…UNTERWEGS… – ROLAND MERTENS

Roland Mertens

Roland Mertens, gebürtig aus Stolberg, ist seit seiner Zeit als Student der Düsseldorfer Kunstakademie bei Professor Josef Beuys sehr vielfältig künstlerisch tätig: Musiker, Restaurator, Kirchen-Vermesser, Puppenspieler, Zeichner, Maler, Installations- und Performancekünstler und und und. Ebenso vielfältig sind seine Werke: Keine Spezifizierung oder Beschränkung auf eine bestimmte Ausdruckssprache, sondern immer wieder überraschend. Wir trafen ihn in seinem Aachener Atelier.

Herr Mertens, zur Zeit ist ein monumentales Gemälde von Ihnen in einem eigenen Raum des Suermondt-Ludwig-Museums in Aachen ausgestellt, welches den schlichten Titel KELIM trägt. Ist die Präsentation an diesem herausragenden Ort für einen Aachener Künstler so etwas wie ein Ritterschlag?

Kelim

Kelim

Ich – ein Ritter? Ja, wenn dann einer, der auf Rosinante reitet und gegen Windmühlen anrennt.

Das angesprochene Bild zeigt einen stattlichen Engel, der in sich versunken einen Kelim in seiner ganzen Schönheit und Vollkommenheit betrachtet, begutachtet, vielleicht auch bewundert. Und obwohl das Bild über einen sehr langen Zeitraum hinweg entstanden ist, ergibt sich aktuell beim näheren Betrachten des Hintergrundes mit ruinenähnlichen Bauten auf einem Berg und ausgedehnten Rauchwolken im Tal unwillkürlich die Assoziation von Zerstörungen weltberühmten Kulturgutes durch die Terrororganisation „Islamischer Staat“. Brauchen wir einen Engel zur Rettung der Kunst?

 

Der Engel auf diesem Bild steht nicht für ein höheres Wesen – eher für eine höhere Einsicht. Je mehr ich versuche, die Problematik im Orient zu verstehen, umso größer wird meine Ratlosigkeit. Verkörpert der Engel in seiner ruhigen Betrachtung eine solche Ratlosigkeit? Oder ist er der Engel der Apokalypse, der kurz innehält, bevor er die Welt zertrümmert?

 

Judith

Judith

In all den Jahren zwischen Installationen, Performances, mystischer und mythischer Malerei zieht sich wie ein roter Faden das Thema des Stilllebens durch Ihr künstlerisches Schaffen. Was reizt Sie so an dieser vermeintlich überholten Stilrichtung, dass Sie über einen Zeitraum von 30 Jahren immer wieder darauf zurückgreifen?

 

 

Das genaue Beobachten von Dingen, sie in Korrespondenz miteinander zu bringen, ist eine interessante Aufgabe. Ein gutes Training für eine aufmerksame Wahrnehmung. Da sollte der Künstler nicht zu sehen sein. Er ist hier nur Medium. Die Dinge sind sich selbst genug.

Bergamo 2012

Bergamo 2012

Ihre Ansichten von Bergamo, Orvieto und anderen italienischen Städten zwingen den Betrachter, mit dem Auge von Haus zu Haus zu gehen, um den Ort trotz des fernen Standpunktes genau zu erkunden, ohne wirklich in das Leben dort eintauchen zu können. Sind Ihre Arbeiten bewusst mehr fragend als deutend oder gar antwortend?

 

Generell denke ich , dass Fragen interessanter sind als Antworten. In der Kunst sind Antworten grauenhaft.

So bedrückend einige Ihrer Bilder schon allein aufgrund ihrer dunklen Farbigkeit wirken, so entdeckt man doch immer wieder Kleinigkeiten, die auf einen subtilen Humor schließen lassen. Bei der Bilderserie „San Gelato“ kommt dieser dann ganz unverblümt zum Ausdruck. Ist Humor auch für einen Künstler befreiend und daher zuweilen zwingend notwendig?

San Gelato

San Gelato

Humor ist ein Lebenselexier. Er steht aber der Nachdenklichkeit nicht im Wege, macht oft bittere Erfahrungen erträglicher. Ein schöner Satz –ich habe vergessen, von wem: „Humor ist die Höflichkeit der Verzweifelten.“ Die Guckkasten-ähnlichen Objekte sind im wahren Wortsinn vielschichtig. Sie sind Schaukasten, Theaterbühne, 3D-Animation, Kurzgeschichte und Statement zugleich. Wie sehen Sie Ihre Rolle als Künstler: mahnend, belehrend, unterhaltend, aufklärend, analysierend? Vielleicht ein bisschen irritieren? Was genau bedeutet der Titel Ihres aktuellen Werkbandes SAME SAME BUT DIFFERENT? In Asien geben die Leute ungern zu, dass sie etwas nicht haben. Sie zeigen einem etwas Anderes und meinen dann „Same same but different“. Der Rheinländer würde sagen: „Genau so ähnlich“. Wenn man Ihre Biografie liest, scheinen Sie sich selbst immer wieder neue Aufgaben zu stellen, die Sie dann stets gewissenhaft, konsequent und leidenschaftlich „erledigen“. Sind Sie im Gegensatz zum Klischée des chaotischen Kreativen ein disziplinierter Künstler? Ich bin nicht diszipliniert. Wenn ich keine Lust zu arbeiten habe, dann arbeite ich nicht. Aber eigentlich habe ich immer Lust. Und dann gibt es noch die Devise, die in Darjeeling auf eine Felswand geschrieben steht: „Don’t work hard – work smart“.

Herr Mertens, Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Ohne Titel 1993

Fotos: Adam Oellers, Krentz Photography