichen Innen- und Außenräumen weiter entwickelte. Ein international bekanntes Zeugnis dieser Böhm-typischen Architektur ist Sankt Hubertus, im Öcher Volksmund auch Backenzahn genannt, was nicht sehr schmeichelhaft für den eigentlich symbolisierten Bergkristall ist. Dieser Halbedelstein findet sich auch im Altarkreuz wieder und steht für Klarheit in jeder Hinsicht. 1964 wurde dieser amorphe Baukörper, der oberhalb eines Waschbetonsockels komplett mit schwarzem Schiefer verkleidet ist, seiner Bestimmung übergeben. Schon ohne externen Glockenturm, mit einem beinahe brutal nüchternen Innenraum, der allein durch die wenigen Lichteinfälle auf die gefalteten Rohbetonwände und –decken besticht. Die Blicke richten sich fast unweigerlich in die obersten Spitzen und Ecken der an Origami erinnernden Raumskulptur. Zur Zeit wird aufgrund immer kleiner werdenden Gemeinden auch hier an eine Umnutzung gedacht. Es liegen bereits einige Studentenentwürfe vor, die bekanntlich oft die besten, weil unkonventionellsten und von jeglichen Zwängen unbelasteten sind.
Gottfried Böhm zeichnet noch für drei andere bedeutende Kirchenbauten in der Euregio verantwortlich: Sankt Rochus in Jülich, Sankt Anna in Düren und Sankt Gregorius de Grote im niederländischen Brunssum. Jede für sich ein Gesamtkunstwerk, dabei völlig unterschiedlich, aber dennoch mit einer Handschrift – typisch Böhm eben. Von den circa 6000 christlichen Kirchen in NRW werden in den nächsten Jahren etwa 30 Prozent nicht mehr benötigt werden. Die Gründe hierfür sind hinlänglich bekannt. Wichtig ist aber, dass bei Kirchen von anerkannt architektonischem Wert besondere Sorgfalt bei einer Nachfolgenutzung walten muss, damit diese Kulturzeugnisse komplett erhalten werden können. Sie stehen für eine ganz besondere Zeit des Aufbruchs, nicht nur in klerikaler Hinsicht. Es ist ratsam, dies bei allen Entscheidungen immer vor Augen zu haben.