100 JAHRE QUELLENHOF AACHEN

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Alt4Dass Aachen seinen Ursprung den zahlreichen Quellen zu verdanken hat, darüber ist gerade aufgrund des Karlsjahres ausgiebig berichtet worden. Vielleicht weniger bekannt ist, dass die größte Blüte der Aachener Bäderkultur im 18. Jahrhundert war, als die Stadt europaweit eine der mondänsten Kuradressen war mit entsprechender Klientel auch aus den Adelshäusern. 

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Die Jahre nach 1794 unter napoleonischer Verwaltung änderten daran nicht viel – ganz im Gegenteil, da der französische Kaiser selbst ein großer Liebhaber der Aachener Thermalquellen war, und daher mehrere Um- oder Neubauten genehmigte. Allerdings mit dem jeweiligen Übergang in Staatseigentum. Erst 1818 mit dem Übergang an Preußen erhielt die Stadt die Bäder wieder zurück, jedoch verlor Aachen als Kurstadt, trotz eines guten Kulturangebotes, immer mehr illustre Gäste, da bis auf das 1864 neu errichtete Kaiserbad kein luxuriöses Bad und auch kein repräsentatives Hotel existierte. Zudem mangelte es in der Innenstadt an ausreichendem Platzangebot für die zu einer Trinkkur dazugehörenden Wandelgänge. Anfang des 20. Jahrhunderts wollten die Verantwortlichen in Aachen die vernachlässigte Kur- und Badestadt wiederbeleben und planten daher den Bau eines neuen Kurmittelhauses mit Wandelhalle und Hotel auf einem weitläufigen Areal. Die Wahl fiel auf das Gelände des Maria-Hilf-Spitals an der Monheimsallee, mit dessen Abriss 1914 begonnen wurde. Dafür sollte die Burtscheider Rosenquelle angezapft und über eine 600 Meter lange Leitung hierher hochgeleitet werden. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges etwas verzögert, wurde der von den Münchener Architekten Theodor Fischer und Karl Stöhr entworfene Komplex am 8. Juni 1916 feierlich eröffnet. Das neue PALAST-HOTEL QUELLENHOF verfügte über 200 Gästezimmer und 75 Bäder, dazu 16 abgeschlossene Wohnungen mit eigenem Thermalwasseranschluss. In der Eröffnungsanzeige wird unter der Überschrift „Deutschlands vollkommenste Hotelanlage“ auf die – bemerkenswert tagesaktuell – „herrliche staubfreie Lage im neuen Kurpark“ und „besondere Ermäßigungen für Kriegsteilnehmer“ hingewiesen.
Das Hotel erstreckte sich mit seinem dreiflügeligen Baukörper im neoklassizistischen Stil parallel zur vornehmen Monheimsallee mit mittigem Grünstreifen und über den rechten Seitenflügel zum anschließenden neuen Kurpark hin. Im linken Flügel befand sich das Kurmittelhaus, welches über einen offenen Wandelgang mit dem zurückversetzt im Park errichteten NEUEN KURHAUS verbunden war. Im Gegensatz zum Kurhaus mit seinem imposanten Säulen-Portikus ist von dem Verbindungsgang auch bedingt durch den Eurogress-Bau nichts mehr zu erkennen. Die nach Ende des Ersten Weltkrieges bis 1929 andauernde Besatzungszeit ließ den neuen Kurbetrieb aber nur sehr verhalten anlaufen, weshalb man sich 1933 entschloss, die Kur- und Badegesellschaft m.b.H. zu gründen. Mit der Eröffnung des damals europaweit (!) größten Hallen-Thermal-Bades im Quellenhof 1936 kam es dann zu einer starken Frequentierung der Kuranlagen. Allerdings wiederum nur kurzzeitig bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Da das Hotel bis zur Aachener Kapitulation beziehungsweise Befreiung als erste Großstadt durch die Amerikaner am 21. Oktober 1944 als Gefechtsstand des letzten Kampfkommandanten diente, wurde es entsprechend unter Beschuss genommen und stark zerstört.
Vier Jahre dauerte es, bis im Juni 1949 zunächst das Thermalbad, und dann im August ein Teil des Hotels wieder eröffnet werden konnten. Zu einer neuen Blüte der Aachener Kur- und Badekultur kam es jedoch nicht, da die anderen im Stadtgebiet verteilten Bäder nur in Teilen und notdürftig wiederhergestellt worden waren. Auch eine 1958 im Quellenhof eingerichtete „Abteilung für biologische Heilweise zur Durchführung von Kneipp-Kuren“ brachte keine nachhaltige Wende. Ab den 1970er Jahren wurden dann nach und nach die innerstädtischen Einrichtungen geschlossen, am 30. Dezember 2000 dann als letztes das Bewegungsbad im Quellenhof. Um dem Hotel eine neue Klientel zu eröffnen, wurde im Jahr 1977 das Kongresszentrum EUROGRESS fertiggestellt, welches bis heute erfolgreich expandiert. Diese Entwicklung wiederum hatte zur Folge, dass die Ansprüche der Übernachtungsgäste stiegen und eine Grundsanierung erforderlich wurde.

Von 1997 bis zur Wiedereröffnung am 4. September 1999 wurde der Hotelkomplex nach Plänen des ehemaligen Architekturprofessors Hans Kahlen aus Aachen grundsaniert. Sämtliche nicht originalen Einbauten wurden entfernt, der historische Bestand restauriert, der gesamte Erdgeschossbereich neu gegliedert, die Zimmerfluchten heutigen Komfortvorstellungen angepasst, notwendige Ein- und Anbauten im historischen Kontext ausgeführt und nicht zuletzt alles technisch auf den neuesten Stand gebracht. Krönender Abschluss war das 2002 eröffnete, großzügige Spa mit fernöstlicher Formensprache im Bereich des ehemaligen Thermal-Bades, womit die alte Tradition im heutigen Verständnis von Erholungsbad fortgeschrieben wird. Über die Schließung des zu seiner Zeit grenzüberschreitend wohlbekannten Edel-Restaurants des im ehemaligen Kurhaus untergebrachten Spielcasinos mit seiner spektakulären Inneneinrichtung trösten verschiedene Gastronomie-Angebote im noch immer Quellenhof heißenden Hotel hinweg. Mit mehreren Sälen und Salons für private oder geschäftliche Feiern, sowie einer imposanten Bar hat es sich auch wieder einen festen Platz in der Aachener Gesellschaft zurück erobert.

Zum Hundertjährigen Jubiläum sind einige Geburtstagsspecials geplant, wie zum Beispiel 100 Zimmer für jeweils 100 Euro inklusive Frühstück für zwei Personen und Eintritt in die Spa-Lounge, oder ein 3-Gang-Menü inklusive Amuse Bouche für zwei Personen zu 100 Euro „Klassisch“ im Stil von damals oder „Modern“ im Stil der heutigen Zeit.

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Während meines Besuches im Quellenhof hatte ich die Gelegenheit, bei einem Gespräch mit dem Hotelleiter Herrn Walter Hubel einige Fragen zu stellen:

Herr Hubel, macht es einen Unterschied, ein Traditionshaus mit 1oojähriger Geschichte oder ein „neues Haus am Platz“ zu leiten?

Ja, einen gewaltigen Unterschied. Ich habe auch moderne beziehungsweise neue Häuser geleitet, aber solch ein Traditionshaus macht ehrfürchtig, dankbar und nachdenklich. Das beginnt mit den langjährigen Mitarbeitern und dem Traditionsbewusstsein der Stammgäste. Man muss Rücksicht auf gewisse Details nehmen, die in neuen Häusern nicht notwendig ist, zum Beispiel „Passt dieser oder jene neue Trend auch nur bedingt in dieses und zu diesem Haus?“

Ist für Aachen mit dem in Kürze eröffnenden Hotel an der Sandkaulstraße und den am Theaterplatz geplanten Vorhaben das Ende der Fahnenstange erreicht, oder ist bezüglich des Bettenbedarfs sogar noch Luft nach oben?

Es gibt dazu zwei Perspektiven: Die der Stadt und die der ansässigen Hotellerie. Für die Stadt ist natürlich noch Luft nach oben, da bei einigen Großveranstaltungen die vorhandene Bettenzahl nicht ausreicht. Das ist aber nur bei vielleicht 10 Prozent der Jahresnachfrage der Fall. Die Hotellerie hat aber eine eigene Realitätsbrille: In Aachen wird eine Bettenauslastung von durchschnittlich 70 Prozenterreicht, jedoch nur bei den Ketten. In der Breite sprich bei kleinen, privaten Hotels liegt sie nur bei etwa 50 Prozent. Hier ist das Ende der Fahnenstange sicherlich schon erreicht.

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Ich persönlich finde es schade, dass viele Leute hinsichtlich ihrer Kleidung keinen Unterschied mehr machen zwischen Theaterbesuch oder Kino, zwischen Kneipentreffen oder großer Geburtstagseinladung, zwischen kurzem Imbiss oder Besuch in einem gehobenen Restaurant. Stört Sie auch bisweilen die Diskrepanz zwischen Quellenhof-Ambiente und Gäste-Erscheinungsbild?

Bisweilen ja. Sich in allen Bereichen des täglichen Lebens der Würde des jeweiligen Hauses oder des Anlasses entsprechend zu kleiden, wäre schon gut. Ein Grandhotel als Beispiel soll ja auch als eine Einheit wahrgenommen werden. Das gilt nicht nur für das Ambiente, sondern auch für alle, die sich in diesem Ambiente bewegen. Aber man muss sich heute auch in alle Richtungen öffnen.

Gibt es für ein Fünf-Sterne-Hotel in einer mittleren Großstadt wie Aachen rentabilitätsbedingte Grenzen des Angebots im Gegensatz zu Metropolen wie Köln, Berlin oder München?

Ja, durchaus. Es ist in den Metropolen ein ganz anderer Wettbewerb, weswegen auch ganz andere Angebote auf den Markt gelangen, die aber so in Aachen nicht zu finanzieren wären. Dazu kommt, dass Aachen sehr gut vernetzt ist und über eine gute Kommunikation verfügt. Ein heute eingeräumtes Sonderangebot für X wird morgen von Y ebenso eingefordert, daher ist der Spielraum in einer Stadt der Größenordnung von Aachen nur sehr gering, man ist nur bedingt variabel.

Bedauern sie die gescheiterten Pläne zur Errichtung eines Konzerthauses über der Park-Tiefgarage des Casinos?

Absolut! Sogar ein weiteres Superior-Hotel mit einem großzügigen Saal von circa 9oo Quadratmetern, für entsprechende Veranstaltungsmöglichkeiten wäre gut gewesen und auch immer noch gut, da dann eine Konzentration von Sälen jeder Art und Größe an einer exponierten Stelle in Aachen gegeben wäre mit allen damit verbundenen Vorteilen.

Haben Sie eine Wunschliste an die Verantwortlichen der Stadt Aachen im Hinblick auf Stadtmarketing oder Synergiekonzepte?

Eine ganze Liste nicht, aber das Karlsjahr hat gezeigt, dass bei intelligenter Werbung und vor allem deren Platzierung die Stadt plötzlich in aller Munde ist. Nun ist nicht jedes Jahr Karlsjahr, aber es gibt zum Beispiel den Aspekt der Euregio, der in Belgien und den Niederlanden viel präsenter ist. Gerade aktuell sollte aber in diesem Bereich viel mehr für Aachen geworben werden, zum Beispiel auf den Flughäfen von Köln bis Maastricht, von Düsseldorf bis Lüttich. Man muss heraus aus der Stadt, die Mittel in einem gemeinsamen Werbetopf bündeln und dann durchdacht einsetzen. Aachen konzentriert sich zur Zeit fast nur auf die Hochschule. Dies ist auch wichtig, sollte aber andere Felder nicht ausschließen.

Können Sie bei privaten Hotelübernachtungen abschalten, oder haben Sie gedanklich immer einen Notizblock für Auffälligkeiten gezückt?

Nein, ich kann gut abschalten und urlauben. Wenn ich mit Freunden unterwegs bin, weisen diese mich dann und wann auf oftmals Kleinigkeiten hin. Dann erinnere ich immer daran, dass hier Menschen arbeiten und Menschen auch Fehler machen können. Die Frage ist jedoch, ob diese Fehler wirklich so gravierend sind, dass ich mich darum kümmern muss und den Kollegen darauf hinweise. Ich jedenfalls kann sehr gut alles ausblenden, wofür meine Frau dankbar ist.

In welchem Hotel würden Sie gerne einmal übernachten?

Das Ritz-Carlton in New York. Durch den Quellenhof habe ich eine Affinität zu Traditionshäusern entwickelt und stelle mir dann immer vor, wer hier schon alles ein- und ausgegangen ist. Das ist dort sicherlich sehr spannend.

Haben privat geführte Einzelhotels noch eine Zukunft?

Ja, aber nur in einem Nischenstandort oder wenn sie selbst ein Nischenprodukt sind. Solche Nischen sind natürlich ortsabhängig. Wichtig ist ein Gesamtkonzept, was stimmig und nicht halbherzig ist, wofür wiederum Visionen Voraussetzung sind. Ein weiterer Aspekt, der sich bei Privatbetrieben stellt, ist auch oft die Frage der Nachfolge, denn die Kinder stehen nicht immer automatisch zur Verfügung. In Hotelketten ist dies anders, hier arbeiten zumeist Menschen, die sich bewusst für diesen Beruf entschieden haben. Wo sehen Sie den Aachener Quellenhof in nicht 100, aber 10 Jahren?

Rein persönlich und ganz subjektiv gesprochen: Ich sehe den Quellenhof immer noch bei Accor, aber nicht mehr innerhalb der Pullman-Familie, sondern eher bei den MGallery-Häusern. Diese sind auch Top-Hotels aber individueller und traditioneller. Pullman-Hotels sind eher neue, moderne Business-Häuser. Dies würde aber einhergehen mit einer Umstrukturierung der Zimmer: Weniger kleine Einzelzimmer wie auch schon bei Hotelneubauten, stattdessen Doppelzimmer zur Einzelnutzung und die Einzelzimmer jeweils mit einem benachbarten Doppelzimmer verbunden, um mehr Junior-Suiten beziehungsweise Familienzimmer anbieten zu können.

Herr Hubel – Vielen Dank für dieses Gespräch!

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TEXT: Rainer Güntermann

 FOTOS: Quellenhof Aachen