…UNTERWEGS…

Eric PetersEr selbst bezeichnet sich schlicht als Maler, seine Bilder sind oft verkauft, ehe sie zu Ende gemalt sind, seit Wochen ist er in den Feuilletons der euregionalen Printmedien omnipräsent, der Begriff „schön“ existiert so für ihn nicht – wer ist dieser Ausnahme Künstler aus Aachen?

Noch vor seiner derzeit im ikob in Eupen laufenden Ausstellung, die mit einer sehr bemerkenswerten Rede des neuen Leiters Frank Thorsten Moll eröffnet worden ist, durften wir ihn in seinem Atelier besuchen – ein Besuch in einer anderen Welt. Zurückhaltend, fast schüchtern öffnet Eric Peters uns die Tür und lädt uns ohne Umschweife erst einmal direkt in seine Privaträume ein. Wie in Jahrhundertwendebauten üblich betreten wir einen großen, quadratischen Raum mit Parkettfußboden und hoher Stuckdecke. Eine große, geöffnete Flügeltür gibt den Blick frei in den nächsten Raum. Beide spärlich möbliert, aber der Blick wird sowieso direkt vereinnahmt von Bildern in Riesenformaten, die oft eine komplette Wand einnehmen. Andere sind zum Teil verpackt gegen die Wand gelehnt. Wenn man seine Bilder bisher nur in Museen zu Gesicht bekam, freut man sich, nun endlich einmal ganz dicht herangehen zu können, um die Struktur nächstmöglich zu betrachten. Kein Pinselstrich ist zu erkennen, alles fließt scheinbar ineinander, und man tritt wieder einen Schritt zurück, um nachzuschauen, an welcher Stelle des Motivs der Blick hängengeblieben war.

7 Freigiebig gibt Peters bei jeder näheren Betrachtung den Titel des jeweiligen Bildes preis, und beginnt auch umgehend mit Erläuterungen zum Motiv, der Entstehungsgeschichte oder technischen Umsetzung. „Aber lassen Sie uns das später im Atelier näher besprechen“ kündigt er verheißungsvoll an. Mich fasziniert erst einmal das breite Spektrum der, wie in einer öffentlichen Galerie präsentierten, Arbeiten. Nicht nur Bilder mit Interpretationen von bekannten Porträts, auch farbgewaltige Werke wie „Herr Mao kauft ein“ oder ein Vor-Bild zu einem neuen Zyklus mehrschichtig gemalter Eisberge, wodurch zuweilen ein 3D-Effekt entsteht. „Das Interessante ist hierbei dann, dass nicht wie sonst üblich die dunklen und kalten Farben in die Tiefe gehen, und die hellen und warmen Töne in den Vordergrund kommen, sondern umgekehrt“. Im Nebenraum ein monumentales Werk mit einem satellitenähnlichen Roboter im All: „Little Alien Buddha“, dessen „Bruder“ in der Neil-Armstrong-Halle der Perdue-University in Lafayette/Indianapolis (NASA) hängt. „Das europäische Pendant ESA verfügt übrigens jetzt auch über ein Bild als Dauerleihgabe“ erklärt der 1952 in Stolberg geborene Maler beiläufig. Dann eine in jeder Beziehung ausgefallene Arbeit aus sieben Einzelbildern mit jeweils exakt dem gleichen Motivausschnitt: Ein Hummer mit einer Drappage wie aus einem Stillleben alter Meister, nach den Regeln des goldenen Schnittes jeweils immer größer im Format werdend und entsprechend auch mit wachsenden Abständen an die Wand gehängt. Weiter geht es durch Hof und Garten hinauf in die erste Etage eines alten Backsteinbaus in voller Breite der Grundstücksparzelle. Wieder empfangen uns großformatige Bilder auf rollbaren Staffeleien oder an elektrischen Flaschenzügen aufgehängt. „Alle in Arbeit“ erklärt Eric Peters fast entschuldigend. Jetzt bietet sich auch die Gelegenheit, die gewaltigen Leinwände ausgiebig von der Seite zu betrachten, um aufgrund der sehr massiv wirkenden, dicken Schicht konkret nachzufragen. „Als ich begann, Großformate zu malen, bekam ich keinen fertigen Malgrund in derartigen Maßen. Auch Schöpfrahmen zur eigenen Papierherstellung gab es nicht. Also habe ich experimentiert und benutze seitdem rustikale Böschungsmatten, auf die ich Schicht für Schicht mein selbst grobgeschöpftes Papier auftrage. Daher spreche ich auch nicht von Papier, sondern von Papierhybrid“. Fast alle Bilder stammen aus der relativ neuen Malserie, die er mit dem Wort ‚Q-Bismus’ umschreibt. „Für bestimmte quantenphysikalische Versuche gibt es halbdurchlässige Spiegel, von denen nur die Hälfte der auftreffenden Strahlen direkt reflektiert werden, die andere Hälfte verschwindet aber nicht, sondern bildet den Gegenstand hinter der Spiegelfläche ab, nur andersherum. Dieses ‚Bild mit dem Bild dahinter’ versuche ich zu malen, wodurch dann sehr spannende neue Sichtweisen entstehen“. Noch gut in Erinnerung ist vielen Besuchern des jährlichen Schrit_tmacher-Festivals die im letzten Jahr im Foyer der alten Eisenfabrik Strang ausgestellte Arbeit „Kaiserwalzer“, die diese Malweise auch einem großen Publikum bekannt gemacht hat. „Einer meiner Söhne studiert übrigens Physik. Von ihm kann ich mir jetzt Dinge erklären lassen, die ich vorher zwar empfunden habe, aber nicht definieren konnte“. Die gedanklichen Vorlagen für seine Bilder entwickelt Peters dann weiter am Computer, um sie dann mit im Vergleich zur Leinwandgröße winzigen Pinseln auf sein Papier zu bringen, was durchaus einige Monate dauern kann. „Nach einiger Zeit kommuniziere ich aber nicht mehr mit der Computer-Vorlage, weil sich das Bild selbst erarbeitet, und ich beim Malen Dinge entdecke, die ich vorher nicht gekannt habe“. Zum Abschluss, nach einer Vorausschau auf geplante Vorhaben gefragt, kündigt der Maler eine Monografie an, die, vom ehemaligen Leiter des Aachener Ludwig-Forum Wolfgang Becker verfasst, zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse erscheinen wird. Die vier Europa-Bilder (siehe Interview) werden im Europäischen Parlament in Brüssel ausgestellt werden, „und für die Zukunft eröffnen sich gerade neue, interessante Ausstellungsprojekte“. Interessierte Käufer seiner Bilder hingegen müssen sich in Geduld üben: Allein sein fester Galerist in Houston und Dallas kann kaum seine Klientel ausreichend mit neuen Bildern versorgen.

Herr Peters, Sie bezeichnen sich selbst schlicht als Maler. Sie sind aber auch plastisch tätig, haben zu Beginn Ihrer Laufbahn neben Modedesign auch Möbel entworfen und sogar selbst gebaut, haben als Werbegrafiker Illustrationen gemacht – wäre der Begriff „Künstler“ nicht zutreffender und angemessener?

Der Begriff „Künstler“ ist mir zu weit gefasst. Da ich jeden Tag male, bin ich halt Maler, auch weil ich Dinge malen kann, die ich nicht mit Worten erklären kann, denn was ich in Worte fassen kann, brauche ich nicht zu malen. Aber ein Maler ist man für mich auch nur dann, wenn man Bilder durch malende Hände entstehen lässt und nicht durch das Drücken von elektronischen Knöpfen zum Beispiel.

Ihre Bilder hängen in Gent, Amsterdam, London, St. Petersburg, Houston, Dallas, New York, Rio de Janeiro. Was veranlasst Sie, nach nur vier Jahren nun abermals im eher beschaulichen Eupen auszustellen?

Zum Einen ist das ikob in Eupen zwar klein, hat aber einen sehr guten Ruf, dann ist es das einzige Museum für zeitgenössische Kunst in der Wallonie, wozu ja die Deutschsprachige Gemeinschaft zählt, und drittens ist die Ausstellung schon seit 3 Jahren in Planung, damals noch iniziiert vom ehemaligen Leiter Francis Feidler, der mich und meine Bilder gut kennt. 2012 war ich nur Teil einer Ausstellung, jetzt ist es eine Einzelaus­stellung, was auch der Unterstützung eines belgischen Sammlers meiner Arbeiten und Förderer des ikob zu verdanken ist.

Gab es eigentlich einen konkreten Anlass, der sie zu Ihrem jetzigen, unverwechselbaren Mal-Stil gebracht hat, oder ist es eine zwangsläufig eingetretene Weiterentwicklung?

Eigentlich ist alles nur eine zwangsläufige Weiterentwicklung, die sich unterbewusst von selbst ergibt. Als Maler bin ich auf einer Spur, die ich nicht definieren kann, die mich aber immer weiter führt und mich zu anderen Punkten trägt, die ich noch nicht kenne, von denen ich aber weiß, dass sie eintreffen werden. Reelle Anlässe sind dann nur Wegmarkierungen, wie der Tag, an dem ich für die vier Europa-Bilder im Krönungssaal des Aachener Rathauses 2014 ein Pferdebild am Computer nur etwas drehen wollte, plötzlich aber das Abbild von hinten vor Augen hatte. Als ich beide Bilder übereinanderlegte, sah ich das Pferd von vorn und von hinten gleichzeitig, hatte also ein Bild hinter dem Bild vor mir. Das hat mich nicht mehr losgelassen.

Wer Ihr Werkschaffen verfolgt, bekommt den Eindruck, dass Sie zyklengleich malen, das heißt, Sie beschäftigen sich eine längere Zeit mit einem Motiv und variieren dieses in mehreren Bildern. Was steckt dahinter?

Ein Bild ist für mich immer nur der Grundstein für ein nächstes Bild, mit dem ich versuche, das vorhergehende zu präzisieren, noch besser zu malen. Damit meine ich nicht schöner, weil mich subjektives Schönheitsempfinden nicht interessiert. Das muss nicht immer in direkter, zeitlicher Reihenfolge geschehen. Zur Zeit male ich an mehreren „Zyklen“ – wenn Sie so wollen – gleichzeitig. Das ist sehr spannend und gegenseitig inspirierend. Aber auch Jahre später kann es passieren, dass ich plötzlich das Bedürfnis habe, ein Motiv nochmals neu zu malen.

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Sie schöpfen zumeist das benötigte Papier selbst, sprich Sie stellen auf sehr aufwändige und oft langwierige Weise den Malgrund in Eigenarbeit her. Dann kommt Ihre äußerst akribische Malerei und Bearbeitung der Oberfläche, die ebenfalls sehr zeitintensiv ist. Ist dieser Prozess außer der rein technischen Notwendigkeit wichtig für das entstehende Werk, oder wissen Sie bereits zu Beginn, wie das fertige Bild aussehen soll?

Nein, auf keinen Fall. Ich habe nur vage Vorstellungen. Malen heißt für mich, alles fließen und dies auch zuzulassen. Am besten oder kreativsten bin ich, wenn ich das Gefühl habe, mir selbst beim Malen zuzuschauen. Ich habe immens viele Ideen im Kopf, Entwürfe als Vorstufen zu Bildern, und ich kann mich oft nur schwerlich bremsen, aber es bleiben eigentlich nur 10 bis 20 Prozent der Gedanken übrig, die weiterreifen und sich lohnen, zu Papier gebracht zu werden.

Sie scheuen sich nicht, bekannte Bilder wie zum Beispiel Nofretete, Rembrandt oder Frida Kahlo als Motiv zu übernehmen und neu zu interpretieren. Reizt Sie dabei allein die Bildgrundlage, oder was ist jeweils der Beweggrund?

Eine meiner ersten Vorlagen diesbezüglich war vor über 30 Jahren ein Bild von Picasso, das mich zu einem neuen Bild inspiriert hat. Bei Frida Kahlo war es das interessante Schicksal dieser Frau, das ich in mein Bild von ihrem Selbstporträt legen wollte, bei Nofretete, dem Sinnbild der Schönheit schlechthin, dann natürlich die Suche nach der weiter oder tiefer gehenden Schönheit, also wieder der Blick dahinter, hinter die vordergründige Realität. Bei Jan Vermeer’s „Mädchen mit dem Perlenohrring“ ist es so gewesen, dass ich den Film mit Scarlett Johansson gesehen habe und mir aufgefallen ist, dass das Mädchen auf dem Originalbild braune Augen hat, die Schauspielerin aber leuchtend blaue. Da saß ich nun als Maler im Kino und dachte mir, dann musst du dieses Mädchen neu malen, als Filminterpretation sozusagen.

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So verstörend beim ersten, flüchtigen Betrachten die Motive zuweilen sein mögen, beim genaueren Betrachten ergeben sich dann aber oft schnell allerlei individuelle Assoziationen. Diese stellen sich aber nur schwerlich bei den Titeln oder Umschriftungen ein, die augenscheinlich das Motiv nur wenig näher erläutern. Warum diese weitere Herausforderung für den Betrachter?

Ich finde die Titel haben sehr viel mit den Bildern zu tun, und beide unterstützen sich gegenseitig. Früher –das gebe ich zu- habe ich allerdings sehr viel Lust am Fabulieren verspürt und ihr freien Lauf gelassen. Da ich beim Malen aber sehr oft Musik höre, sind die Titel auch hierbei entstanden. Manchmal habe ich jedoch über Jahre hinweg Titel im Kopf, zu denen mir aber jeweils das Bildmotiv fehlt. Dann warte ich, bis dieses irgendwann von selbst zu mir kommt.

Ihre Bilder beeindrucken auch durch immer wieder neu zu entdeckende Überraschungen. Sie scheinen gemalte Fantasien, mit dem Pinsel sichtbar gemachte Psyche zu sein. Hat Sie diese quasi neue Art des „Fantastischen Realismus“ zur intensiven Auseinandersetzung mit Yoga und Meditation geführt oder umgekehrt?

Die Frage ist eigentlich schon Teil meiner Antwort. Ich kehre das Innere nach außen, mache Psyche sichtbar. Aber auf keinen Fall bin ich „Fantastischer Realist“, da mich zum Beispiel an Träume nie erinnern kann, also daraus folgend keine Ideen oder Vorstellungen entwickeln kann. Allmorgendlich praktizierte Yoga und Meditation dienen auch nicht der Entwicklung von neuen Fantasien, sondern sind Einstimmung auf die folgende Tätigkeit und Teil meiner körperlichen Arbeit.

Mit Ihrem Sujet haben Sie heutzutage ein veritables Alleinstellungsmerkmal. Sehen Sie sich trotzdem in einer bestimmten stilistischen Tradition als Weiterentwickler und Fortdenker, zum Beispiel des Symbolismus, Dadaismus oder Surrealismus?

Ich bin daran interessiert, einen anderen Blick auf die Realität zu ermöglichen. Die Technik der Superposition eröffnet für mich interessante, neue Möglichkeiten, und die Zukunft wird zeigen, was sich daraus entwickeln wird.

Sind Sie überrascht, wie viel Medieninteresse sowohl in der Presse, als auch bei grenzüberschreitenden TV-Sendern diese Ausstellung in Eupen bisher schon hervorgerufen hat, oder sind Sie derlei Hype gewohnt – wobei man Sie ja eigentlich eher als zurückhaltenden Menschen kennt, der selten sein Atelier verlässt, der nicht nach jeder Fotolinse giert, um eine Selbstdarstellung abzugeben?

Es fällt mir schwer, mich daran zu gewöhnen, aber es freut mich natürlich, zusammen mit Frank-Thorsten Moll und seinem Team von ikob in Eupen eine Ausstellung aufgebaut zu haben, die auf eine so große Resonanz stößt. Ansonsten bin ich ein Maler ohne Kult, denn meine Bilder sollen ohne mich existieren – Ich hatte nur das Vergnügen, sie zu malen.

Herr Peters, vielen Dank für das interessante Gespräch und den Einblick in Ihr Atelier!

TEXT: Rainer Güntermann

FOTOS: Holger Schupp