DER STRESS PLANER

Sommerzeit gleich Urlaubszeit gleich Erholungszeit. Stimmt, besser gesagt: stimmte, jedenfalls früher, in analogen Zeiten. Bezeichnete man in grauer Vorzeit noch die Phase vor der Abfahrt in die Ferien als Zeit der Vorfreude, allenfalls geringfügig eingetrübt durch den Packstress am Tag davor, ist dieses Stress-Zeitfenster heute gewaltig nach vorne ausgedehnt worden, und statt Freude herrscht Frust. Frust darüber, vielleicht in den letzten drei Monaten vor Urlaubsbeginn doch nicht alle Möglichkeiten im Internet durchgecheckt zu haben. Habe ich wirklich das ultimative Hotel-Schnäppchen gefunden? Fliegt nicht doch eine andere Billig-Airline noch billiger zu günstigeren Zeiten von einem nähergelegenen Flughafen? Aber selbst wenn man sich den eigenen Buchungsentscheidungen fatalistisch ergeben hat, kann sich noch keine Stimmungslockerung einstellen, denn jetzt geht es an die Tagespläne des Zeitraumes zwischen Hin-und Rückflug, -fahrt, -weg. Als Ausgleich für seinen Schnorchelkurs darf sie sich für die immer stark nachgefragte Bauchtanzgruppe anmelden. Aber nur weil beide Kinder schon einen Platz in der Zirkus-Mitmach-Truppe mit Abschluss-Galavorstellung als Pflichtprogramm für die Eltern bekommen haben. Für den Ü50-Tagesausflug ins Landesinnere mit landestypischem Beisammensein am Abend bei landestypischem Buffet und –natürlich- landestypischer Musik hatte man ja schon das letzte Kontingent einer zeitgleich notwendigen 24-Stunden-Betreuung mit Erlebnis-Zelten für den Nachwuchs ergattern können. Bleibt noch der Kampf um die noch wenigen verbliebenen freien Teilnehmer-Plätze beim Musical-Karaoke-Event in der Wochenmitte, die aber nur geblockt werden können, wenn man für Sohnemann und Töchterchen erfolgreich eine Aufnahme in den „We-create-our-own-tattoo-workshop“ durchgesetzt hat. Für die dann immer noch freien Ferientage besteht kein Grund für Planungsstress, weil erfahrungsgemäß die Angebote für Eltern-Kind-Aktivitäten nicht so überlaufen sind. Also bleiben noch einige Wochen Zeit, um im paritätischen Familien-Parlament auszudiskutieren, ob man lieber die geführte Eselswanderung mit Eseln ohne Führer macht oder doch eher die Mehrheit für den Family-Kitchen-Cooking-Cup mit -genau!- landestypischen Produkten ist. Im äußersten Notfall kann man sich ja in allerletzter Minute noch für die „Mixed-Motions & Sports-Animations“ anstellen mit Zumbarobic, Aquilates und -vermeintlich- landestypischen Tänzen.

von Rainer Güntermann