Gut Rosenberg

InnenansichtDer Prophet im eigenen Land – Sie wissen bestimmt sofort, was ich meine. Dies gilt wohl auch für die AKADEMIE FÜR HANDWERKSDESIGN DER HANDWERKSKAMMER AACHEN – GUT ROSENBERG im beschaulichen Stadtteil Horbach. Während die Akademie in den beiden Landesteilen mit der traditionell höchsten Handwerkerdichte, Süddeutschland und Norddeutschland, in den entsprechenden Kreisen sehr bekannt und angesehen ist, ist Ihr Bekanntheitsgrad in der Heimat in Relation gesehen eher gering. Dies nachhaltig zu verändern hat sich die derzeitige Leiterin Frau Dr. Petronella Prottung auf die Fahne geschrieben.

Innenhof

Direkt an der Hauptstraße in Horbach gelegen, aber durch eine fensterlose Außenmauer zu ihr abgeschottet, wird die Akademie auch diesbezüglich leicht übersehen. Über einen großen Torbogen in einem Seitenflügel gelangt man in den umschlossenen Innenbereich des beeindruckenden Vierkanthofes mit einer großen Rasenfläche in der Mitte. Erstmals bereits im Jahr 1274 in einer Kaufurkunde mit dem Karlssiegel erwähnt, war es lange Zeit vom Kölner Erzbischof als Lehen dem Jülicher Adelshaus Heyden zur Nutzung gewährt. Zu den ältesten noch erhaltenen Gebäudeteilen gehört seitlich der Toreinfahrt ein gedrungener Gewölbekeller mit einer im Ziegelverbund gemauerten Kappendecke. In der Hauptsache aber entstanden die vier Flügel des Gutes aufgrund von Bautätigkeiten im 18. und 19. Jahrhundert. Auch das ehemals den Komplex fast vollständig umschließende Wasserbecken, gespeist durch den Steinkaulbach, der vormals Rosebeke hieß, ist nur noch als relativ kleiner Teich vorhanden. Dafür wird er aber heute wieder von den Studierenden und Dozenten für allerlei Aktivitäten genutzt, und die ansässigen Wildgänse haben keinerlei Berührungsängste. Ganz im Gegenteil: Mit ihren Schnäbeln gegen die verglasten Türen hämmernd machten sie während unseres Rundgangs demonstrativ auf sich aufmerksam. Vielleicht wollten sie uns auch nur auf das riesige, im Teich dümpelnde Flusspferd aus Holz hinweisen.

PetronellaInnenansicht

» Das Leben der studierenden spielt sich hauptsächlich im Hof ab «

Nachdem im Jahr 1971 die Aachener Werkkunstschule der Fachhochschule einverleibt wurde, entstand ein Vakuum für alle Handwerker mit mittlerem Schulabschluss, sich weiterzubilden. Da diese Konzentrierung bundesweit vonstatten ging, entstanden in den 80er Jahren auf Initiative der örtlichen Handwerkskammern insgesamt Gestaltungsakademien, davon zwei in Nordrhein-Westfalen mit Standorten in Münster und Aachen. Die „Aachener Akademie für Handwerksdesign“ wurde 1985 gegründet und hatte ihren Sitz zunächst nahe der Handwerkskammer am Sandkaulbach. 1994 erwarb die Stadt Aachen durch Vermittlung des damaligen Handwerkskammer-Präsidenten Dieter Philipp, Vater des heutigen Oberbürgermeisters Marcel Philipp, das Gut Rosenberg vor den Toren der Stadt. Die Handwerkskammer selbst wurde Pächter und ließ es nutzungsspezifisch und denkmalschutzgerecht großzügig umbauen. Seitdem können sich in den zahlreichen Werkstätten und Seminarräumen ungefähr 80 Studierende mit einer abgeschlossenen Handwerkerlehre oder entsprechenden Berufsausbildung verteilt auf drei Jahrgänge fortbilden und den staatlich anerkannten Abschluss zum Handwerks- beziehungsweise Meisterdesigner erlangen. Seit 2003 bietet der Studiengang „Two in One“ die Möglichkeit, Design und Unternehmensführung zu studieren und zusätzlich auch noch den Meisterabschluss zu erlangen. Im Jahr 2008 gab es für dieses Konzept den Weiterbildungs-Innovationspreis des Bundesinstitutes für Berufliche Bildung und bereits ein Jahr später die Zulassung als erstes Kompetenzzentrum für Handwerksdesign und Gestaltung in Deutschland. Ganz neu in diesem Jahr ist ein berufsbegleitendes Teilzeitstudium zum „Gestalter im Handwerk“. Dieses Angebot zielt ab auf mehr regional Berufstätige im Handwerk mit Unterricht an Wochenenden. Allen Studierenden stehen Werkstätten für Metall, Holz, Keramik, Bildhauerei Druck und Medien zur Verfügung, jeweils mit eigenen Werkstattleitern und Materialpartnern der hiesigen Wirtschaft. Weiterhin ein Fotolabor, eine Bibliothek, ein Ausstellungsraum und eine Caféteria in Eigenregie.

Druckerei

» Den Input aus dem unterricht direkt in den Werkstätten umsetzen «

Bei unserem Rundgang beeindruckten die Mannigfaltigkeit der Arbeits- und Lernmöglichkeiten. In den Seminarräumen unter den langen Dachstühlen hockten Studierende in Kleingruppen mit einem Dozenten zusammen und diskutierten ein Problem, andere saßen einzeln an verschiedenen Geräten und bastelten, nähten oder entwarfen. Überall hingen Skizzen, standen kleine Modelle und lagerten unterschiedlichste Kleinmaterialien. In den ebenerdigen Werkstätten konnte man auch mit verbundenen Augen das entsprechende Gewerk regelrecht erschnuppern: Sägemehl, Eisenspäne, Druckfarbe oder Brennofengeruch. Kreativität quasi am räumlichen Fließband. Beeindruckend auch der vergleichsweise klinisch saubere Ausstellungsraum, noch mit den Präsentationen der letzten Abschlussarbeiten. Bis zu diesem Tag allenfalls mit rudimentärem Wissen über die Akademie Gut Rosenberg ausgestattet, waren wir am Ende des Tages zutiefst angetan von dieser außergewöhnlichen Lokalität vor den Toren unserer Stadt.

Vor der umfangreichen Führung durch alle Räumlichkeiten stand uns die Leiterin der Akademie für ein kurzes Interview zur Verfügung.

Frau Dr. Prottung, ein Vierkant-Bauernhof aus dem 18. Jahrhundert mit Wurzeln bis ins 13. Jahrhundert, dazu eine dezentrale Randlage. Das klingt nicht unbedingt nach idealen Standortvoraussetzungen für eine Designakademie.

Das ist absolut perfekt! Wenn Sie zum Design-Studieren kommen, dann wollen Sie sich konzentrieren auf ihr Studium. Die Studierenden können sich hier bestens auf ihr Studium konzentrieren. Es ist so ein bisschen wie im Kloster. Das Leben spielt sich hauptsächlich hier im Hof ab, das Arbeiten und auch das soziale Leben. Jetzt zum Beispiel sehen sie ja noch ein gespanntes Volleyballnetz auf der Wiese im Innenhof. Das spiegeln übrigens auch die Erfolge unserer Studierenden bei Wettbewerben wider. Es ist eben nicht so, dass man mal für eine oder mehrere Unterrichtsstunden hierher kommt, und dann wieder geht. Die Studierenden haben hier die Möglichkeit, von 8 bis 20 Uhr kreativ zu arbeiten, auch wenn gerade kein Unterricht ist. Das ist unser Erfolgsrezept. Sie holen sich im Unterricht den Input und können dann direkt in die Werkstätten gehen und alles ausprobieren, experimentieren und vieles mehr. Unsere Studierenden schätzen dies. Wir kehren sie abends regelrecht raus.

Drahtmenschen

Flügel

Was macht die Akademie Rosenberg so einzigartig, dass sich ihre Strahlkraft dennoch vom westlichsten Zipfel aus in die gesamte Republik und auch über die Grenzen hinaus erstreckt?

Es ist dieses besondere Konzept. Ich komme von der Hochschule und kannte eine Ausbildung in dieser Form bisher so nicht. Wer hierher kommt, bleibt für drei Jahre und erlebt neben dem Studium auch die soziale Komponente. Dieses andere Modell war für mich auch einer der Gründe, warum ich von Bayern hierher gekommen bin. Design ist leider ein Allerweltsbegriff geworden und daher ist es ganz wichtig, mit einem speziellen Modell in der Ausbildung Standards zu setzen. Unsere Studierenden sind Handwerker, sie kennen ihr Metier und ihr Material und wissen um den Materialeinsatz. Hier wird ausprobiert, experimentiert, und man darf auch scheitern. Die Kombination von Kreativität und Know-How ist einfach eine tolle Sache. Das macht uns ja auch bei Wettbewerben –wie schon gesagt- so erfolgreich. Wir gehen bewusst nach außen, damit die Studierenden sich testen können. Darüber hinaus sind in der Ausbildung Realprojekte wichtig. Hier lernen unsere Studierenden, wie es im gestalterischen Alltag zugeht. Wir liefern nur die Entwürfe und führen nicht selbst aus.

Was hat Sie als studierte Archäologin gereizt, die Leitung dieses Hauses zu übernehmen?

Als Archäologin hat mich der praktische Ansatz an der Akademie Gut Rosenberg gereizt. Ich habe es in der Archäologie ja auch mit Alltagsgegenständen zu tun, mit Tellern, Vasen, Trinkgefäßen, Inneneinrichtungen usw..

WerkstattComputer

» Den bekanntheitsgrad hier in der region zu steigern ist mir ein wichtiges anliegen «

Sind Ihre Alumni die besten Werbeträger oder betreiben Sie darüber hinaus gezieltes Marketing außerhalb der Region?

Unsere Absolventen sind natürlich die besten Werbeträger. Darüber hinaus sind wir aber seit zwei Jahren verstärkt in der Werbung aktiv, vor allem auch in den neuen Medien –wir haben ja nun mal sehr viele junge Leute hier. Wir machen aber auch Marktanalysen und schauen, wo wir gezielt werben. So waren wir dieses Jahr auf der Handwerksmesse in München und der Internationalen Möbelmesse in Köln. Wir bieten aber auch maßgeschneiderte Konzepte für Betriebe an im Bereich Weiterbildung und Gestaltung und schnüren spezielle Pakete dafür. Auch bei Gesellenprüfungen schauen wir uns um, wer für uns interessant sein könnte. Wir sind deutschlandweit ausgerichtet, man kennt uns in Fachkreisen sehr gut. Als ich vor zwei Jahren hierherkam, habe ich festgestellt, dass wir in Aachen selbst kaum wahrgenommen wurden. Daher haben wir jetzt ein regionales Konzept entwickelt, das berufsbegleitende Teilzeitstudium. Den Bekanntheitsgrad hier in der Region zu steigern, dies anzugehen ist mir ein sehr wichtiges Anliegen.

Woher rekrutieren Sie Ihre DozentInnen? Welche Anforderungen stellen Sie?

Alle Dozenten in Kernbereichen haben sowohl eine handwerkliche, als auch eine theoretische Ausbildung, das heißt einen Gesellen- oder Meisterbrief und einen Studienabschluss. Das gilt für circa 80 Prozent unserer Dozenten. Bei Teilbereichen, wie zum Beispiel Video oder digitale Medien, ist eine handwerkliche Ausbildung nicht unbedingt Voraussetzung, sondern eher ein Studium. Oder auch bei Kunstwissenschaft, wobei unser Dozent sogar beides hat, darüber sind wir sehr glücklich.

Fühlen Sie sich adäquat wahrgenommen und wertgeschätzt zwischen Rheinisch-Westfälisch-Technischer Hochschule und Fachhochschule Aachen?

Wir stehen in einem positiven, gegenseitigen Austausch. Wir haben ja auch Dozenten beider Hochschulen, die hier unterrichten. In der Designausbildung haben wir lediglich eine andere Herangehensweise.

Fest

» Wir kümmern uns um unsere absolventen und stellen kontakte zu betrieben her«

Welchen Unterschied sehen Sie zwischen dem Studienangebot der Akademie für Handwerksdesign für ausgebildete Handwerker und dem Designstudium an der FH direkt im Anschluss an das Abitur?

Wir denken aufgrund unseres praktischen Ansatzes zunächst an die Materialität. „Was kann dieses Material leisten?“ Es geht primär nicht um eine Berechnung der Fähigkeiten, sondern um das Ausprobieren der Möglichkeiten. Wir bilden vornehmlich nicht für den Industriebereich aus, sondern stehen eher für speziellere, individuellere, maßgeschneiderte Lösungen. Ganz wichtig ist für uns auch die aktive Unterstützung der Studierenden, die sich mit einem eigenen Betrieb selbständig machen wollen. Unser Studiengang „Two in One“ verbindet Design und Unternehmensführung, so dass unsere Absolventen für den Markt bestmöglich aufgestellt sind. Die Möglichkeit, nach dem Studium an der Akademie noch einen Masterstudiengang zu besuchen, besteht darüber hinaus im Ausland, z.B. in Basel. Einige unserer Absolventen nutzen diese Möglichkeit.

Gibt es einen persönlichen Herzenswunsch, den Sie auf Gut Rosenberg unter Ihrer Leitung unbedingt verwirklicht sehen möchten?

Mein großer Wunsch ist, dass unsere Absolventen eine hochwertige, qualitätvolle Designausbildung erlangen und sich auch auf der Grundlage ihrer betriebwirtschaftlichen Kenntnisse als Designer auf dem Markt behaupten können. Das Studium soll sich in einem finanziellen Mehrwert ausdrücken. Wir kümmern uns um unsere Absolventen und stellen zum Beispiel Kontakte zu Betrieben her. Es gibt auch Betriebe, die speziell nach unseren Absolventen anfragen.

Ist das denkmalgeschützte Anwesen manchmal hinderlich bezüglich angedachter Veränderungen, Erweiterungen, Umbauten und dergleichen?

Nein. Das Gut Rosenberg ist damals gewissenhaft und für die Akademie so zweckmäßig umgebaut worden, dass wir momentan keine Notwendigkeiten für großartige Veränderungen sehen. Und größer werden, das macht für uns derzeit auch keinen Sinn, da wir dann die individuelle Betreuung gar nicht mehr gewährleisten können.

Wo sehen Sie die Handwerksakademie an deren 40jährigem Geburtstag im Jahr 2025?

Dass wir eine kleine, aber feine etablierte Elite-Akademie für Handwerksdesign sind, die noch bekannter ist, nicht nur in Deutschland, sondern auch über die Ländergrenzen hinaus, die für qualitativ hochwertiges Design steht.

Frau Dr. Prottung, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch!

Text: Rainer Güntermann
Fotos: Gut Rosenberg | Marcello Vercio