Bussi!

Farben

 

Busssii!“-„4mal bitte!“ haucht mein Gegenüber mir vorsorgehalber schon beim ersten Luftkuss mit Beinahe-Wangenkontakt in meine Muschel – klar doch, weiß ich doch, schließlich sind wir auf einer Vernissage mit bunten Bildern auf weißen Wänden und lauter Leuten in schwarzer Garderobe. Nur ich scheine mal wieder direkt von der Malerpalette aufs Galerieparkett gerutscht zu sein. Vorwurfsvolle Blicke hinter kreisrunden schwarzen Brillengestellen lassen keinen Zweifel aufkommen: Ich störe mit meinem farbenfrohen Outfit nachhaltig den (be)deutungsschwangeren Kunstkennerblick, der sich in gebührendem Abstand ganz und gar und alleinig der expressiven Farbigkeit der hängenden Leinwände widmen will. Nur das Picassorot der weiblichen Lippen sorgt im weiten Rund für blinkende Augenblicke – schade nur, dass nach einer halben Stunde das meiste davon nur noch leicht verblasst am Sektglasrand sichtbar ist. In den 80ern trugen die Männer wenigstens noch pastellfarbige Schnur-Schlipse auf schwarzen Hemden, aber heute? An den kunstkundigen Körper kommt nur noch Wasser und Schwarz und auf die eigenen vier Wände nur Weiß. Dann kann man wenigstens auch nichts falsch machen. Was für mich den Schein einer Bankrotterklärung an die eigene Kreativität hat, ist für viele der vermeintlich sichere Persönlichkeitshafen. Individualität wird scheinbar nicht mehr nachgefragt. Oder wieso gleichen sich heutzutage zuviele Menschen nicht nur in Sachen Mode, Frisuren und Accessoires, sondern auch bei Einbauküchen, Autofarben und Reisezielen? Ja selbst die großen Parteien haben kaum noch eigene Farbtupfer aufzuweisen – alles einheitlich in der mausgrauen Mitte, sicher ist sicher. „Ja IHNEN steht das , DU kannst das tragen, bei EUCH gefällt mir die dunkle Wand, in IHR Haus passen diese Möbel“ höre ich immer wieder. Aber nur Mut! Auch SIE vertragen Farbe – irgendwo – irgendwie – irgendwann.

Die Glosse von Rainer Güntermann

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Ohren auf beim Möbelkauf

Ohren auf beim Möbelkauf

Endlich! Vorbei die Jahre, in denen uns Designaholics auf Flachsesseln platziert hatten, nach deren Be-Sitzung man Rücken und/oder Nacken hatte. Nun dürfen wir unser müdes Haupt wieder entspannt zur Seite neigen und werden dabei soft&cosy von riesigen Ohren gestützt, die sich – mal eckig, mal rund -, auf jeden Fall aber wohlig wattiert unseres Kopfes annehmen, gleich einem Torwart mit Berufshandschuhen, der uns von hinten umarmt. Weil dabei unser Sichtfeld gleichzeitig zu Dreiviertel beschnitten wird, darf die Position dieses Sitzmöbels von uns auch wieder frei gewählt werden, je nach gewünschter Restsicht-Richtung: Es lebe der schräg gestellte Ohrensessel!

Auch die Oberfläche hat sich verändert – sie ist wieder geräuschfrei. Weg vom kalten knatschenden Glattleder, hin zu streich(el)zarten Velour-, Samt- und Cordstoffen, auf denen auch wieder Kissen ihre von uns gewünschte Position halten können und nicht stets der Schwerkraft folgend in die Horizontale rutschen. Wollig-weiche, über die Armlehne dezent drappierte Decken dienen nicht zum Verstecken von Flecken, sondern weichen weiter die ehemals streng rechtwinklige Sitzordnung zugunsten fließender Formen auf. Musste man früher bei dem Wunsch, noch einmal an seinem Drink zu nippen, welcher sich auf einem Tisch in Knöchelhöhe vor den Füßen befand, erst einmal mit dem Oberkörper nach hinten ausholen, um sich dann mit vollem Schwung und ausgestreckter Hand Richtung Glasstiel zu katapultieren – die beim Zurückschnellen sich zwangsläufig einstellende Liegestellung ließ dann eigentlich nur noch Getränke in einer Schnabeltasse zu – ermöglicht jetzt eine etwas erhöhte Sitzposition das elegante Hervorkommen aus der Möbelhöhle. Entspannte Abende warten also auf uns, und innovations- offen harren wir der weiteren Veränderungen unseres Zuhauses: Wir sind ganz Ohr!

Text: Rainer Güntermann

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Der Heimwerker

Der Heimwerker

Der Heimwerker

Die Nächte werden nun wieder länger, oder andersherum gesagt: Die Abende werden wieder kürzer, das mögliche Zeitfenster für hauptberuflich nicht vollends ausgelastete Heimwerker schließt langsam wieder seine Flügel bezüglich noch zu erledigender Außenarbeiten. Die mit Hilfe eines gemieteten Groß-Abraum-Baggers ausgehobene Grube in Tiefe der Haushöhe und von Grundstücksgrenze bis Terrasse reichend muss noch vor Wintereinbruch zumindest mit Folie ausgekleidet werden, andernfalls müssten vor den ersten Herbst-Monsunen noch entsprechende Spundwände ins Erdreich gerammt werden, damit zumindest das Haupthaus (ohne die zahlreichen Anbauten der letzten Sommer-Heimwerker-Saisons) an Ort und Stelle verbleibt und nicht in Richtung geplantem Teichmittelpunkt geschwemmt wird.

Diese archaische Zusatzarbeit hätte noch den weiteren Vorteil, einmal mehr eine veritable Profi-Baumaschine ausleihen zu können, mit der man den Nachbarn endlich den nötigen Respekt einflößen könnte. Die bereits jetzt nach einem einzigen Sommergewitter abgesackte Terrasse überwintert derweil mit umspanntem Flatterband in Signalfarbe und kann dann in der nächsten Außenarbeits-Periode grundlegend in Angriff genommen werden. Noch nicht fertiggestellte Dachöffnungen mit dem großen Endziel Dach-Terrasse, -Gaube, -Anhebung, -Austritt, oder –Sonstiges sollten nun ebenfalls mit Folien abgedeckt werden, wobei man diese farblich auf die noch vorhandene Dacheindeckung abstimmen sollte, um das örtliche Bauordnungsamt nicht mit zusätzlicher Arbeit zu belasten.

Begonnene weitere Gartenhäuser können auch bei frühzeitig einsetzender Abenddämmerung noch in Ruhe fertiggestellt werden, indem die Außenbaustelle vierseitig mit Flutlicht schatten­- wurf­frei ausgeleuchtet wird. Entsprechende Strahler mit Teleskopmasten inklusive Spannseilen gibt es im gutsortierten Vermietungsfachhandel aus­zuleihen.

Bislang im Nichts endende mäandernde Rundflanierwege durch den übersichtlichen Garten und der bis dato nur einer Mondsichel ähnelnde Bobbycar-Kreisverkehr im noch überschaubereren Vorgarten mit geplanter Trauerbirken- Mittelinsel können sich noch gedulden – der Weg ist das Ziel.

Beim letzten Eigenschrankbau fehlerhaft, weil seitenverkehrt durchbohrte Türen oder Seitenteile finden hier eine neue Zweckbestimmung: Wahrhaft locker überlappend gelegt mit beim Hausrohbau –na ja- heimlich abgezweigten Schalbrettern überstehen sie mindestens eine Frostperiode und erfreuen wegen ihres geräuschintensiven Begehens nicht nur die eigenen Kinder.… zum Artikel

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Ceci n’est pas un Gartenzwerg

Gartenzwerge

Ceci n’est pas un Gartenzwerg

Frei nach dem belgischen Surrealisten René Magritte wollen uns wieder zahlreiche stolze Vorgartenbesitzer weismachen, dass der rot bezipfelmützte Wichtel in ihrem grünen Biotop kein normaler Zwergspießer sei, da er eben nicht mit irgendeinem berufstypischen Werkzeug ausgestattet in irgendeiner ortsüblichen Arbeitsstellung verharre. Nein, das ihrige Exemplar halte ja etwas ganz Anderes, eher anatomisches Weichspielzeug denn hartes Arbeitsgerät in seinen Händen oder besser gesagt seiner einen Hand. Unsere verwirrten Augen blicken dabei in Richtung unserer Kinder und sind wie sie irritiert.

Einige Wald- und Wiesen-Außenraum- ausstatter nehmen ihre kleinen Gartengnome vor pauschalen Verunglimpfungen unter dem Vorwand in Schutz, ihre possierlichen Grasnabenbewohner nähmen mit ihrer Gesichtsphysiognomie nur Bezug auf einen berühmten singenden Bandleader beziehungsweise einen noch berühmteren Wissenschaftler und Nobelpreisträger. Uns Betrachtern bleibt da nur blütenkelchmäßig der Mund offen stehen.

Eine dritte Spezies beansprucht für sich den Freifahrtschein der Meinungsfreiheit, welche unter Zuhilfenahme einer langgestreckten mittleren Greifextremität ihrer Hobby-Hobbits unverblümt vom Beet aus lautlos, aber ausdrucksstark kundgetan werden soll.

Allen diesen drei Gattungsauswüchsen sei frei nach Gertrude Stein gesagt: Ein Gartenzwerg ist ein Gartenzwerg ist ein Gartenzwerg bleibt ein Gartenzwerg.

Text: Rainer Güntermann

Foto: Petra Dirscher | pixelio.de

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