Ohren auf beim Möbelkauf

Ohren auf beim Möbelkauf

Endlich! Vorbei die Jahre, in denen uns Designaholics auf Flachsesseln platziert hatten, nach deren Be-Sitzung man Rücken und/oder Nacken hatte. Nun dürfen wir unser müdes Haupt wieder entspannt zur Seite neigen und werden dabei soft&cosy von riesigen Ohren gestützt, die sich – mal eckig, mal rund -, auf jeden Fall aber wohlig wattiert unseres Kopfes annehmen, gleich einem Torwart mit Berufshandschuhen, der uns von hinten umarmt. Weil dabei unser Sichtfeld gleichzeitig zu Dreiviertel beschnitten wird, darf die Position dieses Sitzmöbels von uns auch wieder frei gewählt werden, je nach gewünschter Restsicht-Richtung: Es lebe der schräg gestellte Ohrensessel!

Auch die Oberfläche hat sich verändert – sie ist wieder geräuschfrei. Weg vom kalten knatschenden Glattleder, hin zu streich(el)zarten Velour-, Samt- und Cordstoffen, auf denen auch wieder Kissen ihre von uns gewünschte Position halten können und nicht stets der Schwerkraft folgend in die Horizontale rutschen. Wollig-weiche, über die Armlehne dezent drappierte Decken dienen nicht zum Verstecken von Flecken, sondern weichen weiter die ehemals streng rechtwinklige Sitzordnung zugunsten fließender Formen auf. Musste man früher bei dem Wunsch, noch einmal an seinem Drink zu nippen, welcher sich auf einem Tisch in Knöchelhöhe vor den Füßen befand, erst einmal mit dem Oberkörper nach hinten ausholen, um sich dann mit vollem Schwung und ausgestreckter Hand Richtung Glasstiel zu katapultieren – die beim Zurückschnellen sich zwangsläufig einstellende Liegestellung ließ dann eigentlich nur noch Getränke in einer Schnabeltasse zu – ermöglicht jetzt eine etwas erhöhte Sitzposition das elegante Hervorkommen aus der Möbelhöhle. Entspannte Abende warten also auf uns, und innovations- offen harren wir der weiteren Veränderungen unseres Zuhauses: Wir sind ganz Ohr!

Text: Rainer Güntermann