GRILL AS GRILL CAN

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Sie: „Aah – Sommer – wie schön – die Grillen!“ Er: „Wie – ich riech’ nichts!“

Bestimmt kennen Sie diesen Kalauer, aber er ist jedes Jahr wieder aufs Neue aktuell: Der evolutionsbedingte Sammler und Jäger verfällt bei Außentemperaturen etwas oberhalb des Gefrierpunktes unwillkürlich in das feuermachende Steinzeitgeschöpf und lässt kein – heutzutage natürlich gekauftes – Lebensmittel mehr den Weg vom Kühlschrank direkt auf den Herd nehmen, sondern leitet es über Zwischenstationen wie Marinadepool, Wickelecke oder Füllstoff zum Grillzentrum weiter.

Hier wird alles auf den Rost verb(r)annt, was nicht bei drei hinter der Hecke ist. Nichts ist vor der Nahrungsmittel-Sonnenbank sicher. Es wird gegrillt, dass sich die Roste biegen, und der Nachbar grillt zurück! Rauchsäulen, wohin man schaut, in Anzahl und Dichte in den Abendstunden derart zunehmend, dass der Regionalflughafen in der Nähe seinen Flugverkehr wegen mangelnder Sicht einstellen muss. Die Feinstaubmessgeräte an den Messstellen implodieren und auch weniger empfindliche Menschen suchen mit Atembeschwerden die Notaufnahmen auf.

Beschränkte sich früher das Grillgut auf Fleisch oder – bei exotischen Feinschmeckern – auch Fisch, entzieht der emanzipierte Grillmaster den Küchenknecht(inn)en auch noch die Beilagen-Grundausstattung wie Kartoffeln und Gemüse, um diese zu marinieren, zu wickeln, zu füllen und und und.

Hauptsache, er behält mit Gabel und Zange die Oberhand über die Speisenfolge. Bleiben der eigentlich besseren Hälfte nur noch das Betätigungsfeld Blattsalat und Getränke. Ach nein, die übernimmt der Hausherr ja auch noch mit links. Außer Mineralwasser natürlich. Denn nicht nur der Grill als solcher ist hochgerüstet worden mit Gas und Kohle, Haube und low-cooking-area, Temperaturfühlern und Über-Dach-Rauchrohren, sondern im Zuge des unausgesprochenen Nachbarschafts-Wettbewerbes ist Mann selbstverständlich inzwischen auch stolzer Besitzer einer mobilen Bar mit Kühlung, Zapfanlage, Weinklimaschrank und elektrischem Icecrusher. Wäre die Luft nicht sowieso schon „dicht“, käme nach dem Essen eine Zigarre aus dem integrierten Humidor zu Pass.

 

Text: Rainer Güntermann