Was bei Wein und Käse in den meisten Fällen ausgesprochen lecker ist, hat bei der menschlichen Spezies oft einen faden Beigeschmack. Als „Best-Ager“ noch verbal verklärt, entpuppt sich der oder die Mittelaltrige in den sogenannten besten Jahren häufig als Peter (meinetwegen auch Petra) Pan mit der beharrlichen Weigerung, der Zeit ihren natürlichen Lauf zu lassen. Und das ist in fast allen Bereichen des täglichen Lebens. Da versucht der Mann verzweifelt, seinem rudimentären Haarbestand durch gegelte Zupf-Zipfel den Anschein von ungezähmter Wildheit zu geben, da wird der Sixpack-plus-4-Gratisdosen-Körper gedankenlos in ein beschriftetes T-Shirt gezwängt, wenngleich der Schriftzug „Infinity“ über einer inzwischen zu einem C-Körbchen aufgeschwemmten Männerbrust nicht wirklich sinnreich erscheint. Und Jogginghosen, die nicht von selbst auf den Hüften halten, sondern mit dem eigentlich dekorativen Zugband zusammengezogen in einer Bauchfalte auf Höhe gehalten werden müssen, sind nicht nur für Karl Lagerfeld schwer zu ertragen. Die darunter getragenen Sneaker mit den so bequemen, ausladenden Sohlen erscheinen ab einem gewissen Alter des Trägers mit einhergehenden Wassereinlagerungen in den Füßen auch eher wie orthopädisch notwendige Sonderanfertigungen eines Mini-Schlauchboots.
Es ist aber auch nicht einfach, zu seinem Alter zu stehen und es mit dessen Würde zu (er)tragen. Schließlich ist die Konkurrenz unter Männern auch noch im Alter groß. Dabei geht es nicht mehr vornehmlich um die Wirkung auf das andere Geschlecht, sondern mehr um eine innergeschlechtliche Nabelschau. Scheinbar raucht der Mann spätestens ab seinen Best Ages Zigarre. OK – das Rauchen hatte man sich zwar schon vor einer Dekade abgewöhnt, aber jetzt? Wenn nach einem feierlichen Abendessen die Männer im Rund vor der Tür stehen und wie ein Karpfen im Trockenen an ihrem qualmenden Stäbchen saugen, zieht man halt mit. Und während man vor 20 Jahren noch mühelos in und vor allem aus einer PS-Flunder hätte steigen können, versucht man nun dennoch sein altes Kreuz aus dem neu zugelegten 911er einigermaßen galant heraus zu schrauben. Bequemer ist da schon die Harley mit fernsehtauglichem Sessel, die bei dem Mittelaltrigen jetzt auch ganz oben auf der Wish – and – do – Liste steht. Dabei ist es gar nicht mehr so lange hin, bis man sich Gedanken über das erste Tuning eines Rollators machen sollte.
Auch im Haus beginnt bei vielen Best-Agern nun die Mitarbeit, wenn auch beschränkt auf maximal zwei Tätigkeiten: das Grillen und das Braten. Und auch hierbei ist das Material-Equipment längst nicht einerlei. Schließlich lässt sich mit Gleich-Mittelaltrigen trefflich streiten, welche Firma welches High-End-Produkt anbietet, mit welchem Tuning in Form von Zusatzartikeln, ohne die eine Mitarbeit bei der Essenszubereitung erst gar nicht in Erwägung gezogen werden braucht. Aber sei’s drum – die Best-Agers mit ihrem Konsumanspruch sind eben auch die beste Wirtschaftsförderung.


Nach der offiziellen Definition ist eine Vitrine ein Möbel oder Behältnis mit mindestens einseitiger Verglasung, also einer vertikalen oder schrägen Glasscheibe oder einer horizontalen Glasabdeckung. Diese dienen jeweils gleich mehreren Zwecken: Zunächst schützen sie vor zu großen Klimaschwank- ungen, Feuchtigkeit, Staub, übermäßigem Lichteinfall, Zugwind und auch Diebstahl. Ganz pragmatisch betrachtet behält die sammelnde Person aber auch leichter die Übersicht über ihre Kollektion(en). Ähnlich einem öffentlichen Museum wird sie selbst zum Aussteller, zum Präsentierenden. Und wie bei einer flachen Wandvitrine mit offiziellen Aushängen und amtlichen Bekanntmachungen in einer Behörde möchte sie die Aufmerksamkeit der Besucher auf die Exponate lenken. Daher ist das deutsche Synonym „Schaukasten“ eigentlich viel treffender geeignet, die private Zur-Schau-Stellung zu umschreiben. Der Sammler möchte seine gesamten Trophäen, zu deren jeweiligen Anschaffung er zumeist auch eine Anekdote parat hat, seinen Gästen zeigen und somit seine Freude darüber teilen (Der Autor spricht aus eigener Erfahrung). Bei Regalen oder besser Regalsystemen sieht das ganze oft bei weitem schlichter aus. Hier geht es den Umständen entsprechend gedrängter zu. Bücher, Musik- oder Datenträger müssen nach unterschiedlichen Kriterien möglichst effektiv und platzsparend untergebracht oder auch präsentiert werden. Auflockerungen durch andere Objekte sind meistens nur am Anfang einer Sammelleidenschaft möglich. Daher verschwinden rein offene Regale ohne geschlossene Elemente oft gänzlich in der Wahrnehmung als Möbel. Vitrinen haben da ein ganz anderes Standing, sie zeigen sich auch selbst als Einrichtungsobjekt. Wie immer gibt es auch hier Ausnahmen, aber sogenannte „dekorative“ Aufbewahrungsregale sind selten wirklich sehenswert, Stichwort „Gewürzregal“. Der Klassiker unter den Regalen ist wohl das String-Bücherregalsystem. Ein schwedischer Verlag hatte 1949 einen Wettbewerb für ein erweiterbares Bücherregal ausgeschrieben, welchen Nisse Strinning zusammen mit seiner Frau Kajsa gewann. Basierend auf einem zuvor entwickelten Abtropfregal für die Küche bilden sogenannte Metallleitern zur Wandmontage mit ihren gleichmäßig angeordneten Sprossen flexible Einhängemöglichkeiten für furnierte oder lackierte Holzbretter. Schon 1952 kamen dann Schrankmodule hinzu. Diese hatten Schubladen, Klapp- oder Glasschiebetüren, darüber hinaus Einhängetischplatten, Zeitschriftenfächer und schräge Leseborde. Dieses System bildete die Grundlage für gefühlt unzählige Varianten bis in die heutige Zeit. Viele sind eigentlich nur Plagiate, wenige wirklich durchdachte Weiterentwicklungen.
So das 1957 von Franco Albini entworfene Bücherregal Libreria. Dessen seitliche Streben wurden nicht an der Wand befestigt, sondern zwischen Boden und Decke eingespannt. Seinen Durchbruch erlangte es 1958 durch seinen Einsatz in der Pariser Dependance vom italienischen Büromaschinen-Hersteller Olivetti. Eine weitere Variante wurde 1960 unter der Bezeichnung Regalsystem 606 von Dieter Rams entworfen, welcher zu dieser Zeit als Architekt und Innenarchitekt, ab 1961 dann als Leiter der Abteilung Formgebung beim Elektrogrätehersteller Braun arbeitete. Dessen Entwürfe für diesen Konzern haben bis heute Kultstatus. Sein Regal basierte wieder auf Metallstreben zur Wandmontage, welche aber gleichmäßig angeordnete Schlitze hatten, in die man dann mittels Metallträgern einzelne offene oder geschlossene Elemente einhängen konnte. Bei den Platten waren dazu seitlich jeweils Aufkantungen angebracht, die zugleich gegebenenfalls Halt für Bücher oder dergleichen boten.

Zwei Regale der „Neuzeit“ haben ebenfalls das Zeug, zu echten Klassikern zu werden. Da ist zum einen das bereits 1974 von Vico Magistretti entworfene Regal Nuvola Rossa aus Buchenholz. In der Form einer Stehleiter ähnelnd kann es auch genauso zusammengeklappt werden. Bis heute kommen immer wieder mehr oder weniger gelungene Abwandlungen dieses offenen Regals auf den Markt. Der etwas ungewöhnliche Name „Rote Wolke“ bezieht sich auf einen Sioux-Häuptling, da das schnell auf- und abgebaute Regal den Designer an Indianer-Wigwams erinnerte. Der zweite Entwurf stammt ebenfalls von einem Italiener, die seit den 1970er Jahren immer mehr den Designmarkt mit ihren oft extrem innovativen Ideen eroberten. Ettore Sottsass, Mitbegründer der 1980 in Mailand gegründeten Bewegung und Firma „Memphis“, wollte weg vom Minimalismus des „Less is more“, weg vom Credo „Form follows Function“. Die Möbel sollten einfach nur Spaß machen. Weniger Funktion, mehr Farbe waren nun die Maxime. Sein 1981 entworfenes Regal Carlton aus Holz mit buntem Kunststofflaminat steht wie kein anderes Möbel für den Zeitgeist dieser Design-Gruppe, zu der unter anderen auch Matteo Thun, Michael Graves und Hans Hollein gehörten.
Einige Exemplare der 1920er und 1930er Jahre mit zum Teil aufwändigen Furnieren und geradliniger Formgebung können sich heutzutage aber gut auch in einer modernen Einrichtung behaupten. Eine neue Blüte erlangten Vitrinen in der Nachkriegszeit. Inspiriert von skandinavischer Leichtigkeit und einer neuen Farbigkeit in allen Dingen des täglichen Lebens wurden sie Bestandteil des modernen Heims. Glasschiebetüren, auch gerne in schräger Ausführung, wurden zum Renner und ließen den noch recht spärlichen neuen Hausrat gebührend zur Geltung kommen. Einen Klassiker der neueren Zeit entwickelte 1975 das Gütersloher Unternehmen Flötotto mit seinem Profil-System. Quadratische Stäbe aus massivem Buchenholz in drei verschiedenen Höhen können durch ebensolche Querstreben in zwei Breiten und zwei Tiefen beliebig nach Wunsch zu offenen Regalen, geschlossenen Containern oder fünfseitig verglasten Vitrinen zusammengefügt werden. Bekannt geworden war die Firma für ihre Schulmöbel, insbesondere die Stühle mit ergonomisch geformten Holzfurnier-Sitzschalen. Die mitwachsenden Möbel aus dem Profilsystem überlebten zwei Insolvenzen und sind nach wie vor erhältlich.
