VERDUFTE

Keine Jahreszeit ist so eng mit dem Geruchssinn verbunden wie der Winter und die Weihnachtszeit. Gut – die Sehnerven werden ebenfalls bis zum Reißen gereizt durch illuminierte Vorgärten, die aussehen wie Miniableger von Disney- World, geschweige denn die Gehörgänge, die allüberall mit Glöckchengeläut zugegossen und endgültig dicht verstopft werden mit dumpfem HoHoho-Gehämmer.

Aber die Nase, sie wird jetzt nicht nur gefoltert durch die Zugabe von typischen Weihnachts-Aromaten an wirklich jede Art von Lebensmittel, sondern auch durch die vermeintlich nun notwendige Beimischung sogenannter winterlicher Düfte in Klimaanlagen, Kosmetikprodukten und Klosteinen.

Unsere Wohnungen, die sich so an unsere Ausdünstungen gewöhnt haben, werden nun aufgerüstet mit sogenannten Potpourris, die in große Schalen geschüttet schon manchen fernsehenden Chipsesser um den Rest des Filmes gebracht haben. Auf jeder freien Abstellmöglichkeit stehen nun kleine Vasen mit blatt- und blütenlosen Holzstengeln, die uns beim Vorbeigehen mit ihrer Duftwaffe weismachen wollen, „Ich war mal ein Granatapfelbaum“ oder „Ich war mal ein Zedernwald“.

Kann zwar spätestens seit der Einführung von Energiesparlampen keine Rede mehr sein von der dunklen Jahreszeit, so werden dennoch nunmehr ganze Armeen von Kerzen aufgefahren, und die Wissenschaftler sind sich noch nicht sicher, was unsere Atemorgane mehr austrocknet, die zentrierte Zimtabfackelung oder die bunte Vielfalt von allen Lebkuchengewürzen, getrockneter Ganzjahresernte von Gartenfrüchten und dem angeblich zu wachsweicher Materie mutierten Snowfall, Winterstorm oder Mystic Mist. Früher hatte man wenigstens bei der Verflüssigung einer gleichen Menge von Bienenwachskerzen keine Halsbeschwerden mehr. Gesundheitsfördernde Begleiterscheinungen gibt es aber auch heute noch, jedenfalls für Männer. Statt einen Lebkuchen zu vernaschen, geben Sie Ihrer Frau einfach nur einen leidenschaftlichen Kuss.

Der jahreszeitlich aktuelle Lippenstift wird Ihren Heißhunger stillen, und das ganz ohne Kalorien.