DER ALLES TESTER


Drück mich erst, wenn ich dir gehör’!“ Dieses Schild an einem Regal für Original Schüttelbrot in Südtirol ist der verzweifelte Versuch eines kleinen Lebensmittelhändlers, seine Ware vor der Unbrauchbarmachung durch die online-verwöhnte Probier-Kundschaft zu bewahren. Schüttelbrot trägt seinen Namen ja nicht, weil der Kunde es in der durchsichtigen Packung erst zu Paniermehl zerbröseln und dann schütteln soll. Avocados zeigen sich nach zwei- bis dreifachem Drücken zwecks Reifeprüfung vielleicht noch resistent, nach mehrmaligem beherzten Rundumpressen durch – vor allem – kräftige Männerhände jedoch rächen sie sich durch braunes Fruchtfleisch im Innern. Das wiederum treibt die „Bestellen-testen-retourschicken“-Klientel mit dem vermeintlich verdorbenen Lebensmittel wieder zurück ins Geschäft zur Reklamation. Sogar die eigens zum direkten Verzehr, weil vorgereiften, Exemplare in der ebenso ausgeschilderten Auslage sind nicht sicher vor dem Drücken, Pressen und Quetschen. Melonen werden von der neuen Generation fernseh-zertifizierter Hobbyköche von allen Seiten derart vehement beklopft, als wolle man irgendwelche SOS-Morsesignale senden. Dringt der anschließende, Rammbock-gleiche Daumendruck am Stempelansatz auch noch erfolgreich ins Fruchtfleisch ein, zeigt dies zwar den eigentlich gewünschten Reifegrad an, bedeutet aber für das Genussobjekt gleichzeitig den Ausschluss vom Kauf, da man schließlich nur unversehrte Ware durch die Kasse bugsiert. Spezielle Aufkleber wie „danke, ich bin schon beklop(f)t“ werden dabei geflissentlich übersehen, falls überhaupt verstanden. Bei der Anprobe vom neuesten Must-Have in der Wunschgröße, die man eigentlich schon längst aus den Augen verloren hat, wird solange versucht, sich hinein zu schrauben, bis der Reißverschluss Veto einlegt und den Geist aufgibt. Handschuhe, die listigerweise wahrscheinlich nur zu klein aussehen, zurrt man solange über den Handballen, bis der Lederdaumen einzeln übrigbleibt. Beliebt sind auch der Ledertest durch Kratzen mit dem Fingernagel, die Perlenprobe mittels kräftigem Zubeißen, die Kristall-Klangprobe durch beherztes „Zuprosten“ zweier leerer Gläser und ebenfalls der Silberlöffeltest in Form von Biegeversuchen beziehungsweise deren vollendeten Ausführung.

Der kulinarische Allestester geht auf einen Mittags-Snack an die Käsetheke des Supermarktes in der Nähe, kann sich aber in der Kürze der Pause nicht zum Kauf einer der 25 getesteten Käsesorten durchringen. Begehrt sind in diesem Kontext jene Märkte mit einer Probierstation für Rotweine. Leider aber liegen die beiden Theken nicht direkt nebeneinander, was den abwechselnden Genuss etwas mühselig macht. Wenn man Glück hat, liegt aber in der Obstabteilung allerhand Saftig-Süßes -vom Abteilungs-Azubi fein kleingeschnitten- als Dessertvariation bereit. Dafür muss man jedoch erst einmal wieder retour zum Eingang. Macht aber nichts, denn da liegt ja noch die Brottheke auf dem Weg, und das „Brot des Tages“ –hoffentlich mit etwas Butter- bietet zwangsläufig eine willkommene Abwechslung.

Für ein etwas handfesteres Testprogramm bieten Baumärkte Probebohren durch Holz, Ziegel und Eisen an. Oder Säge-Selbsterfahrungen im Kreis oder an der Kette. Das kann die geschundene Männerseele oft in nullkommanix wieder auf die Überholspur bringen, quasi als Sekundenglück statt langfristigem Ratenkauf. Der erfahrene Möbeltester wiederum legt strategisch bestens ausgeklügelt den Probe-Liefertermin für das neue Highbord (altdeutsch: Anrichte) auf den Tag vor dem Geburtstagsempfang. So kann er seinen Gästen stets seinen neuesten Zeitgeistgeschmack zeigen und ihnen vormachen, was diese ihm alles wert sind. Für den Blumenschmuck auf selbigem Präsentiermöbel gibt es leider keine Rückgabemöglichkeit. Macht aber wieder nichts, denn die Rosen halten bestimmt mindestens noch zwei Wochen. Schließlich hat man vor dem Kauf alle einzelnen Blüten auf ihre Taufrische getestet, indem man jede mit Daumen und Zeigefinger auf Druckfestigkeit getestet hat.