Das Ende eines weit verbreiteten Irrtums: Mangel auch ohne Sachschaden

Paragraph-34-35Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 29.11.2013 zum Aktenzeichen 13 U 80/12 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 26.03.2015 zum Aktenzeichen VII ZR 15/14) nochmals mit einem weit verbreiteten Irrtum oder besser gesagt mit einer weit verbreiteten Ungenauigkeit aufgeräumt.

 

Markus_Cosler

Markus Cosler
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht | Lehrbeauftragter für Baurecht an der FH Hannover

Immer wieder kommt es am Bau zu Streit zwischen Bauherrn und Bauunternehmer. Ist die Leistung mangelfrei oder nicht?

Oft wendet der Bauunternehmer ein, dass doch gar kein Schaden vorhanden sei, von daher sei seine Leistung doch offensichtlich mangelfrei: „Natürlich ist das Dach mangelfrei, sonst hätten Sie ja innen Feuchtigkeit!“ Doch diese Schlussfolgerung ist eben nicht richtig. Der Mangel ist nach gesetzlicher Definition die Abweichung der so genannten Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit, also jede (und nicht nur eine negative) Abweichung des geschuldeten Vertrags-Soll im Hinblick auf den vorhandenen Ist-Zustand. Dies hat erst einmal rein gar nichts mit dem Eintritt eines Schadens oder Ähnlichem zu tun. Selbst wenn noch nicht einmal überhaupt ein Schaden droht, kann die Leistung mangelhaft sein. Wenn beispielsweise die Verarbeitung eines konkreten Produktes geschuldet ist, so ist die Leistung mangelhaft, wenn ein anderes Produkt verbaut wird. Wer eine Leistung aus Lärchenholz erhalten möchte, für den ist die – handwerklich völlig einwandfrei gestaltete gleiche Leistung – in Buchenholz eben mangelhaft. Eines konkreten Schadens bedarf es hierzu gar nicht. Ein undichtes Dach ist ohnehin mangelhaft, auch wenn es noch gar nicht herein geregnet hat und es damit noch nicht zu einem Schaden gekommen ist. Der Mangel ist dann das undichte Dach, der Schaden der Feuchtigkeitseintritt.

Dies hat jüngst das Oberlandesgericht Karlsruhe hat mit Urteil vom 29.11.2013 zum Aktenzeichen 13 U 80/12 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 26.03.2015 zum Aktenzeichen VII ZR 15/14) nochmals erfreulich deutlich gemacht. Umgangssprachlich wird nämlich zwischen Mangel auf der einen und Schaden auf der anderen Seite leider nicht differenziert. Die Begriffe werden quasi synonym verwandt. Dabei sind sie völlig unterschiedlich. Die Leistung kann mangelhaft sein, auch wenn überhaupt kein Schaden eingetreten ist. Der Bundesgerichtshof nennt den Schaden als solches oft das „Symptom“ für den Mangel. Im Hinblick darauf reicht es auch aus, wenn der Auftraggeber beispielsweise das Symptom rügt. Er muss den Mangel überhaupt nicht rügen, da er ja oft den eigentlichen Mangel, also quasi die Ursache für das Symptom, gar nicht kennt.

Text: Markus Cosler