WENN DIE NEUWERTSPITZE VOM KLEINGEDRUCKTEN GEKAPPT WIRD

Achim Delheid

Ein Gebäude geht in Flammen auf und brennt bis auf seine Grundmauern nieder. Das allein ist schon ärgerlich genug. Wer allerdings gut versichert ist, sollte keine großen Probleme sehen. Gebäude sind regelmäßig schließlich so versichert, dass gewährleistet sein soll, dass sie komplett neu errichtet werden können. Im Idealfall kann ein Gebäude auch dann neu errichtet werden, wenn diese Wiederherstellung deutlich teurer ist, als noch bei Abschluss des Versicherungsvertrags. Man spricht hier von einer gleitenden Neuwertversicherung.

Das System als solches ist auf den ersten Blick einfach. Der Versicherte erhält zunächst den Zeitwert des Gebäudes. Lässt er danach das Gebäude neu errichten, erhält er den Restbetrag, um das Geübte neu zu errichten. Das ist die sogenannte Neuwertspitze.

Doppelt ärgerlich ist, wenn man ein neues Gebäude errichtet hat und die Zahlung ausbleibt. Nach dem neuesten Beschluss des Oberlandesgerichtes München vom 19.10.2018 (Az. 14 U 1739/18) ist dies aber sogar in manchen Fällen rechtlich richtig. Doch dass das so ist ergibt sich wie sooft aus dem „Kleingeruckten.“ Dort in den den Versicherungsbedingungen ist nicht etwa überflüssig Kleines geregelt, sondern alles Wichtige.

Eine Wiederherstellung bzw. eine neue Errichtung eines Gebäudes ist eben nicht immer eine neue Errichtung im Sinne der Neuwertversicherung. Eine Neuwertversicherung verfolgt den Zweck, den Schaden auszugleichen, der dem Versicherungsnehmer dadurch entsteht, dass er einen höheren Betrag als den Zeitwert aufwenden muss, möchte er das zerstörte Gebäude wiederherstellen. Man unterscheidet zwischen dem Zeitwert und dem Neuwert eines Gebäudes. So kann ein Gebäude noch einen geringen Zeitwert von 5.000,00 Euro haben, seine Wiederherstellung umfasst aber einen Betrag von 40.000,00 Euro oder mehr.

Diesen Neuwert bekommt aber nur derjenige Versicherungsnehmer erstattet, der ein zu dem zerstörten Gebäude wesensgleiches Gebäude wieder neu errichtet. Das ist der Knackpunkt der Sache und der Grund, aus dem in manchen Fällen die Wiederherstellungskosten durch den Versicherer nicht erstattet werden.

In obigen Fall des OLG München war es z.B. so, dass der Versicherte dort, wo ein Schuppen niederbrannte, mehrere Garagen errichtete.

Sicherlich sind die Garagen neu errichtete Gebäude.

Der Senat des OLG München entschied aber, dass Garagen im Vergleich zu einem Schuppen aber nicht wesensgleich sind.

Wann Gebäude wesensgleich sind, richtet sich danach, welchem Zweck sie dienen. Man versucht das immer aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers zu sehen.

Danach dient ein Schuppen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zum Unterstellen von Geräten, während eine Garage zum Einstellen von PKW dienen soll. Ändert sich die Zweckbestimmung eines Gebäudes, ändert sich das Wesen des Gebäudes.

Die Vorinstanz hatte sich sogar die Mühe gemacht durch einen Sachverständigen zu prüfen, ob der Schuppen theoretisch als Garage nutzbar war. Das war er aber aufgrund der Raumaufteilung nicht.

Nach dem Sinn und Zweck der Regelung konnte der Versicherte daher nicht verlangen den Neuwert erstattet zu bekommen.

Sinn und Zweck dieser Regelung ist es übrigens, den Anreiz möglichst gering zu halten, einen Versicherungsfall vorzutäuschen, um danach ungerechtfertigt, auf Kosten des Versicherers, ein höherwertiges Gebäude und somit einen Vermögensvorteil zu erhalten.

Möchte man von den Vorteilen einer Neuwertversicherung profitieren, ist es also wichtig zu berücksichtigen, dass die Wiederherstellungskosten für eine Neuerrichtung eines Gebäudes nur erstattet werden, wenn das neue und das zerstörte Gebäude in ihrem Wesen gleich sind. Das ist regelmäßig der Fall, wenn die beiden Gebäude dieselbe Zweckbestimmung und dieselbe Möglichkeit zur Nutzung haben. Sollten über eine Wesensgleichheit Zweifel bestehen, ist es ratsam, sich zuvor rechtlich darüber zu informieren. Andernfalls läuft der Versicherungsnehmer Gefahr, dass er die (oftmals sehr hohen) Wiederherstellungskosten selbst tragen muss. An der Entscheidung wir durchaus berechtigte Kritik geübt. Die Entscheidung fiel streng formalistisch. Der erklärte Schutzzweck war nämlich gar nicht gefährdet. Die Garagen kosteten nicht mehr als die Neuerrichtung eines wesensgleichen Schuppens.

 

TEXT: Achim Delheid | Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht