DER BAUVERTRAG IN DER INSOLVENZ – EIGENTLICH KEIN GRUND ZUR PANIK!

Markus Cosler
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht | Lehrbeauftragter für Baurecht an der FH Hannover

Wo gebaut wird, sind Probleme und Streitigkeiten oft nicht weit. In den meisten Fällen sind dies zum Einen Streitigkeiten über die dem Unternehmer zustehende Vergütung, zum Anderen Streitigkeiten um die Frage von Mängeln an der Bauleistung oder zeitlichen Verzögerungen des Projektes. In manchen Fällen aber geht es gar um die Insolvenz des beauftragten Bauunternehmens.

In solchen Fällen ist es zunächst einmal wichtig, dass der Bauherr Ruhe bewahrt. Oft wird nämlich dann hoppla hopp und völlig unüberlegt ein anderer Unternehmer zur Fertigstellung der Leistung gesucht und beauftragt. Dabei gilt zunächst einmal der Grundsatz, dass die Insolvenz des Bauunternehmers das Vertragsverhältnis nicht auflöst oder beendet. Der Vertrag besteht insoweit unverändert fort. Beide Seiten – also auf der einen Seite der Insolvenzverwalter, auf der anderen Seite auch der Bauherr – sollten sich dann in Ruhe überlegen, ob sie eine Fortführung beabsichtigen oder eine Beendigung des Vertragsverhältnisses ins Auge fassen.

Die Variante des Weiterbauens durch den ursprünglichen Unternehmer hat für den Bauherrn den entscheidenden Vorteil, dass es zum Einen ohnehin schwierig ist, kurzfristig einen anderen Unternehmer zu finden, zum Anderen die wenigsten Unternehmer bereit sind, eine angefangene Leistung fertigzustellen. Auf der anderen Seite stellt sich natürlich die Frage, ob ein von der Insolvenz bedrohtes Unternehmen überhaupt noch werthaltige Gewährleistungsansprüche auf die erbrachte Leistung bieten kann. Wenn es im Hinblick darauf doch zu einer Trennung, also zu einer Beendigung des Vertragsverhältnisses vor Fertigstellung kommt, ist es zunächst einmal wichtig, dass der Bautenstand sauber dokumentiert wird. Hier muss ja nachher die Leistung auch sauber abgerechnet werden können. Dafür muss genau festgelegt werden, bis wo der alte Unternehmer und ab wann der neue Unternehmer Leistungen erbracht hat. Dies zum Einen für die an den Insolvenzverwalter zu zahlende Vergütung für die ursprüngliche Leistung, als auch bezogen auf die Trennung der Gewährleistungsansprüche zwischen altem und neuem Unternehmer. Schließlich besteht aber gegebenenfalls auch noch der entsprechende Anspruch auf Erstattung der so genannten Fertigstellungsmehrkosten, also der Kosten, die die Fertigstellung durch ein Drittunternehmen teurer geworden ist, als Forderung zur Insolvenztabelle.

Bauherren ist insgesamt zu raten, dieses Thema sehr vorausschauend anzugehen, denn letztlich ist doch die entscheidende Frage die, ob zum Zeitpunkt der Insolvenz nicht der Unternehmer im Hinblick auf die von ihm erbrachten Leistungen überbezahlt ist. Das heißt: Hat er nicht bereits von dem vereinbarten Werklohn zu viel erhalten in Bezug auf die tatsächlich bisher erbrachte Leistung. In der anwaltlichen Beratung ist hier bereits anzusetzen beim Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Unseriöse Unternehmer werden immer versuchen, die Ratenzahlungen der Bauherrenschaft im Vertragsverhältnis so zu vereinbaren, dass die Zahlungen zu Beginn des Bauprojektes möglichst hoch sind. Dies bedeutet für den Unternehmer eine größere Liquidität. Für den Bauherrn bedeutet dies aber faktisch, dass er im Falle einer Insolvenz gemäß der getroffenen Vereinbarung tatsächlich viel zu viel an Werklohn schon gezahlt hat, so dass mit den verfügbaren Mitteln das Projekt niemals fertiggestellt werden kann. Daher sollte der Bauvertrag immer auch unter diesem Aspekt einer juristischen Prüfung unterzogen werden. Genauso sollte durch den Bauherrn bei ersten Anzeichen einer auch nur finanziellen Schieflage des Unternehmens, die sich gegebenenfalls erst einmal nur in einer geringen zeitlichen Verzögerung abzeichnet, juristischer Rat eingeholt werden, um zu klären, ob und inwieweit man hier bereits steuernd eingreifen kann. Dabei wiederum gilt es aber auch zu berücksichtigen, dass das Einstellen von Zahlungen oft erst dazu führt, dass aus einer geringen Schieflage die vom Bauherrn eigentlich nicht gewünschte Insolvenz erst herbeigeführt wird. Insoweit ist also Augenmaß in dieser Situation sehr wichtig.

Text: Markus Cosler

IM FALLE EINER INSOLVENZ: DIE BAUFERTIGSTELLUNG- UND BAU-GEWÄHRLEISTUNGSVERSICHERUNG

Michael-Foellmer

Michael Foellmer

Jeder Bauherr geht zunächst einmal davon aus, dass der Baupartner zuverlässig ist und das Projekt zu Ende bringt, doch das kann ein Trugschluss sein. Wenn der Baupartner Konkurs anmeldet, werden die Bauleistungen einstellt. Für jeden Tag, an dem der Bau ruht, zahlt der Bauherr trotzdem Zinsen. Ganz abgesehen von den Mehrkosten für die in Eile geschlossene Beauftragung weiterer Unternehmer. Eine Baufertigstellungsversicherung kann vor den Mehrkosten schützen.

Wer ein Haus baut, nimmt seine Zukunft in die Hand. Damit aber aus einer Baustelle wirklich ein bleibender Wert wird, muss Sicherheit an erster Stelle stehen. Schnell passieren beim Bau Fehler. Die Behebung von Mängeln kostet im Durchschnitt zwischen drei und zehn Prozent der eigentlichen Bausumme. Hierbei kann eine Versicherungsgesellschaft mit der Baugewährleistungs-Versicherung wirksamen Schutz bieten. Diese Versicherung übernimmt damit das finanzielle Risiko der Mängelbeseitigung für einen Bruchteil der Bausumme. Zugleich profitieren Sie von einer gutachterlichen Baubegleitung, die die Entstehung von Mängeln minimiert und die Bauqualität steigert. So können Sie sich als Bauherr voll und ganz auf die Fertigstellung Ihres Traumhauses konzentrieren.

Was ist versichert?
Versichert ist Ihr Bauvorhaben Versicherungsnehmer ist Ihr Bauträger/Generalübernehmer

Welche Leistung erhalten Sie?
Behebung der versicherten Baumängel nach Bauabnahme durch Ihren Bauunternehmer Direktanspruch an die Versicherungsgesellschaft bei Insolvenz des Bauunternehmers Baubegleitende Qualitätsprüfung Fertigstellung des Bauvorhabens bei Insolvenz des Versicherungsnehmers/Bauunternehmers Übernahme möglicher Mehrkosten für die vertragsgemäße Fertigstellung bis zur Versicherungssumme Wer ein Haus baut, hat viele Formalitäten zu erledigen. Nicht so bei der Baugewährleistungs-Versicherung. Diese schließen wir immer direkt mit Ihrem Bauträger oder Generalübernehmer ab. Versichert ist und bleibt aber Ihr Objekt. Die Baugewährleistungs-Versicherung schützt Ihr Objekt bis zu fünf Jahre nach Bauabnahme. Sollten in dieser Zeit erstmalig bautechnische Mängel auftreten, ist Ihr Bauunternehmer dagegen versichert. Grundsätzlich werden die anfallenden Kosten dabei direkt an Ihren Bauunternehmer erstattet. Dieser bleibt damit Ihr direkter Ansprechpartner. Es erfolgt eine qualifizierte Baubegleitung. Unabhängige Experten begleiten Ihr Bauvorhaben. Dieser fachliche Beistand unterstützt Ihren Bauunternehmer. Wenn Spezialisten einen Baumangel entdecken – der ja auch bei der sorgfältigsten Baudurchführung einmal passieren kann –, wird der Bauunternehmer direkt darauf hingewiesen. Die Gefahr unentdeckter Mängel, die vielleicht erst viele Jahre später zu einem Schaden führen, wird damit reduziert. Das steigert die Bauqualität und Ihre Sicherheit. Für den Fall der Insolvenz des Bauunternehmers nach der Bauabnahme haben Sie sogar einen Direktanspruch an den Versicherer. Dies wird auf einem Zertifikat dokumentiert, das Ihnen über Ihren Bauunternehmer ausgehändigt wird.

Eckpunkte der Baugewährleistung
Fünf Jahre Gewährleistungszeitraum Arbeiten von Subunternehmern mitversichert Absicherbar sind Bauvorhaben wie Einfamilien-, Reihen-, Doppel- und Mehrfamilienhäuser, Gewerbeobjekte und Sanierungsbauten

Was ist versichert?
Schadensuchkosten bis 10.000 Euro Kein Regress gegenüber Versicherungsnehmer und Mitversicherten Direktanspruch des Auftraggebers/Bauherrn gegenüber der Versicherungsgesellschaft bei Insolvenz des Versicherungsnehmers Kostenübernahme bei Mangelbeseitigungspflichten des Versicherungsnehmers (abzgl. Wagnis und Gewinn) Kosten der Zugänglichmachung des Mangels und Wiederherstellung des vorherigen Zustandes Zertifikat über Direktanspruch für Auftraggeber/Bauherrn.

TEXT: Michael Foellmer

grüne häuser

Gerade in großen Städten, wo Freiflächen zu ebener Erde häufig Mangelware sind, erfordern die Entwicklung und die Sicherung von urbanem Grün eine gewisse Kreativität. Kein Wunder also, dass Fassadenbegrünung ein wachsender Berufszweig ist. Denn: Vertikale Gärten und Grünflächen sind weit mehr als schickes Schmuckwerk… Weiterlesen

DER PERFECT TOOLER

Wenn’s gut werden muss“ – dieser Werbeslogan einer großen Baumarkt-Kette scheint so manchen selbstberufenen Heim-Handwerker schon vor Beginn irgendeiner noch so bescheidenen Aufgabenstellung mächtig auf den Bierbauch zu schlagen. Denn er steht sogleich unter Erfolgszwang. Klar, man könnte die anstehende Arbeit auch einem Fachbetrieb überlassen. Aber als Häuslebauer befindet man sich ja permanent im Wettbewerb mit den Nachbarn, Vereinskameraden, Kollegen oder Sportsfreunden. Sie alle können allmontäglich mit ihren selbsterbrachten Wochenendleistungen auf der Dauerbaustelle Eigenheim auftrumpfen. Da werden wie zur Schulzeit beim Quartett die Höchstleistungen in den verschiedensten Gewerken auf den Pausentisch gekloppt, heutzutage allerdings nicht in Form von schnöden Fotokarten, sondern als dramaturgisch ausgeklügelte Videos. Wofür hat man schließlich letztes Jahr vom Weihnachtsmann eine veritable Drohne erpresst? Was sind schon Luftaufnahmen der ausgebrannten Notre Dame-Kathedrale in Paris gegen den musikalisch martialisch untermalten Rundflug über die eigene Datsche. So bekommt das Auswechseln von drei maroden Dachpfannen eine ganz neue Wertigkeit. Um derlei Facharbeiten adäquat verrichten zu können, bedarf es natürlich noch diverser anderer Anschaffungen. Wenn’s gut werden muss, braucht Mann eben auch gutes Gerät, Profigerät halt. Und beim Anblick der laufenden Meter Werkzeuge neigen selbst gestandene Männer zu weichen Knien und leeren Geldbörsen wie einst als kleiner Junge am Kirmesstand mit Schnüzzereien.
Was Männern früher ein wohlbestücktes und –geordnetes Reise-Necessaire war, verkam mit den Jahren zu einem formlosen Kulturbeutel mit durcheinander gewürfeltem Inhalt. Sorgsam gefüllte Federmäppchen wichen weichlichen Schlampermäppchen. Der Hobby-Werkzeugkasten hingegen erlebt keine Sinnkrise. Beim gekonnten Öffnen mit geübten Heimwerkerhänden fächert er sich galant auf und offeriert seine metallen blinkenden Ingredienzen. Mit Hilfe von variablen Unterteilungsmöglichkeiten verschafft er zum Beispiel einem Kreuzschlitzschraubendreher eine Solitärposition und lässt ihn in seinem Einzelfach wirken wie ein kleines Zepter in einer Museumsvitrine. Hier ist alles an seinem zugeordneten Platz. Nichts schlampert durcheinander. Und damit die Handtasche des stolzen Bastel-Besitzers auch wertig zur Geltung kommt, kann Mann nur eine Regalstraße weiter auch gleich die dazu passende Garderobe erwerben. Roter Blaumann gefällig? Oder lieber die Profi-schwarze Workerhose mit unzähligen aufgenähten Taschen in Estrich-grau? Finden Sie Ihren Typ oder lassen Sie sich ruhig vom bekittelten Fachpersonal beraten. Wenn’s gut werden muss.

TEXT: Rainer Güntermann

Veröffentlicht unter Glosse

NOBBI´S ZÜNDELHÖLZER



Am Eingang zum Atelier erwarten uns gleich zwei Nice Guyes: Der allgegenwärtige Käpten Nobbi in Form eines freundlich dreinblickenden Affen, gemalt auf Holz, und sein lebendiger Schöpfer, der Stolberger Künstler Paul Sous. Um es direkt vorweg zu schicken: Nicht verwandt oder verschwägert mit der Würselner Künstler-Dynastie um Albert Sous. Das Pseudonym ist aber nicht gewählt, um diese Assoziation erst gar nicht zuzulassen, sondern stammt noch aus der Street-Art-Periode des Künstlers, in der ein Phantasiename gleichsam die Visitenkarte war und ist. Aber bei Paul Sous ist die Namensgebung noch etwas komplexer. Schon als kleines Kind träumte er von einem Affen als Haustier. Lebend, nicht als Plüschtier. Da dies natürlich auf elterliches Unverständnis stieß, musste er mit Letzterem vorlieb nehmen. Und mit Büchern über Affen, und mit Bildern und mit Postern und allem, was ihm mit seiner Affenliebe in die Hände kam. Als er dann später eine Abbildung von einem Affen im Matrosenoutfit sah, war ihm klar, dass sein Affe in Zukunft auf jeden Fall ein Käpten sein sollte, und zwar in Primaten-Schriftform. Der Namenszusatz Nobbi war dann einem anderen Zufall geschuldet. Seitdem ist Paul Sous Käpten Nobbi und Käpten Nobbi Paul Sous.

 

Wer meint, er müsse zuhause mal wieder gründlich aufräumen, war noch nicht in Paul Sous’ Atelier. Für so manchen Ordnungsliebhaber mag es ein optischer Alptraum sein, für entdeckungsfreudige Stöberseelen (wie mich, d.V.) ist es das wahre Paradies. Man mag sich gar nicht ausmalen, was es sicherlich auch noch hinter oder unter diesen ganzen offen-sichtlichen Fundstücken zu entdecken gibt. Wunderbar. Dabei hat die Grundeinstellung von Käpten Nobbi ja auch durchaus auch noch einen umweltpolitischen Sinn: „Nicht wegschmeißen, da kann man noch was mit machen“ ist sein kreatives Credo. Es geht ihm nicht nur darum, künstlerisch tätig zu sein, sondern dabei auch die Lebensdauer von eigentlich in der primären Nutzung abgelaufenen Gegenständen zu verlängern, ihnen also ein zweites Leben einzuhauchen. Nicht direkt, aber irgendwann. Dann, wenn es passt. In dieser Situation zu wissen, wo genau man nachgucken muss, um das Asservat zu finden, das zeugt von weitaus mehr Organisationstalent, als ein Bücherregal nach irgendwelchen philatelistischen Kriterien einzuräumen. Nobbi schafft das. Wo genau liegt das Holzbrett mit der bestimmten Patina, die exakt zu dem beabsichtigten Motiv passt? Eine neue, makel- aber auch ausdruckslose Platte vom Stapel nehmen kann jeder. In welcher Kiste sind die ausgeschnittenen Wortschnipsel, die in diesem Moment für eine Collage benötigt werden? Nobbi findet sie, und nebenbei noch Anderes. In lockerem Plauderton erzählt Paul Sous bei unserem Atelierbesuch von seinem ersten Bild, für das er 50 DM (Deutsche Mark) in einem Sparschwein bekommen hat. Da war er in der dritten Grundschulklasse in Stolberg und hatte den 2.Platz bei einem Malwettbewerb der damaligen Aachener Volksbank gemacht. „An diesem Tag hat es bei mir „Klick“ gemacht, und ich wusste, dass ich Kunst machen will.“ Später auf der Gesamtschule in Eschweiler absolvierte er zwei Schulpraktika in der Deko-Abteilung eines großen Möbelhauses und in einer Werbetechnikfirma und produzierte nebenbei bereits Aufkleber und T-Shirts mit Schablonenbildern für sich und Freunde. Alles im Nachhinein schon sehr vorausschauend festgehalten auf Fotos und Videos. Nach seiner Ausbildung zum Schilder- und Lichtreklamehersteller traute Paul Sous sich mit 20 Jahren erstmals, seine Arbeiten auf der Kunstroute „Kunst auf dem Weg“ 2010 in Stolberg der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Seinen eigenen Weg ging er beharrlich weiter, indem er zunächst sein Fachabitur in Gestaltung am Berufskolleg in Aachen abschloss und danach ein Studium im Fach Handwerksdesign an der Akademie Gut Rosenberg der Handwerkskammer Aachen (siehe auch AQUIS CASA Heft 9) absolvierte, welches er 2017 mit Examen und einem Designpreis sehr erfolgreich beendete. Im selben Jahr entschloss sich nunmehr Käpten Nobbi, seiner Leidenschaft weiter zu folgen und sich als Künstler selbständig zu machen, nachdem er bis dato seit seiner ersten Präsentation bereits fast 80 Einzel- und Gruppenausstellungen gemacht hatte. Immer wieder entdecken wir während des Gesprächs beim ungezielten Umherschauen neue Versatzstücke, welche irgendwann einmal ihren Einsatz hatten oder noch auf eine besondere Verwendung warten. Und immer ist es diese eigentlich ernste Botschaft, die mit einem Augenzwinkern daherkommt und den Be­trachten- den verständnisvoll schmunzeln lässt, die aber umso eindringlicher nachwirkt. Zum Beispiel beim kreisrunden Kaugummi-Objekt. Nur relativ kurz im Genuss, jedoch jahrelang auf Gehsteigen und somit auch unter Schuhen klebend, haben Kaugummis eine große Diskrepanz zwischen Verwendungs- und Lebensdauer. Also ließ Paul Sous unzählige bunte Kaugummikugeln von Freunden und Verwandten kauen und die ausgespuckten Exemplare sammeln, klebte die nunmehr blassbunten Relikte dicht an dicht auf einen runden, rosa umrandeten Spiegel seiner Oma und schuf ein aus der Entfernung harmlos süßliches Objekt, was erst beim näheren Betrachten und Erkennen eine Gefühlswende beim Betrachtenden bewirkt, nämlich einen leichten Ekel. Dann ist da der Einkaufswagen des Marken-Discounters NOBBI, gefüllt mit vermeintlich bekannten Konsumgütern. Nach und nach bemerkt man die optische Irreführung durch reine Adaption der Verpackung und Schreibweise: Die Lebkuchenpackung ist jetzt von Nobbi-Printen, daneben Aachen-Brand-Zwieback oder die Dosentomatensuppe von Captain Nobbi. Da sind die kleinen Tetrapack-Milchtüten, die ohne Beschriftung in unschuldigem Weiß , aber mit Drahtärmchen und –beinchen und rosa Tütü auf einer alten Spieldose ihre balletöse Runde drehen. Oder sie stehen mit Flokati beklebt als Lämmer auf einer Wiese und trinken mit Strohhalm aus einem Bach. Und immer wieder der lieb dreinblickende Affe als variiertes Schablonenbild auf Holzbretter gesprüht, der aber mal einen mit Helium gefüllten Ballon oder einen funktionierenden Wandleuchter haltend, mal ein Kaugummi aufblasend, zu einem 3D-Kunstwerk wird.

Von all diesen Eindrücken immer wieder aufs Neue abgelenkt, vergessen wir fast unsere obligatorischen 10 Fragen an den Künstler zu stellen. Aber Paul Sous und sein Alter Ego Käpten Nobbi nehmen sich bereitwillig Zeit zur Beantwortung.


Wieviel Anteil hat Käpten Nobbi inzwischen von Paul Sous übernommen?
Am Anfang war der Affe „Käpten Nobbi“. Er ist ich und ich bin er. Wir beflügeln uns gegenseitig und verstehen uns richtig gut. Mit ihm habe ich meine ersten Ausstellungen gemacht und ihn (und mich) somit unter die Leute gebracht. Im Laufe der Jahre entwickelte ich neue und unterschiedliche Bildmotive. „Käpten Nobbi“ ist als Name, als Label geblieben. Er ist auch immer mit dabei.

Kann man als Künstler unter einem Alias-Namen unbefangener arbeiten?
Die Frage kann ich gar nicht beantworten. Ich habe keine Erfahrungen damit, unter meinem eigenen Namen zu präsentieren. Der Affe „Käpten Nobbi“ erzählt die Welt aus seiner Sicht. Ihn kann ich die Dinge viel primitiver und glaubwürdiger vermitteln lassen. Er ermöglicht mir viele gute Spielräume. Alle meine Werke entstehen aus meiner Lust am Spielerischen. Insofern passt der Nobbi gut.

Können Sie sich vorstellen, auch als Paul Sous künstlerisch tätig zu werden?
Ich habe schon mal darüber nachgedacht, wie das wohl wäre. Was sich bis dahin verändert hätte und was sich dadurch verändern würde. Mag sein, dass sich das irgendwann mal ergibt oder entwickelt. Aber bis jetzt habe ich noch keine Veranlassung dazu verspürt. Paul Sous ist mit „Käpten Nobbi“ im Reinen.

Sie sind sehr vielseitig kreativ unterwegs. Gibt es Lieblings-Materialien oder -Ausdrucksformen?
Es gibt sehr viele Materialien, die ich interessant finde. Solche, die sich gut bearbeiten, verändern und für meine Zwecke (zweckentfremdend) einsetzen lassen. Am liebsten solche, die schon eine Geschichte haben. Diese bringen dann schon eine erzählerische Komponente mit. Vieles finde ich einfach. Beim Sperrmüll, auf dem Werkstoffhof oder sonst wo. Ich entscheide immer sehr spontan und aus dem Bauch raus, was ich mitnehme. Kuriose Dinge, Holzplatten oder andere Materialien, die manchmal monatelang herumliegen, bevor sie zur Gestaltungsidee werden. Ich mag aber auch Müll- und Milchtüten und andere Dinge des täglichen Gebrauchs. Form, Farbe oder Beschaffenheit müssen geeignet sein, einen neuen, anderen Blick auf was auch immer auszudrücken und zu vermitteln.

Ihr Atelier ist ein Paradebeispiel für das vielzitierte „kreative Chaos“. Wissen Sie bei einer neuen Idee noch, ob Sie zur Realisierung was und vor allem wo zwischengelagert haben?

Getreu meinem Motto „Nicht wegschmeißen, da kann man noch was mit machen“ kann man sich vorstellen, wie es in meinem Atelier aussieht. Ja, es ist ein „kreatives Chaos“ und genauso muss es sein. Diese Atmosphäre inspiriert mich. Wenn ich etwas suche, weiß ich zumindest meistens die richtige Himmelsrichtung. Wenn nicht, finde ich beim Kramen oft etwas Vergessenes, was ich dann auch wieder gut gebrauchen kann. Wenn das Chaos zu krass wird, räume ich auch gerne mal wieder auf … und finde dabei… .

Seit 2017 ist „Käpten Nobbi“ hauptberuflich tätig. Gibt es dadurch Zwänge, die ihn in seiner Arbeit in irgendeiner Weise einschränken?
Mein ganzes Leben lang wollte ich immer schon Kunst machen. Die Selbstständigkeit bringt neben der wunderbaren Selbstbestimmung natürlich auch Umstände mit sich, die manchmal anstrengend sind. Social-Media, Organisation und Ausrichtung von Ausstellungen, Buchhaltung und nicht zuletzt meine kleine Familie kosten viel Zeit. Oft ist es nicht leicht, alles unter einen Hut zu bekommen. Ich frage mich ab und zu, ob es möglich ist, dass mir die Ideen und die Kraft ausgehen könnten. Das wäre ein echter Zwang. Zum Glück glaube ich da nicht dran.

Sie haben nicht nur eine abgeschlossene Ausbildung, sondern auch ein sehr erfolgreich absolviertes Studium an der Akademie Gut Rosenberg in Aachen-Horbach hinter sich. Ist Ihnen als ehemaligem Street-Art-Künstler ein derartiger solider Hintergrund wichtig?
Ich male, frickele und baue mir meine eigenen kleinen Welten, seit ich denken kann. Das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Die Zeit als Street-Art-Künstler war eine weitere Stufe, meinem Bedürfnis nach persönlichem Ausdruck nachzukommen. Dass ich dieses in meiner Ausbildung zum Licht– und Reklamehersteller und in meinem Studium als Handwerksdesigner ausbauen konnte, hat sich eher glücklich gefügt. Viele Elemente, die ich in diesen Ausbildungen erlernt bzw. entwickelt habe, finden sich in meinen Werken wieder. Ich profitiere sehr von diesem „soliden Hintergrund“.

Die Kurzfilme auf Ihrer Internetseite sind sehr professionell und eindrucksvoll gemacht. Wie wichtig sind Ihnen die heute verfügbaren Medien in Bezug auf Ihre Tätigkeit?
Ohne die Medien läuft sowieso gar nichts. Hier präsentiere ich meine Kunst, promote meine Ausstellungen, knüpfe und pflege Kontakte. Es macht mir großen Spaß, kleine Videos und Storyboards für bevorstehende Ausstellungen zu entwickeln und anschließend ein Making-of oder einen After-Teaser zu drehen.

Ich bin sehr glücklich über die tolle, nicht nur mediale Vernetzung, die wir in Aachen und Umgebung haben. Es gibt viele gute Leute, die sich gegenseitig unterstützen. Für die Kurzfilme treffe ich mich meistens mit meinem Freund, dem Fotografen Paul Trienekens. Wir tauschen uns aus und entwickeln Ideen, probieren alles aus, was machbar ist. So lange, bis wir beide zufrieden sind.

Ist „Käpten Nobbi“ die logische Folge einer konsequent verfolgten künstlerischen Laufbahn oder gab es auch andere Berufsvorstellungen?
Ab irgendeinem Punkt gibt es diese logische Folge. Es war klar, dass ich einen Beruf ausüben wollte, in dem ich kreativ arbeiten kann. Ursprünglich wollte ich „Darsteller für visuelles Marketing“ werden. Da hat es aber mit der Lehrstelle nicht geklappt. Der „Licht- und Reklamehersteller“ war Plan B. Die Vorstellung, mein ganzes Berufsleben lang Busse zu bekleben und auf Häuserdächern herum zu klettern, war allerdings nicht wirklich mein Traum. Wohin mich mein Studium auf Gut Rosenberg führen würde, wusste ich damals noch nicht.

Gibt es bestimmte Orte, an denen Sie sich inspirieren lassen, oder passiert das immer und
überall im täglichen Leben?
Es passiert tatsächlich hauptsächlich immer und überall im Leben!

Paul Sous, Käpten Nobbi, vielen Dank für das Gespräch und eure Gastfreundschaft!

 

TEXT: Rainer Güntermann

FOTOS: Paul Sous | Paul Trienekens | Marcello Vercio