…unterwegs… – Dipl. Ing. Ulrike Halfmann

Ulrike Halfmann

Besuch bei Dipl. Ing. Ulrike Halfmann, Köln, gebürtig aus Aachen. Neben ihrer Architektinnentätigkeit zeichnet sie aquarellierte Bauwerks-Impressionen von ihren Lieblingstädten wie Venedig, Aachen und München.

Ulrike Halfmann, geboren 1962 in Aachen, ist nicht nur eine erfolgreiche Architektin mit dem Kölner Büro „Halfmann Architekten“, welches sie 1992 mit ihrem Mann Martin gegründet hat, sondern macht auch mit sehr ausgefallenen Architektur-Zeichnungen von sich reden. Immerhin hatte die sympathische Wahlkölnerin vor ihrem Studium der Architektur an der RWTH Aachen, das sie 1989 mit Diplom und Auszeichnung abschloss, bereits zwei Semester Kunst ebenfalls an der RWTH studiert. Wir trafen Sie in ihrer Wohnung, die direkt über den Büroräumen im Kölner Westen liegt, wo sie sich unseren Fragen stellte.

Frau Halfmann, war das Kunststudium als Schnupperjahr geplant, oder war dies eigentlich das fest ins Auge gefasste Studienziel ?

Schon in der Schule hatte ich den Schwerpunkt Kunst und Geographie gewählt. Aufgrund meines Interesses an Kreativem und meiner Leidenschaft für das Reisen lag für mich nah, die beiden Fächer auch im Studium weiterzuverfolgen, zumal ich auf diese Weise auch in meinem Heimatort Aachen bleiben konnte. Allerdings konnte ich beide Fächer nur mit dem Berufsziel Lehramt studieren. Mir wurde schnell klar, dass ich weder Lehrer noch freier Künstler werden wollte – das Eine war mir zu fremdbestimmt, beim Anderen fehlte mir die Perspektive auf finanzielle Absicher­ung. Ich bin kein Typ, dem künstlerische Ziele wichtiger sind als die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Sonst hätte mein Weg wohl direkt zu einer Kunstakademie geführt.

Venedig

Gab es einen konkreten Anlass für den Wechsel von der Kunst in die Architektur?


Parallel zu meinem Studium habe ich bei Architekten und Landschaftsarchitekten gejobbt – Kollegen meines großen Bruders, der auch ein Architekturbüro hat. Außerdem fand das Kunststudium an der RWTH Aachen im Reiff-Museum statt, das ist bis heute auch die Fakultät für Architektur, die schon immer einen hervorragenden Ruf genoss. So konnte ich schon ein bisschen kreative Stimmung schnuppern und hinter die Kulissen des Architekturstudiums schauen. Mein Wechsel zu den Architekten war also ein ganz natürlicher und fast schleichender Übergang. Da mir auch einige Kurse und Seminare angerechnet wurden, hatte ich auch nie das Gefühl, Zeit verloren zu haben.

Abgesehen von Ihren Ausflügen in die Malerei – Haben Sie auch während Ihres Architekturstudiums in irgendeiner Weise von dieser Zeit profitiert?

Aachen2Natürlich hat das Kunststudium einen guten handwerklichen Grundstock für Freihandzeichnen, plastisches Gestalten und darstellende Geometrie gelegt, von dem ich auch in meinen Nebenjobs profitieren konnte, wo ich viele Wettbewerbsperspektiven angefertigt habe. Aber auch für die Wahrnehmung und kreative Betrachtung von Natur, Objekten und Gebäuden mit ihren Details war mein Kunststudium eine gute Schule.

Und wie sieht das heute nach vielen erfolgreichen Jahren im Beruf aus? Beeinflusst die Kunstausbildung immer noch bewusst oder unterbewusst zum Beispiel die Entwurfsprozesse?

Die Zeichnung ist die Sprache des Architekten – und ich spreche viel mit meinen Händen. Am Beginn eines jeden Projektes steht eine erste Entwurfsidee, die ich als Handskizze auf das Papier bringe und manchmal an der Zeichenschiene konkretisiere. Ich bin sicher, dass Handzeichnungen wesentlich mehr Betrachtungs- spielräume zulassen als CAD-Pläne. Daher vermittle ich unseren Privatbauherren meine ersten Ideen meist in Form von skizzenhaften Konzeptzeichnungen und Perspektiven. Die bleiben auf angenehme Weise recht vage und mildern die Angst vor Entscheidungen. Wenn die Projekte realisiert werden, kommen wir natürlich nicht mehr ohne CAD-Programme aus.

Nun hat sich ja durch die rasante technische Entwicklung auch der Alltag eines Architekten massiv gewandelt. Hat man zu unserer Studienzeit noch Marmorflächen mit weichen Buntstiften per Hand gemalt und Dreidimensionalität mit Schattierungen erreicht, genügen heute Kenntnisse spezieller Computerprogramme für eine beeindruckende Darstellung. Ist die Malerei daher für Sie auch ein bisschen „nostalgisches Arbeiten“?

Aachen3Der Computerzeichnung bin ich immer ein Stück vorausgelaufen: An der Hochschule wurde der Umgang mit CAD-Programmen gelehrt, als ich bereits mein Diplom machte. In den Büros waren erst die technischen Zeichner dran. Und als dann die Architekten mit dem Computer arbeiteten, war ich schon Projektleiterin. Nach unserer Bürogründung haben wir zunächst eine Menge Wettbewerbe bearbeitet – natürlich per Hand. Die Computeranimation steckte Anfang der Neunziger noch in den Kinderschuhen. Die Rechner wurden dann später von den Mitarbeitern gefüttert, die wir nach den ersten Erfolgen einstellten. Heute sind Computerzeichnungen aus unserem Büro nicht mehr wegzudenken. Aber auch in unseren CAD-gestützten Wettbewerben und Entwurfskonzepten versuchen wir immer noch, zu konkrete Animationen zu vermeiden und der Phantasie des Betrachters eine Chance zu lassen. CAD-technisch bin ich Analphabetin geblieben. Ich habe meine Skizzenrolle.

Sehen Sie bei Ihren jungen Mitarbeitern große Unterschiede im heutigen Ausbildungsstandard verglichen zu Ihrer Zeit als Absolventin?

Das heutige Architekturstudium richtet sich nach dem angelsächsischen Bachelor-Master-System und ist deutlich verschulter als zu unserer Zeit. Das geht auf Kosten handwerklicher Fähigkeiten und baugeschichtlichen Wissens. Der berühmte Blick über den Tellerrand wird immer schwerer, obwohl ich beobachte, dass die heutigen Studenten wesentlich mehr Exkursionen machen als wir seinerzeit. Internationalität ist ein großes Thema – zumindest in der Theorie, denn erstaunlicherweise geht die Zahl der Auslandssemester immer mehr zurück. Dafür spielt Vernetzung eine wesentlich größere Rolle als früher, sicher auch durch den unbegrenzten Zugriff auf weltweite Informationen im WWW.

Nehmen Sie sich bewusst Auszeiten vom Büro und beginnen zu malen bzw. malerisch zu zeichnen oder ergibt sich die Situation dazu irgendwie und irgendwann?

Vor der Geburt unserer Tochter habe ich mir ganz bewusst Zeit genommen, um außerhalb des Büros kreativ tätig zu sein. Heute fehlt viel zu oft Muße und Gelegenheit. Mein großer Wunsch und Plan ist, wieder mehr Raum für Kunst und Kreativität außerhalb des Büros zu finden.

Wie kommen Sie zu den Motiven Ihrer Bilder?

MuenchenBei meinen Motiven schließt sich der Kreis zwischen Kunst und Geographie wieder – und wird um architektonische und städtebauliche Motive ergänzt. Meine Aquarelle sind Städtebilder gewachsener Orte, deren Stimmung ich mit dem Bleistift skizzenhaft erfasse und auf das Wesentliche reduziere. Akzente setze ich mit höherer Strichintensität und sparsam eingesetzter Farbe. Dabei helfen mir mein Handwerkszeug aus dem Kunststudium und das Wissen um Baugeschichte aus dem Architekturstudium. Ich male grundsätzlich nur städtebauliche Situationen, zu denen ich einen persönlichen Bezug habe – Stationen meines Lebens wie Aachen, München oder Köln. Und natürlich auch die Ziele meiner Reisen mit der Familie. Dabei arbeite ich nicht vor Ort, sondern nach Fotos oder Postkarten. So entsteht das Collagenhafte meiner Aquarelle.

Ist die Malerei für Sie Selbstzweck und befriedigt Sie das Malen an sich, oder möchten Sie damit bewusst an die Öffentlichkeit?

Ich verarbeite in meinen Bildern Erinner­ungen an signifikante räumliche Situationen. Einerseits prägen sich durch die Auseinandersetzung mit meinen Motiven diese Orte tief in mein Gedächtnis ein, gleichzeitig nehme ich durch eine intensive Nacharbeit von ihnen Abschied, indem ich ein greifbares Bild erzeuge, das für sich alleine spricht. Das ist die psychologische Komponente. Es gibt noch eine soziale, da ich die Gedanken und Stimmungen meiner Bilder gern mit Freunden und Bekannten teile – meist in Form von privaten Ausstellungen. Die wirtschaftlichen Aspekte interessieren mich weniger. Oft verschenke ich meine Aquarelle an Freunde oder Bauherren.

Sie arbeiten zusammen mit Ihrem Mann im Büro, wohnen zusammen mit ihm und fast erwachsener Tochter darüber: Gibt es feste Zuständigkeiten beruflich und privat, oder wechseln die Verantwortungen?

Unsere Zusammenarbeit hat sich in den über zwanzig Jahren seit Bestehen unseres Büros verändert. Am Anfang haben wir uns fast ausschließlich untereinander inhaltlich ausgetauscht und alle Projekte gemeinsam bearbeitet. Inzwischen haben wir eigene Zuständigkeiten. Ich betreue die privaten Bauherren, während mein Mann Ansprechpartner für die gewerblichen und öffentlichen Projekte ist. Dabei wird der Dialog mit den Mitarbeitern immer wichtiger. Die Selbstständigkeit hat es mir erleichtert, Familie und Beruf in Einklang zu bringen, erfordert aber ein sehr gutes Zeitmanagement.

Ist die räumliche Einheit von Büro und Wohnung eher Segen oder Fluch?

Organisatorisch ist das natürlich eine Vereinfachung. Die Wege sind kurz, wir können ohne großen Aufwand Besprechungen außerhalb der Bürozeiten und gern auch in unserer Wohnung führen – hauptsächlich mit meinen privaten Kunden, die abends und am Wochenende mehr Zeit haben. Unsere Tochter hatte als kleines Mädchen jederzeit eine feste Anlaufstelle, die immer besetzt war. Das war ein großer Vorteil. Dafür fällt das Abschalten schwer, viel zu schnell wird die Bürotür aufgeschlossen, um Unerledigtes außerhalb der Geschäftszeiten abzuarbeiten, das ebenso gut bis zum nächsten Tag liegen bleiben könnte. Das führt zu einer ständigen Arbeitsbereitschaft, die ein großes Maß an Selbstdisziplin erfordert. Die räumliche Nähe zum Arbeitsplatz wird genau dann zur Belastung, wenn der Kopf nicht mehr frei wird.

Frau Halfmann, wir danken Ihnen sehr herzlich für dieses Gespräch!