BODEN REFORM – NEUE OBERFLÄCHE NEUES RAUMGEFÜHL –

Die Zeiten, in denen in der Küche Linoleum, im Bad Fliesen und im Wohnzimmer die ominöse Auslegeware den Boden „zierten“, gehören schon seit Langem der Vergangenheit an. Betonestrich in der Küche und Holzdielen im Bad sind längst zum Standard im Eigenheimbau geworden. Durch immer ausgefallenere und technisch optimierte Oberflächentechniken ist heute beinahe alles möglich. Wir möchten einen kleinen Überblick und neue Anreize geben.
TEXT: Rainer Güntermann

Beginnen wir direkt bei den augenscheinlich kompliziertesten Räumen, nämlich dem Bad und der Gästetoilette. Der obersten Priorität der Pflegeleichtigkeit in den Nachkriegsjahrzehnten folgten die Hygienehysterie und nicht viel später die Silikonwaffe „Abziehpistole“. Alle Ritzen, Fugen, Übergänge, Anschlüsse, die breiter als ein Blatt Papier waren, wurde mit einer Silikonbahn abgezogen. Alles, was scheinbar nicht anders zum Halten gebracht werden konnte, bekam eins mit der Silikonpistole übergezogen. Über diesen Heimwerkerwahn können Fachbetriebe nur die Stirn runzeln – bestenfalls. Inzwischen müssen Duschtassen nicht mehr unbedingt aus einem Stück gegossen sein und mit einem zunächst transparenten oder weißen „Gummiband“ zu allen Anschlussseiten abgedichtet werden. Auch kleinteilige Mosaikvarianten stehen zur Verfügung, geometrisch oder polygonal, farbig oder monochrom, gemustert oder uni. Mit hochwertigen Fugenmaterialien eingeschlämmt erfüllen sie jede Dichtigkeitsanforderung, können einen nahtlosen Übergang vom restlichen Bodelbelag bilden und sind zudem aufgrund des hohen Fugenanteils auch wesentlich rutschhemmender als Kunststoff oder Emaillewannen. Lediglich ein etwas höherer Pflegeaufwand hinsichtlich des Sauberhaltens der Fugen wegen möglicher Kosmetikrückstände ist zu beachten. Die Optik jedoch gewinnt eindeutig gegenüber der Alternative einer Antirutschmatte. Die italienische Firma Bisazza –um nur eine zu nennen- bringt jedes Jahr erneut Mosaikmuster heraus, die den Betrachter immer wieder erstaunen lassen. Per Computerprogramm erstellte Designs werden auf kleinste Kachelplättchen übertragen und lassen aus der Entfernung das Gesamtbild entstehen: Täuschend echtes Krokodil- oder Schlangenleder, alte Kreuzstich-Rosenstickerei, antike Köpfe wie aus der Münchener Glyptothek oder überdimensionierte Stoffgewebe wie Fischgrat.

Seit einigen Jahren hält auch der Baustoff Holz Einzug in die Nassräume. Gemeint sind nicht die zahllosen Feinsteinzeugplatten mit real erscheinenden Holzmaserungen, die sogar in der Dreidimensionalität der Oberfläche das Naturmaterial verblüffend originalgetreu darstellen. Das Holz selbst hat sich dieses Terrain zurückerobert. Die materialeigene Rutschfestigkeit und die von Natur aus antibakterielle Eigenschaft des Holzes bieten eindeutig Vorteile gegenüber glatten Fliesenbelägen. Der Naturwerkstoff kann durch seine Fähigkeit, Feuchtigkeit aufzunehmen und auch wieder abzugeben, das Raumklima generell nachhaltig verbessern. Voraussetzung ist wie so oft die richtige Wahl des Materials, in diesem Fall am besten Eichenholz, dazu eine eigentlich in diesen Räumen selbstverständlich notwendige, regelmäßige Durchlüftung, sowie die Verwendung von nicht zu aggressiven Kosmetika – letzteres nicht nur zum Wohl des Holzes.
In Zeiten immer häufiger auftretender Hausstauballergien geht die Verwendung von Teppichböden immer weiter zurück. Dazu kommt, dass die sehr oft verwendeten Kunstfasern des Trittbelages, aber vor allem die Kunststoffe des Belagrückens immer mehr in Verruf geraten sind, über einen langen Zeitraum schädliche Ausdünstungen zu verursachen. Daher ist bei der Wahl dieses Bodenbelages eine sorgfältige Information über die eingesetzten Materialien und ihre Verarbeitung dringend angeraten. Sind diese unbedenklich, können zum Beispiel mit getufteter Ware –manuell oder maschinell- sehr lebendige Bodenlandschaften entstehen, da durch die je nach vorgegebenem Muster unterschiedlich hoch geschnittenen Fäden ständig wechselnde Licht- und Schattenwürfe entstehen. Ein weiteres Kriterium bei dieser Art von Böden ist die mögliche Pflege beziehungsweise Fleckempfindlichkeit. Bei eher dunklen oder farbintensiven Materialien sollten bei einer sanften, punktuellen Reinigung nicht sofort bleiche Stellen zurückbleiben. Über die natürliche Belichtung eintretendes UV-Licht wiederum wird immer zu Farbveränderungen von freien gegenüber dauerhaft verschatteten Flächen wie zum Beispiel unter Sofas oder Schränken führen. Bei sogenannten lichtechten Fasern vielleicht ein bisschen abgeschwächter, ebenso weniger bei eher hellen Farbtönen.

Ein regelrechtes Comeback erlebt seit einiger Zeit das zu Unrecht als Billigboden deklassierte Linoleum. Aufgrund neuentwickelter Materialzusammensetzungen kann es heute als gesunde Alternative zu den in der Tat billigen und laut immer wiederkehrender Tests als gleichsam toxisch einzustufenden PVC-Böden angesehen werden. Ähnlich wie bei Parkettfußböden können sogar Intarsienmuster verlegt werden, was der Fantasie keinerlei Grenzen mehr setzt. In punkto Pflegeleichtigkeit ist es sowieso kaum zu toppen. Ein geringer Trittschall, eine relative Fußwärme und die geringe Materialhöhe lassen es zu einem Allrounder werden. Wie bei den unzähligen PVC-Varianten gibt es auch auf dem Laminat-Sektor sehr viele Billigmodelle, bei denen nicht nur die Trittschalldämmung zu wünschen übrig lässt, sondern vor allen Dingen die Materialbeschaffenheit. Giftige und lang ausdünstende Bindemittel und Kleber schädigen das Raumklima und die Umwelt, besonders beim Einsatz in Verbindung mit Fußbodenheizungen. Die bessere Wahl sind eindeutig Modelle mit einer natürlichen Decklage aus Echtholz oder Kork. Vor einigen Jahren hat ein bekanner Schuhfabrikant in Zusammenarbeit mit einem Natur-Teppichbodenhersteller eine neue Variante des Laminatbodens herausgebracht. Aus recycelten Lederresten und einem umweltfreundlichen Kleber wurde eine robuste Deckschicht für Click-Laminatdielen mit Korkeinlage entwickelt. Die verschiedenen Prägungen –von Kroko bis Rind- in natürlichen Lederfarben lassen eine außergewöhnliche Optik entstehen. Auch sind sie pflegeleicht und sehr angenehm zum Barfußlaufen. Zu den edelsten Bodenbelägen zählt nach wie vor das Parkett. Zahlreiche Verlegevarianten und Holzsorten, je nach Belastungsanforderungen und optischer Wirkung, lassen den persönlichen Wünschen freien Lauf. Zudem bieten die Möglichkeiten von Holzkombinationen und Intarsien – umlaufend als Bandmuster, zentral als Ornament oder flächendeckend als Trompe-l’oeil – weitere Optionen. Die einzige Beschränkung scheint der Geldbeutel vorzugeben. Allerdings sollte man stets die Raumgröße und die vorhandene oder vorgesehene Möblierung berücksichtigen. Ein Trompe-l’oeil-Muster kommt nur auf großen Flächen mit wenigen Einrichtungsstücken richtig zur Geltung.

Ein achsial ausgerichtetes Fischgratparkett verliert bei schrägen oder gebogenen Wänden seine Wirkung, und ein eher derbe daherkommender Dielenfußboden verträgt sich nicht sehr gut mit verspielten Möbeln oder Dekorationen.
Ebenfalls mit Bedacht sollte man bei Estrichkacheln vorgehen. Im Zuge der immer beliebter werdenden Guss-Estriche mit Versiegelung, die den Räumen zumindest im Bodenbereich einen Loftcharakter mit Industriecharme geben, sind die vor allem zur Jugendstilzeit und in südlichen Ländern noch heute weit verbreiteten Zementfliesen wieder auf dem Vormarsch. In mehreren Arbeitsgängen wird mit Hilfe von Schablonen ähnlich den Ausstechformen für Plätzchen unterschiedlich gefärbter Zementestrich in die einzelnen Felder gegossen. Zuletzt wird die Oberfläche abgeschliffen, und die vorgesehenen Muster erstrahlen in voller Pracht. Zu teppichähnlichen Flächen zusammengelegte gleiche oder bunt durcheinander platzierte Fliesen ergeben dann beeindruckende Böden. Interessant ist dieser Bodenbelag bei individuell gewünschten Farben oder Formen wie zum Beispiel Initialien, Wappen oder dergleichen.
Eine ähnliche Technik wird bei den Terrazzoböden angewandt. Auch sie sind wieder häufiger anzutreffen, da sich immer mehr Handwerksbetriebe auf die Herstellung dieses Belages spezialisiert haben. In einen Guss­estrich werden Kiesel oder sonstige Feststoffe beigemengt und nach dem Austrocknen die Oberfläche abgeschliffen. Auch hier können durch unterschiedlichste Beimengungen einzigartige Wirkungen erzielt werden. Durch Einfärben des Zementes und die Farbe der Kieselsteine kann individuell Einfluss auf das Erscheinungsbild genommen werden. Je größer die Kiesel, desto größer ihre beim Abschleifen entstehende Schnittfläche. Richtig spannend wird es beim Zugeben einfachen Muscheln oder Metallresten oder gar Halbedelsteinen. Perlmuttener Schimmer, golden glänzendes Messing oder eben strahlend blaue Lapislazulikleckse erzeugen eine großartige Optik.
Egal, für welchen Bodenbelag Sie sich entscheiden sollten, stets sollte das Gesamtinventar im Auge behalten werden. Was bleibt an Möblierung bestehen, welche Stücke kommen hinzu? Welche Wand- und Deckenoberflächen müssen beachtet werden, welche werden neu auf den Boden abgestimmt? Was übernehme ich an Dekorationen, welche Stoffe und Accessoires werden neu kombiniert? Ist eine solche Checkliste abgearbeitet, bleibt nur noch die Vorfreude auf das neue Wohngefühl.

 

TEXT: Rainer Güntermann
FOTOS: MEISTER | www..meister.com, Bisazza, Tarkett, MEISTER | www..meister.com