100 jahre bauhaus

Nicht in Allem, wo Bauhaus drauf steht, ist auch Bauhaus drin. Rein gar nicht im bekannten Heimwerkermarkt, aber auch nicht bei vielen der heute auf dem Immobilienmarkt als Bauhaus-Villa in weiß mit Flachdach angepriesenen Gebäuden ist der Geist des Originals zu spüren. Bauhaus heißt nicht gleich weiß und auch nicht gleich rechtwinklig. Im Ruhrgebiet zum Beispiel wurden die vom Bauhaus beeinflussten Gebäude oft mit rötlichen Ziegeln verkleidet, da diese dem damals noch allgegenwärtigen Kohlenstaub besser trotzen konnten. Im Innern aber von außen schlicht weiß gehaltenen Architekturen ging es oft recht farbig zu. Selten in Pastelltönen, sondern eher in satten Variationen der Grundfarben Blau, Rot und Gelb wurden einzelne Wandoberflächen zu gestalterischen Elementen. Alles getreu dem Wahlspruch des Gründers Walter Gropius: „Bunt ist meine Lieblingsfarbe“. Am Bauhaus-Institut selbst trugen die Studierenden und ihre Meisterlehrer mit ihrer durchaus farbenfrohen Kleidung ebenfalls zur Polychromie bei. Anders als das heutige einheitliche Schwarz-Weiß der Kultur-Szene gehörte dies zu ihrem Selbstverständnis als Kreativ-Elite. Darüber hinaus waren die überschwänglichen Feste und Feiern in überbordenden Kostümen im Bauhaus schon damals legendär. Die

Die Bauhaus-Wegbereiter

Die Geschichte des Bauhauses beginnt in Weimar im Jahr 1919, jedoch nicht einem Urknall gleich aus heiterem Himmel. Denn eigentlich spielten auch unsere beiden Nachbarländer Niederlande und Belgien ein Vorreiterrolle. Schon 1917 hatte sich in den Niederlanden die Künstlerbewegung De Stijl formiert, gegründet unter anderem von Theo van Doesburg und Piet Mondrian, dem Schöpfer des weltbekannten Bildes „Compositie in Rood, Geel, Blauw en Zwart“. Die Angehörigen dieser Gruppe waren aber nicht Bestandteil eines Instituts, einer Werkstatt oder Lehranstalt, sondern sie kommunizierten lediglich über ihre gleichnamige Monatszeitschrift. Im Gegensatz zum späteren Bauhaus war ihr Bestreben auch nicht die standartisierte Massenproduktion von hochwertigem Design für die Allgemeinheit, sondern die individuelle Fertigung für den jeweiligen Auftraggeber. Aber auch diese Bewegung existierte wie das Bauhaus lediglich 14 Jahre bis 1931. Bereits im Jahr 1902 war der im belgischen Antwerpen geborene Maler Henry van de Velde nach Weimar gezogen, um dort neben der Großherzoglichen Kunstschule Weimar das Kunstgewerbliche Seminar zu gründen. Aus diesem geht ab 1904 das Kunstgewerbliche Institut Weimar hervor, für das er von 1905-1906 ein neues Lehrgebäude nach seinen Entwürfen errichten lässt, da er sich inzwischen von der Malerei abgewandt und sich der Architektur gewidmet hat. 1908 wird aus der Lehranstalt dann die Großherzogliche-Sächsische Kunstgewerbeschule Weimar, deren Leitung er von 1907 bis 1915 übernahm. Bedingt durch den Ersten Weltkrieg und den daraus resultierenden Anfeindungen ging Van de Velde 1915 wieder zurück nach Belgien. Noch auf seinen Vorschlag hin wird Walter Gropius zum neuen Leiter bestimmt, welcher am 12. April 1919 im selben Gebäude ein Staatliches Bauhaus gründet.

Das Bauhaus-Marketing

In Weimar brachen im Jahr 1919 aber gleich doppelt neue Zeiten für Deutschland an. Mit der Zusammenlegung von der inzwischen zur Hochschule aufgestiegenen Kunstschule und der Kunstgewerbeschule zum Bauhaus Weimar gründete Gropius die im Nachhinein einflussreichste Architektur-, Kunst- und Design-Akademie des 20. Jahrhunderts. Und nahezu zeitgleich kam im Nationaltheater von Weimar die neu gewählte Nationalversammlung zusammen, um die Verfassung für die neue deutsche Republik auszuarbeiten, einem demokratischen Rechtsstaat ohne Monarchie, mit Frauenwahlrecht und sozialen Grundstrukturen. Welch ein Aufbruch in eine neue Zeit! Die Signale für einen ersehnten Wandel nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in Kunst und Architektur gab es wie oben erwähnt nicht nur in Deutschland und hier auch nicht nur in Weimar. Das Bauhaus jedoch verstand es bereits damals außerordentlich, sich von allen Institutionen am besten zu vermarkten. Unzählige Veröffentlichungen, Ausstellungen, Vorträge und nicht zuletzt die gezielten Selbstinszenierungen in Form von besagten „Partys“ in für damaliges Empfinden wagemutigen Outfits trugen zur raschen Verbreitung der Marke Bauhaus bei. Hinzu kam, dass die Erzeugnisse aus der Weberei und vor allem der Papierwerkstatt mit ihren bunten Tapeten enorme Verkaufszahlen und auch entsprechende Erlöse erlangten. Das Bauhaus war regelrecht „in“.

Die Bauhaus-Frauen

Nicht erst durch den jüngst im Fernsehen ausgestrahlten Film „Lotte am Bauhaus“ ist jedoch ein unrühmlicher Aspekt des ansonsten so revolutionär daherkommenden Lehrbetriebes ans öffentliche Licht gekommen, der bisher auch an den heutigen Universitäten nicht eingehend beleuchtet wurde. Das Frauenwahlrecht war zwar just in die Verfassung aufgenommen worden, am Bauhaus jedoch wurden weibliche Bewerberinnen um einen Studienplatz zugunsten ihrer männlichen Mitbewerber hinten angestellt. Und wenn sie denn das Glück hatten, aufgenommen zu werden und die Studiengebühren auftreiben zu können, so wurden sie zumeist den „Soft-Werkstätten“ wie Weberei oder Papierwerkstatt zugewiesen. Genau diese Ateliers jedoch waren kommerziell die erfolgreichsten im Bauhaus, ein Aufstieg aber in die Architekturabteilung oder Schreinerwerkstatt zum Beispiel gelang nur wenigen jungen Frauen. Daher sind es bis heute allein die Männer, deren Namen und Gesichter den Mythos Bauhaus symbolisieren. Gropius selbst war es, der die Frauenquote so niedrig wie möglich halten wollte, um in der Öffentlichkeit nicht als Lehranstalt für gefälliges Kunstgewerbe wahrgenommen zu werden, sondern als Brutstätte neuer Kreativität, neuen Lebens, einer neuen Gesellschaft. Das dies eigentlich ein Paradoxon in sich war, zeigt sein Gefangensein im historischen Gesellschaftsbild. Daher wirken auch viele Postulierungen der verantwortlichen Bauhäusler nach einer radikalen Umwandlung der Gesellschaft hin zu einer offenen und gleichen Gemeinschaft eher theoretisch doziert denn wirklich praktiziert. Man könnte auch sagen: „Wasser predigen, Wein trinken“. Frauen wie Gunta Stölzl, Lilly Reich oder Benita Koch-Otte rücken mit ihren Leistungen am Bauhaus erst seit kurzer Zeit in den Fokus der Öffentlichkeit – reichlich spät. Da ist es nur wenig Trost, dass es den Gattinnen der Meisterlehrer eigentlich noch schlechter ging. Denn selbstverständlich nahmen sich die großen Namen wie Walter Gropius oder Lazlo Moholy-Nagy kreative Köpfe zur ihrer Ehefrau. Doch dadurch waren sie fortan direkt dazu degradiert, ihren Männern zuzuarbeiten: Als Sekretärin, Lektorin, Fotografin, für Aquise, Organisation und Koordination, ja sogar als Putzfrau.

Die Bauhaus-Revolution

Unbestritten ist jedoch die immense Nachwirkung der Bauhausideologie bis in die heutige Zeit. Krasser und innovativer hat kaum eine Gestaltungsepoche ihre Vorgängerin abgelöst. Bei Kriegsende noch umgeben von nicht nur optisch schweren, dunklen Möbeln mit dekorwütigen Verzierungen in ebenso „durchstuckten“ Häusern, traten jetzt Möbel auf den Plan, deren Reduzierung in Material, Form und Farbe auf das Allerwesentlichste eine bis dato unglaubliche Leichtigkeit in die Wohnungen brachte. Häuser, die mit neuen Materialien und vor allem Materialkombinationen experimentierten, deren Fassaden glatt und deren Dächer flach waren. Fenster mit extrem schmalen Profilen, oftmals zu horizontalen Bändern zusammengefasst, teils davor rythmisiert aufgereihte Balkone, darüber schmale, flache Auskragungen als Sonnenschutz. Auf schlanken Stahlrohren scheinbar schwebende Vor-und Rücksprünge in den Fassaden, großflächige Terrassen auch auf den Dächern. Die große Diskrepanz zwischen der Bauhaus-Architektur und ihrer Entstehungszeit wird eindringlich deutlich auf dem berühmten Foto in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung von 1928, das einen damals ultramodernen Baukubus von Le Corbusier zeigt, vor dem ein Automobil aus jener Zeit geparkt ist. Wie ein Model posiert –natürlich auf der Beifahrerseite- eine in der damaligen neuesten Mode gekleidete Frau. Da das Haus auch für unseren heutigen Geschmack noch wie ein Neubau erscheint, wirkt das Foto wie eine Montage. Es weist aber auch auf den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Bauhaus-Zielsetzung hin. Als Kunst-Elite wollte man das Leben aller verändern und verbessern, wollte mit einem gänzlich neuen Design auch für Alltagsartikel positiven Einfluss auf die Lebensumstände nehmen. Da zu jener Zeit aber noch keine Rede von industrieller Massenanfertigung sein konnte, die verwendeten Materialien durchweg hochwertig und dementsprechend teuer waren, und die zur Herstellung fachlich geeigneten Handwerker kostspielig, waren die Möbel, Lampen und auch Häuser schon damals nicht für die breite Allgemeinheit erschwinglich. Auch Gropius’ Nachfolger im Bauhaus nach dem Umzug 1925 nach Dessau, Hannes Meyer, konnte sein Credo „Volksbedarf statt Luxusbedarf“ nicht in die Tat umsetzen, wozu natürlich auch die beginnende Weltwirtschaftskrise beitrug.

Das Bauhaus-Erbe

Das heute weltweit mit dem Begriff „Bauhaus“ assoziierte Gebäude ist jener von Gropius entworfene und 1926 fertig gestellte Komplex in Dessau, welcher -wie auch der Van-de-Velde-Bau in Weimar- seit 1996 zum Weltkulturerbe der Unesco gehört. Sein Schriftzug lässt noch heute alle Architekturfans, Kunstliebhaber und Designfreaks in Ehrfurcht verharren. Nicht nur die Fassadengestaltung dieser Architektur-Ikone hat Generationen von Baumeistern inspiriert. Bisher nur Sitz der Bauhaus-Stiftung, wird im September dieses Jubiläumsjahres -ebenso wie im Weimarer Gebäude- hier ein neues Bauhaus-Museum eröffnet werden. Als dritter Direktor und Nachfolger von Hannes Meyer nach dessen nur zweijähriger Amtszeit wurde ebenfalls auf Empfehlung von Gropius der in Aachen geborene Ludwig Mies van de Rohe berufen. Aber auch er hatte gegen den politischen Druck der immer stärker das Leben bestimmenden Nationalsozialisten keine Chance. Im Jahr 1932 versuchte er durch eine weitere Verlegung nach Berlin die Institution Bauhaus noch zu retten, jedoch vergeblich. Bereits ein Jahr später wurde das Bauhaus endgültig geschlossen. Die meisten ihrer inzwischen berühmten Meisterlehrer und Werkstattleiter emigrierten nacheinander in die USA, allen voran Walter Gropius und Mies van der Rohe. Andere wanderten auch ins damalige Palästina aus. Von dort aus streuten sie mit ihren nachfolgenden Entwürfen und Realisierungen die Bauhausideale über die gesamte Welt, jetzt auch unter dem Begriff „International Style“ subsummiert. Da der Begriff „Bauhaus“ oder auch „Bauhaus-Architektur“ nicht geschützt worden waren, können bis heute diese Begriffe für Alles und Jedes benutzt werden – siehe Baumarkt. Daher hat sich inzwischen in der Fachwelt der Begriff „Neues Bauen“,„Modernes Bauen“ oder kurz „Die Moderne“ für charakteristische Architekturen während der Weimarer und Dessauer Bauhauszeit durchgesetzt, zuweilen auch „Internationales Bauen“. Die Nationalsozialisten, die ab Mitte der 1920er Jahre alles, was mit dem Bauhaus irgendwie zu tun hatte, verbal in Grund und Boden gestampft hatten und seine weitere Ausbreitung mit allen Mitteln unterbinden wollten, bewirkten letztendlich mit der Schließung der Institution Bauhaus genau das Gegenteil, nämlich die weltweite Verbreitung der Ideologie Bauhaus.

Der Bauhaus-Einfluss in der Euregio

Wie bereits anfangs erwähnt, gab es auch außerhalb von Weimar und Dessau Architekten, die sich die Bauhausideen zueigen machten und bis heute modern wirkende Bauwerke schufen. In Aachen steht mit der Kirche Sankt Fronleichnam im Ostviertel nicht nur der einzige Bau in Aachen, der es in offizielle Architekturführer zum Jubiläumsjahr gebracht hat, sondern auch jener eines am Bauhausinstitut selbst gar nicht propagierten Typs, nämlich ein Sakralbau. Und sie ist zugleich sozusagen das Flaggschiff der Moderne in Aachen. Radikal neu nicht nur in der äußeren Erscheinung. Ein gänzlich schmuckloser, circa 40 Meter hoher Turm als Solitär, ebenso glatt und weiß das von ihm losgelöste Kirchenschiff. Das wird zur damaligen Zeit auch der Grund für die Verweigerung der Baugenehmigung seitens des Generalvikariats Köln und der Stadt Aachen gewesen sein. Erst auf Drängen des Kunstbeirates der Stadt Aachen konnte der Bau schließlich durchgesetzt werden. Der Architekt Rudolf Schwarz, 1897 in Straßburg geboren, arbeitete nach seinem Berliner Studium in Köln mit dem berühmten Kirchenbauer Dominicus Böhm zusammen, dem Vater des Aachener Architekturprofessors Gottfried Böhm, der in Aachen später die Kirche Sankt Hubertus, besser bekannt als „Backenzahn“, baute. Von 1927 bis 1934 leitete Schwarz die Aachener Kunstgewerbeschule. An sie berief er unter anderen seinen Kollegen Hans Schwippert als Dozent, mit dem er auch gemeinsame Projekte entworfen und realisiert hat, wie von 1928 bis 1930 eben die Fronleichnamskirche. Die gesamte Hülle wurde komplett in weiß gehalten, die ebenfalls formal sehr schlicht gehaltene Einrichtung dagegen in schwarzem Marmor. Lediglich die Fenster sollten Farbe in den Innenraum bringen, sie wurden aber zunächst nicht wie geplant ausgeführt, sondern nur provisorisch mit Normalglas. Erst 1953 wurden sie vom Aachener Glaskünstler Ludwig Schaffrath mit Weißglas nach eigenem Entwurf ausgestattet.

Ein weiteres Bauwerk der Moderne von Rudolf Schwarz in Aachen ist die ehemalige Soziale Frauenschule in Burtscheid. Sie wurde von 1929 bis 1930 ebenfalls unter Mitarbeit von Hans Schwippert realisiert. Dieser hatte nach seinem Architekturstudium in Stuttgart in Berlin auch Mies van der Rohe kennengelernt und war dann dem Ruf Schwarz’ an die Werkkunstschule Aachen gefolgt. Später erhielt er auch einen Lehrauftrag an der Rheinisch-Westfälisch-Technischen Hochschule Aachen. Die Soziale Frauenschule verfügte nicht nur über Lehrräume, sondern auch über eine Kapelle, ein Internat und sogar eine eigene Jugendherberge. Sie ist heute eine Außenstelle der Katholischen Hochschule Paderborn.

Das dritte Objekt von Rudolf Schwarz in Aachen ist das ehemalige Haus der Jugend, heute Pfarrheim der Kirchengemeinde Johannes Baptist in Burtscheid. Es wurde in den beiden Jahren 1928/29 am Rand des Ferberparks errichtet und verkörperte die Ideale der Moderne von Licht, Luft und Sonne vor allem für die Jugend. Ursprünglich wurde die Erdgeschosswand als gestaltendes, horizontales Element entlang der Straße weitergeführt und diente auch als Böschungswand. Zugleich bildete sie den Rahmen für ein vorgelagertes, um fünf Stufen vom Straßenniveau erhöhtes Eingangspodest. Leider wurden beide wichtigen Merkmale dieses Komplexes noch 2012 zugunsten einer direkt anschließenden Bebauung und längs zur Straße verlaufenden Parktaschen abgerissen.

Seitdem steht der Baukörper mit seinen neuen, viel zu üppig bemessenen Fensterprofilen als ungewollt willkürlicher, überhöhter Klotz an diesem Ort, und nicht, wie auf alten Fotos noch zu sehen, als dynamischer Riegel. Die Architektur der Moderne hat es eben immer noch schwer mit dem Denkmalschutz.

Ein weiteres Highlight der Moderne in Aachen ist die ehemalige Schirmfabrik Brauer an der Krefelder Straße. Sie wurde 1928 von den beiden Aachener Architekten Josef Bachmann und Alexander Lürken nach neuesten Kenntnissen im Bereich der Industriearchitektur errichtet. Wie oft bei dieser Zweckbestimmung wurde der Bau nicht in weißem Putz gehalten, sondern komplett mit Ziegelsteinen verkleidet, wobei der Sockel dunkelbraun, der Rest in ockergelb gehalten wurde. Reduzierte Dekorelemente in der Fassade wurden allein durch deren farblichen Wechsel gestaltet. Von 1988 bis 1991 wurde der gesamte Komplex vom Aachener Architekturprofessor Fritz Eller zum heutigen Ludwig-Forum für moderne Kunst umgebaut.

Im Aachener Süden findet sich die katholische Kirche Heilig Geist. Für ihre Realisierung in den Jahren 1929/30 war ein Wettbewerb unter dem Juryvorsitzenden Dominicus Böhm ausgelobt worden. Den zweiten Platz belegten damals die beiden Architekten Rudolf Schwarz und Hans Schwippert, den ersten jedoch Otto Bongartz, der in Aachen an der RWTH studiert und dann im öffentlichen Bauwesen gearbeitet hatte. 1925 ging er an das Hochbauamt Köln, dessen Leiter er ab 1935 wurde. Die monumentale Freitreppe vor dem Haupteingang verstärkte optisch noch die Hanglage und ließ den Turm noch imposanter erscheinen. Im Innern waren auch hier bunte Glasfenster vorgesehen, die wie in der Fronleichnamskirche jedoch zunächst ebenfalls nicht verwirklicht, 1935 dann aber nach den Originalentwürfen „nachgereicht“ wurden. Ebenfalls im Aachener Süden neben der Lütticher Straße gelegen befindet sich die Kapelle Sankt Maria Geburt, kurz „Maria im Tann“ genannt. 1930 eingeweiht diente sie für Gottesdienste der 1916 errichteten Kindererholungsstätte. Diese wiederum war auch bekannt als Talbotheim, da sie auf Initiative und durch das Vermächtnis einer Stiftung von Clémence Talbot, geborene Piedboeuf, der Frau des Aachener Waggonfabrikanten Carl Gustav Talbot, für erholungsbedürftige Kinder von Arbeitern errichtet worden war. Beides war eingebunden in den 1909 eröffneten Komplex einer Lungenheilstätte für Männer und Frauen aufgrund der vermehrt auftretenden Tuberkulose-Krankheit infolge von Industrie und Bergbau. Entworfen wurde Maria im Tann vom Aachener Stadtbaurat Philipp Kerz.

Eine andere Kapelle, nämlich die Aussegnungshalle des Waldfriedhof Aachen, datiert aus dem Jahr 1933. Der Friedhof war in den 1830er Jahren weit außerhalb der Stadt für die damals zahlreichen Choleraopfer angelegt worden. Nach dem Ersten Weltkrieg um einen Ehrenfriedhof für Kriegsopfer inklusive eines kleinen jüdischen Friedhofs erstmalig erweitert, wurde ab 1930 ein großes Waldareal als Begräbnisstätte für die allgemeine Bevölkerung hinzugefügt. Architekt der Aussegnungshalle war ebenfalls Philipp Kerz. Neben dem Aachener Hauptbahnhof findet sich ein baulicher Zeuge jener Zeit, der schon unter mehreren Namen geführt wurde. Heute bekannt als das „Hochhaus mit Wettersäule“ hieß es zunächst Lochner Haus, später Haus Grenzwacht. Da die Stadt Aachen die Bebauung des exponierten Grundstückes seinerzeit allein nicht stemmen konnte, übernahm Rudolf Lochner, der Enkel des Aachener Tuchfabrikanten Johann Friedrich Lochner, als Privatinvestor die Aufgabe und übertrug die Planung dem Düsseldorfer Architekten Emil Fahrenkamp. 1925 wurde das damals revolutionäre Stahlskelett fertiggestellt, aber auch Lochner geriet in finanzielle Schieflage. Erst 1930 wurde der Bau nach Überarbeitung durch den Architekten Jacob Koerfer von der Firma Hochtief im Auftrag der Stadt Aachen fertiggestellt, allerdings in zur Originalplanung stark abgewandelter Form. Leider gar nicht mehr zu betrachten ist das Albert-Servais Haus des alten Aachener Klinikums an der Goethestraße. Ehemals als städtisches Krankenhaus mit mehreren Häusern im Pavillonstil für einzelne Abteilungen zwischen 1900 und 1914 auf einem weitläufigen Areal gebaut, erfuhr es mit dem neuen als Terrassenklinik ausgeführten Haus ein imposantes Erscheinungsbild. Von 1932 bis 1934 wurde es nach Plänen des Architekten von Lammerz mit nach Süden ausgerichteten Balkonbändern und Terrassen zur Licht- und Lufttherapie der Patienten erbaut. Den Namen erhielt es nach dem ehemaligen Ersten Beigeordneten der Stadt Aachen und Reichstagsmitglied Albert Servais. Dieser war zugleich Direktor des Krankenkassenverbandes Rheinprovinz und ab 1933 Vorsitzender der neu gegründeten Aachener Kur- und Badegesellschaft. Der imposante Mittelteil mit dem Haupteingang hätte auch gut einer großen Versicherung angestanden, jedoch wurde auch er zugunsten eines beliebigen Bürokomplexes 1985 noch abgerissen. Ein Industriedenkmal aus jener Zeit ist auf dem Gelände des ehemaligen Schlachthofes im Aachener Westen der Uhrenturm mit der Fleischabholhalle. Sie wurde im Zuge der letzten großen Erweiterung von 1926 bis 1930 nach Plänen des Aachener Stadtbaurates Kirchbauer errichtet. Große Stahlbeton-Bogenbinder als Hallendach ermöglichten ein wetterunabhängiges Beladen der Fleischtransporter. Der Turm selbst mit seinen dreiseitig ausgerichteten Uhren, bestehend aus kupfernen Zifferntellern und Zeigern, hat relativ wenig Eigennutzung. Das üppig bemessene Treppenhaus lässt aber auf einen ursprünglich für die Zukunft noch geplanten weiteren Hallenanbau schließen. Bezüglich des öffentlichen Wohnungs- und des privaten Hausbaus sind immer noch einige Exemplare aus den Jahren 1919 bis 1933 im Aachener Stadtbild vorhanden, wenn auch zum Teil –der Botanik sei Dank- inzwischen gut versteckt. Die Siedlung Panneschopp im Ostviertel wurde auf dem Gelände einer ehemaligen Ziegelei durch die Aachener Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft errichtet. Nach dem Ersten Weltkrieg herrschte eine große Wohnungsnot, auch weil viele Aussiedler aus den jetzt zu Belgien gehörenden Gebieten Eupen und Malmedy nach Aachen kamen. Es wurde daher dringend Wohnraum benötigt, ebenso für die vielen Arbeiter in den Fabriken im Ostviertel und die Angehörigen der Belgischen Armee, die nun in der ehemaligen deutschen Kaserne im jetzigen Kennedypark untergebracht war. Für damalige Verhältnisse waren die Wohnungen geradezu luxuriös: Eigenes WC und Bad, elektrisches Licht, mehrere Zimmer, Balkon oder Terrasse und große, begrünte Außenflächen, zwischen denen die Gebäuderiegel locker gruppiert waren. Auf dem Sektor des privaten Wohnungsbaus gibt es noch wahre Juwelen auf Aachener Stadtgebiet. Gleich mehrere Häuser des Architekten Hans Königs finden sich im Gebiet Pippinstraße/Clodwigstraße. Teils als Doppelhäuser, teils einzeln stehend geben sie den kleinen Straßen ein geschlossenes, aber individuelles Gesicht. Königs, Sohn eines Aachener Bauunternehmers, hatte auch in Aachen studiert und war dann als Partner in die väterliche Firma eingestiegen. Nebenbei war er passionierter Maler und machte sich später einen Ruf als Stadtkonservator und Experte für Baudenkmäler und Restaurierungen. Am Preusweg liegen inzwischen versteckt hinter Bäumen ebenfalls gleich mehrere kleine Objekte aus dem Jahr 1933, die wieder optisch eine Einheit bilden und viele Merkmale der Moderne in reduziertem Maßstab aufgreifen. Wahre Perlen des Neuen Bauens auf privatem Sektor in Aachen stehen am Ronheider Weg und am Hasselholzer Weg. Letzteres ist vom 1886 geborenen Künstler Engelbert Mainzer gebaut worden. Dieser hatte an den Kunstakademien Berlin und Düsseldorf studiert, war 1910 als Zeichenlehrer an das Realgymnasium Aachen gekommen und machte sich einen großen Namen als Maler des Rheinischen Expressionismus. Im benachbarten niederländischen Heerlen hat der Architekt F.P.J. Peutz gleich zwei sehr unterschiedliche Beispiele der Moderne verwirklicht. 1896 geboren war er als Schüler in das Internat Rolduc nach Kerkrade gekommen, hatte danach in Delft Ingenieurwissenschaften studiert und sich dann als Architekt niedergelassen. Neben den beiden erwähnten Objekten schuf er in Heerlen unter anderen auch zwischen 1933 und 1936 das berühmte Kaufhaus Schunck, heute als „Glaspaleis“ noch zu besichtigen, von 1936 bis 1942 das Rathaus und 1959 die Stadtschouwburg. In Maastricht zeichnete er für viele Schulbauten verantwortlich. Das kombinierte Büro-/Wohnhaus HUIS OP DE LINDE schuf er 1931 zunächst für sich selbst. Mit seinem großzügig verglasten Treppenhaus zwischen zwei Baukörpern sieht es aus wie die Miniaturausgabe einer Bauhaus-Akademie. Ganz anders das voluminöse Retraitehaus, erbaut auf dem Molenberg zwischen 1932 und 1934. Der gewaltige Komplex besaß an beiden Gebäudeenden jeweils eine Kapelle und diente als Erholungsheim für Frauen und Mädchen, später auch als Universität für Theologie und Pastorat als „Monseigneur Laurentius Schrijnen Huis“, benannt nach einem Roermonder Bischoff. Auf belgischer Seite ist zum einen ein ehemaliges Ausflugsrestaurant in Hergenrath aus den 1930er Jahren zu nennen, das jetzt als Privatvilla genutzt wird, und das Wetzlarbad von 1932 in Eupen. Da dieses gegen großen Protest der Eupener Bevölkerung für eine neue „Schwimmbox“ noch 2016 komplett abgerissen worden ist, sind beide Objekte leider nicht mehr zugänglich. Der Stifter Robert Wetzlar hatte sich in die Eupener Tuchindustrie eingeheiratet und noch vor seinem Tod 1912 durch Wertpapiere und der Grundstücksübertragung an die Stadt Eupen die Grundlage für das Freibad entlang der Hill geschaffen. Der Durchsetzungskraft seiner Witwe ist der endgültige Bau mit seinem markanten Schriftzug über dem Eingang zu verdanken. Aber auch er wurde nicht gerettet. Abschließend ist anzumerken, dass für die Erhaltung der Bauhaus-Objekte in Weimar und Dessau viel geleistet worden ist und wohl auch weiter geleistet werden wird. Auch für die Bauten der allseits bekannten „Lichtgestalten“ des Bauhauses wie Gropius und Mies van der Rohe zum Beispiel besteht keine Gefahr von unsachgemäßen „Renovierungen“ oder gar Abriss. Aber all die ebenso bemerkenswerten Gebäude aus jener Zeit von nicht so berühmten Architekten laufen immer noch Gefahr, durch Unwissenheit oder Ignoranz zerstört zu werden, und sei es nur durch An- und Umbauten in irgendeinem modischen Zeitgeist. Hier ist noch viel Aufklärung nötig. Bleibt zu hoffen, dass bei möglichen Veräußerungen derlei architektonisch wertvolle Objekte in sachkundige Liebhaberhände gelangen und somit der Nachwelt erhalten bleiben.

TEXT: Rainer Güntermann
FOTOS: Rainer Güntermann, Mercedes-Benz Classic, ©Bauhaus-Archiv Berlin, ©Bauhaus-Archiv Berlin, © Knoll International, ©Michael von Graffenried Bauhaus-Archiv Berlin, Sankt Fronleichnam |  Dr. Holger A. Dux

 

ALLES MUSS RAUS | DIE GARTENSAISON KANN BEGINNEN

Ja mei, ist denn schon wieder Frühjahr? Ja, auch wenn es draußen vielleicht noch nicht so aussieht. Jedenfalls was das Wetter betrifft. Die Natur jedenfalls ist schon viel weiter als in den letzten Jahren. Diesen März sind bereits viele Sträucher schon in Blüte, die sonst erst viel später an der Reihe wären. Auch die Tatsache, dass einige Zugvögel gar nicht mehr den beschwerlichen Weg in den Süden antreten oder zumindest nicht mehr so weit gen Süden fliegen und sie Ende Februar bereits wieder zurückkamen, lässt unzweifelhaft erahnen, dass der Frühling nicht nur kalendarisch da ist. Und mit ihm wie jedes Jahr der direkte Wunsch, bei den ersten wärmenden Sonnenstrahlen zumindest schon mal einen Stuhl vor die Tür zu stellen. Wenn’s denn etwas mehr an Möbel für draußen sein soll: Wir hätten da was für Sie.

Die Geschichte der Gartenmöbel ist noch relativ jung. Zwar gab es schon lange feststehende Bänke in Parkanlagen und auch in großen Privatgärten. Bewegliche Möbel, die flexibel am jeweils gewünschten Ort einsetzbar waren, kamen jedoch erst Anfang des 19. Jahrhunderts auf, zum Beispiel in Biergärten und Gartencafés. Aber erst mit der Reiselust der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg und deren Erfahrung im Süden von täglichem Leben unter freiem Himmel während des Sommers, begann der Siegeszug der Gartenmöbel in die Gärten und auf die Terrassen und Balkone der deutschen Haushalte. Seitdem ist ihr Marktsegment immer größer geworden, wozu auch die heutige Materialvielfalt und die immer wärmeren, früher beginnenden und länger dauernden sommerlichen Tage beitragen. Die Übergänge zwischen drinnen und draußen sind inzwischen fließend. Sitzlandschaften, fest installierte Küchenzeilen und Kaminwände schaffen die Illusion des Wohnens unter freiem Himmel. Bezüglich der Materialien ist auch für den Outdoor-Bereich nahezu jeder Einrichtungsstil möglich. Der Klassiker Holz mit witterungs­- schützenden Lasuren oder Lackierungen muss nicht rustikal und schwer daherkommen. In Verbindung mit rostfreien Aluminium-Hohlprofilen wirkt er nicht nur leicht, sondern ist es auch. Modern in der Formgebung sind derartige Möbel zeitlos und somit auch kompatibel zu nahezu allen sonstigen Stilen. Das gleiche gilt für die Kombination Holz mit Edelstahl. Diese Variante ist zwar edler in der Optik, aber auch zugleich schwerer und teurer. Wichtig sind in beiden Fällen mit Holz bedeckte Armlehnen, da es sonst bei vorheriger Sonneneinstrahlung regelrecht zu Verbrennungen an den Unterarmen kommen kann. Dies ist auch bei der Wahl des Materials der Tischplatte durchaus von Bedeutung. Beim Kauf von reinen Holzmöbeln gibt es gewaltige Unterschiede in Qualität und Preis. Letzterer ist aber oft auch ein Hinweis auf die Herkunft, Verarbeitung und Haltbarkeit des Holzes. Nach wie vor beliebt sind Tropenhölzer, die inzwischen aber aus zertifizierten Plantagen kommen, oder besser gesagt, kommen sollten. Um in unserem Klima zu bestehen, müssen Gartenmöbel aber nicht aus diesem Hartholz mit zuweilen unklarer „Vita“ gefertigt sein. Heimische Hölzer wie Robinie/Akazie, Buche, Eiche, Esche, Elsbeere, Ahorn oder auch Walnuss sind bei regelmäßiger Pflege mit Ölen oder Lasuren durchaus auch als wetterfest anzusehen.

 

Kunststoff-Gartenmöbel sind zwar in der Regel kostengünstig, aber nicht unbedingt preis-wert. Da ist zum einen der Umweltaspekt, der sowohl bei der Herstellung als auch bei der Entsorgung negativ zu Buche schlägt. Zum anderen werden diese Möbel durch den ständigen Witterungswechsel relativ schnell spröde und bleichen aus. Dass man nach jedem größeren Windstoß alle Teile einer Sitzgruppe wieder zusammensammeln muss, macht diese Materialwahl auch nicht unbedingt empfehlenswert. Eine Alternative dazu ist seit einigen Jahren unter dem Materialnamen Trespa auf dem Markt. Diese Hochdruck-Schichtpressstoffplatten bestehen im Innern aus hochverdichteten Holzfasern, die beidseitig mit wasserresistentem, witterungsbeständigen und lichtechtem Kunststoff beschichtet sind. Durch die extreme Innenverdichtung sind die Platten formstabil, die Schnittkanten sauber und Schraubverbindungen stabil. Neben unifarbenen Platten gibt es inzwischen auch vielerlei Dekore und Muster im Handel. Dort gibt es fertige Möbel aus Trespa, aber viele Handwerker verstehen sich auf das Material und können individuelle Möbel auf Maß herstellen.

Seit Jahrzehnten nie ganz aus der Mode gekommen sind geflochtene Möbel aus Rattan. Ihre Optik spielt mit der Assoziation an den Süden, an Sonne und Strand. Nach einem Regenschauer sind sie am schnellsten wieder trocken, sie wirken leicht und luftig, sind in der Formgebung meist rundlich und daher haptisch sehr angenehm. Da der Wind keine glatte und geschlossene Angriffsfläche hat, sind sie trotz ihrer Leichtigkeit nicht ganz so windanfällig. Im Winter jedoch ist es ratsam, diese Art von Gartenmöbel auf jeden Fall witterungsgeschützt unterzubringen. Eine neuere Art von Flechtmöbeln sind jene aus Polyrattan. Wie der Name schon sagt, ist hier wieder Kunststoff im Spiel. Im Gegensatz zu ihrem natürlichen Pendant, welches seine Stabilität aus dem Material selbst bekommt, wird hier das Kunststoffgeflecht um ein Draht- oder Eisengerüst angebracht. Daher können auch rechtwinkligere, sprich kantigere Formen erreicht werden. Viele der neuen Sitzlandschaften aus einzelnen kubistischen Elementen sind aus diesem Material hergestellt und haben wetterfeste Auflagen, die wiederum natürliche Stoffe nachahmen. Die Oberflächen sind in der Struktur dichter gewoben als bei den Rattanmöbeln und somit windanfälliger, durch das metallene Trägermaterial sind sie aber auch schwerer und somit standfester.

Ein Material für Outdoor-Möbel, was im Zuge der Nachhaltigkeits-Debatte wieder in aller Munde ist, ist das Lloyd-Loom-Geflecht, benannt nach seinem Erfinder Marshall Burns Lloyd. Dieser hatte sich 1917 ein Verfahren patentieren lassen, bei dem robustes Papier extrem dicht um einen Metalldraht gedreht wird. Somit entsteht ein zugfester Zwirn, der dann an mechanischen Webstühlen (engl. Looms) zu Flechtmatten weiterverarbeitet wird. Durch das Aufspannen auf schlanke und zum Teil gebogene Holzgestelle entstanden außergewöhnliche Sitzmöbel, aber auch Tische, Kleinmöbel und Kinderwagen. Durch eine anschließende Lackierung wetterfest gemacht waren diese Möbel relativ leicht, aber stabil, witterungsbeständig, schneller und günstiger herzustellen als handwerkliche Möbel zu jener Zeit, farblich individuell und in kurzer Zeit sehr beliebt. Ihren großen Durchbruch erlangten sie durch ihren Einsatz auf Passagierdampfern und in Zeppelinen. Die heute noch populäre Sesselform mit dem rundum bis zum Boden gehendem Geflecht war eigens für ihren Einsatz als Schiffsdeckmöbel konzipiert worden, um beim Sitzen auch an den Beinen windgeschützt zu sein. Ihre heutigen Nachfolger sind vergleichsweise hochpreisig, jedoch äußerst bequem, optisch und haptisch schmeichelhaft, durch neu entwickelte Lackierungen sehr witterungsfest und eben dazu auch wesentlich nachhaltiger als Kunststoffgeflechte.

Zur Zeit sehr in Mode gekommen sind Gartenmöbel aus Metall, die durch farbige Pulverbeschichtungen zu jeder Farblaune passen. Mit ihnen können optische Statements gesetzt werden, entweder als Kontrast zu monochrom weiß blühenden Gärten oder als Steigerung einer bunten Vielfalt. Durch ihre Oberflächenbehandlung sind sie – soweit unbeschädigt – ebenso rostfrei und damit witterungsresistent wie ihre Kollegen aus Aluminium oder Edelstahl. Aber auch hier gilt Vorsicht bei zu intensiver Sonneneinstrahlung. Dann können sie leicht zu Brenneisen werden, daher sind Polsterauflagen eigentlich unvermeidlich. Neuerdings gibt es auch sogenannte Beton-Möbel. Meistens handelt es sich aber nicht um massiven Beton, da dieser naturgemäß „ortsgebunden“ und nicht flexibel einsetzbar ist, sondern um Fiberzement. In der Optik kaum von schwerem, gegossenen Beton zu unterscheiden, ist dieses Gemisch aus Zement, gemahlenen Steinen und Bambusfasern jedoch wesentlich leichter – wenngleich immer noch nicht leicht verrückbar -, aber ebenso wetterfest, robust und relativ frei in der Form gießbar. An Plätzen mit eindeutiger Nutzungsbestimmung bilden sie im wahren Wortsinn Standpunkte, die bei entsprechender Materialwahl des Bodenbelages quasi aus diesem herauszuwachsen scheinen. Leider halten sie nach einem Regenschauer länger die Feuchtigkeit, was man aber durch wetterfeste Auflagen wieder wettmachen kann. Bei aller Formen- und Materialvielfalt ist es oft schwierig, die richtige Wahl bei der Gartenmöblierung zu treffen, zumal sie auch durchaus kostenintensiv sein kann. Ein gelungener Übergang von innen nach außen lässt im Sommer wirklich das Gefühl von einer erweiterten Wohnfläche in der offenen Natur entstehen. Dabei sollte man sich aber auch vor Augen führen, dass Natur eben auch natürlich ist und auch so aussehen darf. Ein allzu geometrisch eingezwängtes und vielleicht dazu noch monochromes Pflanzkonzept und eine sterile Fläche mit ebensolcher Möblierung bedeuten nicht gleich Ruhe, Entspannung und Wohlbefinden. Die Seele baumelt auch gern mal in willkürlicher und ungezwungener Natur.

TEXT: Rainer Güntermann

FOTOS: www.garpa.de, www.varaschin.it, www.varaschin.it, www.lloyd-loom.com, www.gloster.com, Fermob, www.garpa.de, www.vincentsheppard.com, www.lambert-home.de

HAUS MUSEUM VITRINEN UND REGALE

Die einen richten sich ein nach der Devise „Less is more“ des gebürtigen Aachener Architekten Mies van der Rohe (welcher in Wirklichkeit gar nicht der Schöpfer dieses Ausspruchs war, sondern ihn nur für seine Vorstellungen adaptiert hat), andere umgeben sich gern mit vielen schönen Dingen, frei nach dem Motto „Weniger ist immer auch weniger“. Sie sammeln, oft ihr Leben lang. Manche speziell fokussiert auf eine einzige Leidenschaft, manche gleich mehrgleisig und immer wieder bereit für neue Kollektionen. Diesen Sammlungsbegeisterten widmen wir diesen Bericht.

Bücher, Musik- oder Datenträger sollten präsentiert werden

Nach der offiziellen Definition ist eine Vitrine ein Möbel oder Behältnis mit mindestens einseitiger Verglasung, also einer vertikalen oder schrägen Glasscheibe oder einer horizontalen Glasabdeckung. Diese dienen jeweils gleich mehreren Zwecken: Zunächst schützen sie vor zu großen Klima­schwank- ungen, Feuchtigkeit, Staub, übermäßigem Lichteinfall, Zugwind und auch Diebstahl. Ganz pragmatisch betrachtet behält die sammelnde Person aber auch leichter die Übersicht über ihre Kollektion(en). Ähnlich einem öffentlichen Museum wird sie selbst zum Aussteller, zum Präsentierenden. Und wie bei einer flachen Wandvitrine mit offiziellen Aushängen und amtlichen Bekanntmachungen in einer Behörde möchte sie die Aufmerksamkeit der Besucher auf die Exponate lenken. Daher ist das deutsche Synonym „Schaukasten“ eigentlich viel treffender geeignet, die private Zur-Schau-Stellung zu umschreiben. Der Sammler möchte seine gesamten Trophäen, zu deren jeweiligen Anschaffung er zumeist auch eine Anekdote parat hat, seinen Gästen zeigen und somit seine Freude darüber teilen (Der Autor spricht aus eigener Erfahrung). Bei Regalen oder besser Regalsystemen sieht das ganze oft bei weitem schlichter aus. Hier geht es den Umständen entsprechend gedrängter zu. Bücher, Musik- oder Datenträger müssen nach unterschiedlichen Kriterien möglichst effektiv und platzsparend untergebracht oder auch präsentiert werden. Auflockerungen durch andere Objekte sind meistens nur am Anfang einer Sammelleidenschaft möglich. Daher verschwinden rein offene Regale ohne geschlossene Elemente oft gänzlich in der Wahrnehmung als Möbel. Vitrinen haben da ein ganz anderes Standing, sie zeigen sich auch selbst als Einrichtungsobjekt. Wie immer gibt es auch hier Ausnahmen, aber sogenannte „dekorative“ Aufbewahrungsregale sind selten wirklich sehenswert, Stichwort „Gewürzregal“. Der Klassiker unter den Regalen ist wohl das String-Bücherregalsystem. Ein schwedischer Verlag hatte 1949 einen Wettbewerb für ein erweiterbares Bücherregal ausgeschrieben, welchen Nisse Strinning zusammen mit seiner Frau Kajsa gewann. Basierend auf einem zuvor entwickelten Abtropfregal für die Küche bilden sogenannte Metallleitern zur Wandmontage mit ihren gleichmäßig angeordneten Sprossen flexible Einhängemöglichkeiten für furnierte oder lackierte Holzbretter. Schon 1952 kamen dann Schrankmodule hinzu. Diese hatten Schubladen, Klapp- oder Glasschiebetüren, darüber hinaus Einhängetischplatten, Zeitschriftenfächer und schräge Leseborde. Dieses System bildete die Grundlage für gefühlt unzählige Varianten bis in die heutige Zeit. Viele sind eigentlich nur Plagiate, wenige wirklich durchdachte Weiterentwicklungen.

 

Viele Entwürfe von damals genießen heute Kultstatus

So das 1957 von Franco Albini entworfene Bücherregal Libreria. Dessen seitliche Streben wurden nicht an der Wand befestigt, sondern zwischen Boden und Decke eingespannt. Seinen Durchbruch erlangte es 1958 durch seinen Einsatz in der Pariser Dependance vom italienischen Büromaschinen-Hersteller Olivetti. Eine weitere Variante wurde 1960 unter der Bezeichnung Regalsystem 606 von Dieter Rams entworfen, welcher zu dieser Zeit als Architekt und Innenarchitekt, ab 1961 dann als Leiter der Abteilung Formgebung beim Elektrogrätehersteller Braun arbeitete. Dessen Entwürfe für diesen Konzern haben bis heute Kultstatus. Sein Regal basierte wieder auf Metallstreben zur Wandmontage, welche aber gleichmäßig angeordnete Schlitze hatten, in die man dann mittels Metallträgern einzelne offene oder geschlossene Elemente einhängen konnte. Bei den Platten waren dazu seitlich jeweils Aufkantungen angebracht, die zugleich gegebenenfalls Halt für Bücher oder dergleichen boten.
Das heute meistverbreitete Regalsystem bei Liebhabern von Designmöbeln ist das 1962 vom Schweizer Architekten Fritz Haller konzipierte Bürosystem USM-Haller. Seine Grundelemente eines verchromten Stahlgelenkes mit allseitigen Anschlussmöglichkeiten und ebenfalls verchromten Streben, die als horizontale und vertikale Verbindungen sowohl offene Fächer, als auch geschlossene Schrankelemente aus lackierten Stahlplatten zulassen, können nahezu endlos in beide Richtungen erweitert werden. Durch die immer größer gewordene Farbpalette der Lackierung hat dieses ursprünglich für Büros entworfene Regalsystem inzwischen auch Einzug in den privaten Wohnbereich genommen, wodurch aber auch leicht ein optischer Sättigungseffekt entstehen kann. Ihren großen Auftritt haben USM-Möbel vor gänzlich andersartigen Hintergründen wie rohen Wandoberflächen und in untypischer Umgebung wie neben Vintage-Holzmöbeln.

Weg vom Minimalismus und dem Credo „Less is more“

Zwei Regale der „Neuzeit“ haben ebenfalls das Zeug, zu echten Klassikern zu werden. Da ist zum einen das bereits 1974 von Vico Magistretti entworfene Regal Nuvola Rossa aus Buchenholz. In der Form einer Stehleiter ähnelnd kann es auch genauso zusammengeklappt werden. Bis heute kommen immer wieder mehr oder weniger gelungene Abwandlungen dieses offenen Regals auf den Markt. Der etwas ungewöhnliche Name „Rote Wolke“ bezieht sich auf einen Sioux-Häuptling, da das schnell auf- und abgebaute Regal den Designer an Indianer-Wigwams erinnerte. Der zweite Entwurf stammt ebenfalls von einem Italiener, die seit den 1970er Jahren immer mehr den Designmarkt mit ihren oft extrem innovativen Ideen eroberten. Ettore Sottsass, Mitbegründer der 1980 in Mailand gegründeten Bewegung und Firma „Memphis“, wollte weg vom Minimalismus des „Less is more“, weg vom Credo „Form follows Function“. Die Möbel sollten einfach nur Spaß machen. Weniger Funktion, mehr Farbe waren nun die Maxime. Sein 1981 entworfenes Regal Carlton aus Holz mit buntem Kunststofflaminat steht wie kein anderes Möbel für den Zeitgeist dieser Design-Gruppe, zu der unter anderen auch Matteo Thun, Michael Graves und Hans Hollein gehörten.
Auf dem Gebiet der Vitrinen ist zunächst ein bis heute zeitlos modernes Exemplar zu nennen, welches der Ungarn-Österreicher Marcel Breuer 1925 für das Weimarer Bauhaus entworfen hat, wo er vorher seine Ausbildung beendet hatte. Da sie eigentlich für den Eigengebrauch ebendort gedacht war, hat diese Vitrine auch keinen eigenen Namen, sondern wird schlicht unter Bauhaus-Vitrine geführt. Zwei übereinander um 90 Grad verschobene und vierseitig verglaste Kuben mit leicht rechteckigem Grundriss sind zwischen vier Holzpfosten mit einer gleich dem oberen Kubus versetzten Sockelplatte fest eingebunden. Aus dem Entstehungsjahr dieser doppelstöckigen Vitrine datiert auch der später als „Wassily-Chair“ berühmt gewordene Stahlrohrsessel von Marcel Breuer.
In starkem Kontrast dazu standen in dieser Zeit die Vitrinenaufsätze von sogenannten Anrichten. Sie beide bildeten zumeist mit Tisch und Stühlen eine formale Einheit. Die Aufsätze bestanden oft aus zwei seitlichen Vitrinen, oft dreiseitig verglast, mit dazwischen eingefasstem Spiegel, zuweilen noch mit vorgelagertem Karaffenpodest. Sie dienten der Aufbewahrung von Trinkgläsern oder dekorativem Porzellan.

Neue skandinavische Leichtigkeit in allen Dingen des täglichen Lebens

Einige Exemplare der 1920er und 1930er Jahre mit zum Teil aufwändigen Furnieren und geradliniger Formgebung können sich heutzutage aber gut auch in einer modernen Einrichtung behaupten. Eine neue Blüte erlangten Vitrinen in der Nachkriegszeit. Inspiriert von skandinavischer Leichtigkeit und einer neuen Farbigkeit in allen Dingen des täglichen Lebens wurden sie Bestandteil des modernen Heims. Glasschiebetüren, auch gerne in schräger Ausführung, wurden zum Renner und ließen den noch recht spärlichen neuen Hausrat gebührend zur Geltung kommen. Einen Klassiker der neueren Zeit entwickelte 1975 das Gütersloher Unternehmen Flötotto mit seinem Profil-System. Quadratische Stäbe aus massivem Buchenholz in drei verschiedenen Höhen können durch ebensolche Querstreben in zwei Breiten und zwei Tiefen beliebig nach Wunsch zu offenen Regalen, geschlossenen Containern oder fünfseitig verglasten Vitrinen zusammengefügt werden. Bekannt geworden war die Firma für ihre Schulmöbel, insbesondere die Stühle mit ergonomisch geformten Holzfurnier-Sitzschalen. Die mitwachsenden Möbel aus dem Profilsystem überlebten zwei Insolvenzen und sind nach wie vor erhältlich.
Aber auch die typischen Wohnzimmer-Schrankwände mit all ihren formalen Entgleisungen während der letzten Jahrzehnte sind endlich flexiblen Wandmöbelsystemen gewichen, deren Bestückung mit offenen und geschlossenen Elementen, Regalböden und Leseablagen, Schubladen und Vitrinen jeweils individuell zusammengestellt werden können. Wo man früher fast von massiven Schrankmauern erschlagen wurde, begegnet einem nun eine spürbare Leichtigkeit. Mit der Entwicklung immer kleiner dimensionierter Beleuchtungsartikel sind Vitrinen aller Art inzwischen auch zu illuminierten Hinguckern geworden, die auch Nicht-Sammler inspirieren, und es soll schon Leute geben, die nur aufgrund der Anschaffung oder Überlassung einer ausgefallenen Vitrine überhaupt erst eine Sammelleidenschaft entwickelt haben. Diesen Jägern und Sammlern wünschen wir auch weiterhin viele Trophäen für ihre private Kollektion.

 

TEXT: Rainer Güntermann

Fotos: String Furniture | www.string.se, „Bauhaus Vitrine“ S40 | www.tecta.de, Kettnaker,  WK Wohnen, „Infinito“ von Franco Albini | www.cassina.com, Nuvola Rossa | cassina, www.usm.com, WK Wohnen

BÜCHEL-MUSEUM Rote Burg in Aachen

 

Bei jedem Hotelneubau in Aachen brandet umgehend die Diskussion auf, ob die Stadt denn noch eines brauche, schließlich haben mehrere Herbergsbetriebe mit den Übernachtungszahlen zu kämpfen. Die Frage, ob Aachen denn auch noch ein neues Museum brauche, würde wohl angesichts der nicht gerade berauschenden Besucherzahlen niemand direkt bejahen. Und doch ist soeben eines eröffnet worden. Ohne Aufschrei. Ohne Unkenrufe. Weil: Es ist ein Privatmuseum, mit privatem Geld von einem Privatmann gestemmt. Klingt interessant – ist es auch!

Jahrzehnte ist es her, dass ich zuletzt in diesem Haus am Aachener Büchel gewesen bin, nämlich abends auf ein paar Bierchen beim Charly in seinem legendären „Leierkasten“, bei Liedermacher-Musik vom Plattenspieler, schummrigen Kerzenlicht und inmitten unzähliger Kuriositäten von hübsch bis hässlich. Jetzt, es ist wieder Abend, stehe ich in einem dank neuester LED-Technik taghell ausgeleuchteten, hohen und weiten Raum, in dem thematisch geordnet Originalwerke von Emil Orlik, einem Künstler des beginnenden 20.Jahrhunderts hängen. Auch die wenigen antiken Möbelstücke sind akzentuiert positioniert, wodurch sie ihre Einzigartigkeit bestens zur Geltung bringen können. Eigentümer und Initiator dieses neuen Museums ist der Aachener Psychotherapeut Jörg von der Laage. Wenn andere Siebzigjährige ihr erworbenes Vermögen vornehmlich für eigenen Luxus ausgeben, geht er als Kunstsammler einen anderen Weg und kauft eine geschichtsträchtige Immobilie inmitten der Aachener Altstadt, um seine über zwei Jahrzehnte akribisch zusammengetragene Sammlung der Öffentlichkeit zu präsentieren. Von der Laage befindet sich damit –wenngleich auch in ganz anderer Dimension- in der Tradition des Aachener Kunstsammlerehepaares Irene und Peter Ludwig. Mit der nun präsentierten Sammlung mit Arbeiten von Emil Orlik schließt von der Laage auch zeitlich und thematisch die Lücke zwischen dem Suermondt-Ludwig-Museum und dem Ludwig-Forum in Aachen. Nachdem Jörg von der Laage an der RWTH Aachen Maschinenbau und Psychologie studiert hatte, machte er in München eine Ausbildung zum Psychotherapeuten. In dieser Zeit begann er, sich für Kunst zu interessierten, bekam Kontakt zu jungen Künstlern und Galeristen und verkaufte für sie deren Werke. Dabei ließ er sich in Naturalien, sprich Bildern, bezahlen.

Zunächst sammelte er Werke der Moderne. Nach dem Verkauf dieser Sammlung widmete er sich mit dem Erlöß daraus der klassischen Moderne. Inzwischen als Psychotherapeut in Aachen selbständig kam er vor gut 20 Jahren mit Arbeiten des Künstlers Emil Orlik in Berührung, die ihn derart faszinierten, dass er wiederum seine Sammlung verkaufte, um sich mit dem neuerlichen Erlöß ganz dem Ankauf von Orliks Werken zu verschreiben. Lange keimte der Gedanke in Jörg von der Laage, einmal alles zusammen präsentieren zu können. Mit dem Erwerb der Immobilie des ehemaligen „Charly’s Leierkasten“, in dem auch er des Öfteren bei einem Bierchen gesessen hatte, begann der Traum Wirklichkeit zu werden. Mehrere gastronomische Nutzungen in der Vergangenheit hatten schon diverse Umbauarbeiten verursacht, somit mussten keine großen baulichen Veränderungen mehr erfolgen. In Absprache mit dem Denkmalamt wurden aber einzelne Elemente wieder hervorgehoben, wie zum Beispiel die Einheitlichkeit der Fassade. Während durch die Vorbesitzer bereits die Erdgeschossfenster bis zum Boden aufgebrochen worden waren, hatte man die verbliebenen Blausteinelemente außen nur mit einem Farbputz verdeckt. Da nun eine Ergänzung und Vervollständigung mit neuen Platten aber zu unruhig gewesen wäre, entschied man sich für einen einheitlichen Granitputz im Erdgeschoss, der durch einen Anschliff der Optik und dem Charakter von Naturblaustein sehr nahe kommt. Im Innern wurden sämtliche Wände in Weiß gehalten, auch um die einzelnen aktuellen und ehemaligen Strukturen zu verstärken. Darüber hinaus wurden der Holzfußboden im Erdgeschoss und auch die alten Raerener Bodenfliesen im Kellergewölbe sorgsam restauriert. Der Gewölbekeller ist auch der älteste Teil des Hauses. Er datiert von 1450, als das Haus mit Namen Rote Burg erbaut wurde. Beim Stadtbrand am 22. April 1665 blieb er aufgrund seines massiven Mauergewölbes fast unversehrt, das Holzfachwerkhaus darüber jedoch wurde wie zahlreiche andere Bauten vom Feuer komplett zerstört. Beim Wiederaufbau aus Steinfachwerk wurden zunächst 2 Vollgeschosse über dem alten Keller hochgezogen. Erst im 19. Jahrhundert wird ein weiteres Stockwerk im Stil der bestehenden Fassade aufgesetzt, und das Haus erhält die noch heute sichtbare Struktur. Im 2. Weltkrieg wurde das Haus komplett ausgebombt, die Fassade und der Gewölbekeller aber überstanden auch dieses Inferno relativ unbeschadet. Nach dem Wiederaufbau erlebte die Rote Burg die meisten Umbauten erst ab den 1980er Jahren. Das kleine Zwischengeschoss über dem Erdgeschoss wurde entfernt, der Hofbereich über dem Keller eingeschossig überbaut und die Fenster zum Büchel bis zum Boden vergrößert. In dieser Form wird es nun im Kellergewölbe und im Erdgeschoss als Rote Burg – Büchel Museum genutzt. Ein inzwischen fast 30 Mitglieder umfassender Förderverein soll neben Eintrittsgeldern die wirtschaftliche Existenz sichern. Im Gewölbekeller mit Bewirtungstheke sind Wechselausstellungen, Lesungen, Vorträge und auch Musikaufführungen geplant, das Erdgeschoss beherbergt auf Dauer die umfangreiche Emil Orlik – Ausstellung. Zur Museumseröffnung jedoch wird auch der Keller zur Präsentation der rund 180 Exponate hinzugezogen. Emil Orlik – die Arbeiten dieses Künstlers zogen Jörg von der Laage vom ersten Blick an in den Bann. Voller Leidenschaft begibt er sich auf die Suche nach weiteren Werken. Es gelang ihm, auf Auktionen, Kunstmessen und Märkten einzelne Objekte aufzutreiben, die erst jetzt in dieser umfassenden Ausstellung wieder zusammengefügt werden. So kann man neben dem gezeichneten Entwurf für einen Umschlagdeckel das endgültige Buch bewundern, neben farbigen Radierungen die jeweils einfarbigen Probedrucke betrachten. Orlik, 1870 in Prag geboren, kam nach seinem Abitur 1889 zum Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste für fünf Jahre nach München. Nebenbei arbeitete er auch an der Akademischen Kupferstechschule. Nach einer kurzen Rückkehr nach Prag zog er 1896 erneut nach München und entwarf ein Jahr später für seinen neugewonnenen Freund Gerhard Hauptmann das Plakat für dessen Sozialdrama „Die Weber“. Gleichzeitig wurde er Mitarbeiter der Zeitschrift „Jugend“ und ab 1899 auch Mitglied der Wiener Jugendstilbewegung „Secession“. Auf der Pariser Weltausstellung im selben Jahr begegneten ihm erstmals japanische Holzschnitte, die ihn so faszinierten, dass er in den beiden Folgejahren eine Reise nach Japan antrat, um sich dort im Holzschnitt weiter ausbilden zu lassen. Er lernte, wieder alle drei Schritte selbst durchzuführen: die Zeichnung, den Schnitt und den Druck. Den Holzschnitt perfektionierte er dabei derart meisterhaft, dass er haarfeine Druckstege herausarbeiten konnte. Gerade nach Wien übergesiedelt bekam er 1904 einen Ruf als Professor an die Staatliche Lehranstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums. Bereits ein Jahr später wurde er Vorstandsmitglied im Deutschen Künstlerbund, im Jahr darauf Mitglied der Berliner „Secession“. Zu seinen Schülern zählte unter Anderen auch George Grosz. Nach seinem Umzug nach Berlin, wo er bis zu seinem Tode 1932 lebte und arbeitete, wurde er zum bekanntesten und gefragtesten Portraitisten seiner Zeit, der zahlreiche Größen aus Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft künstlerisch verewigte.


So portraitierte er in seinem Todesjahr auch den gebürtigen Aachener Architekten Mies van der Rohe in Berlin, wo dieser in einem Atelier von Orlik und dessen Schülern selbst die Kunst der Holzschnitte probierte. Gleichzeitig entwarf er für Max Reinhardt mehrere Bühnenbild- und Kostümentwürfe. 1912 unternahm er eine zweite Ostasienreise, die ihn in viele Länder führte und ihn selbst zu einem Sammler ostasiatischer Kunst machte. Aus all diesen Schaffensperioden sind im neuen Büchelmuseum Rote Burg Arbeiten von Emil Orlik zu sehen. Darunter auch ein ungewöhnliches Ausstellungsstück: Seine Original-Totenmaske, die ihm vom damals noch relativ unbekannten Bildhauer Arno Breker abgenommen wurde, bevor dieser durch seine spätere Nähe zu nationalsozialistischem Kunstverständnis in Verruf geriet. Auch hier kann man eine ungewollte Parallele zum Aachener Kunstsammler Peter Ludwig ziehen, welcher sich noch in den 1980er Jahren von Breker mit einer überdimensionalen Büste verewigen ließ. Im Gegensatz zu Ludwigs Büste, die nicht mit ins Kölner Ludwig-Museum einziehen durfte, steht Orliks Totenmaske friedlich inmitten seiner bewundernswerten Arbeiten, die zum Teil in Originalrahmen aus jener Zeit ausgestellt sind, sorgfältig umsäumt von ebenfalls sehenswerten Möbelstücken aus verschiedenen Epochen. Wenngleich die Ausstellung wohlgeordnet und übersichtlich gestaltet ist, hätte sicherlich auch der 1989 verstorbene „chaotische“ Charly seine Freude an der jetzigen Nutzung seines „Leierkasten“. Sein Nachfolger Jörg von der Laage jedenfalls ist für diese Eigeninitiative zu beglückwünschen und es ist ihm Glück zu wünschen. Im Anschluss an eine private Führung durch die Orlik-Ausstellung, hatten wir die Möglichkeit Jörg Vonderlaage einige Fragen zu stellen.

Die Besucherzahlen der öffentlichen Kunstmuseen in Aachen lassen seit Jahren zu Wünschen übrig. Was treibt eine Privatperson dazu, ungeachtet dessen ein eigenes Museum zu eröffnen? Zunächst einmal der Kunst selber zu liebe, da ich meine, dass diese Ausstellung einen besonderen Blick auf den bedeutenden Künstler Emil Orlik zeigt. In vielen Zustandsdrucken kann sehr eindrucksvoll die Entstehung seiner Arbeiten verdeutlicht werden. Außerdem möchte ich eine andere Art von Museum für die Kunstfreunde im Dreiländereck präsentieren. Im historischen Kellergewölbe ist zwischen der Kunst ein Museums-Bistro entstanden, in dem man bei Kaffee und Kuchen sich Zeit für die Kunst nehmen kann und über die Arbeiten diskutieren kann.

Haben Sie die geschichtsträchtige Immobilie explizit für das Museum erworben, oder war für Sie auch eine andere Nutzung vorstellbar?

Ja, das historische Haus wurde eigens zum Zweck des Museums ausgewählt. Der geschichtsträchtige Rahmen und die Möglichkeit, dort Ausstellungsräume mit einer Kombination von historischem Hintergrund und moderner Gestaltung umsetzen zu können, sowie die Lage des Hauses schienen mir bestens zu der Schaffung eines neuen Museums in Aachen geeignet.

Gab es während der Umbauphase unliebsame Überraschungen, die Sie das Projekt in Frage stellen ließen?

Wenn man in solch alter Bausubstanz restauriert, renoviert und gestaltet gibt es mehrfach unliebsame Überraschungen. Das ist normal. Das Gesamtkonzept wurde aber nie in Frage gestellt.

Ist es nicht lukrativer, reine Verkaufsausstellungen zu präsentieren im Stil einer Kunstgalerie?

Sicherlich wäre eine Verkaufsausstellung in dieser Lokalität lukrativer gewesen. Das Ziel aber war es, für Aachen ein neuartiges Museum zu schaffen. Der Gewinn fließt ausschließlich dem Förderverein zu, der hoffentlich bald so stark ist, dass wir damit die laufenden Kosten bestreiten können. Dazu benötigen wir noch viele neue Fördermitglieder und Spenden.

Gibt es irgendeine Parallele zwischen Ihrem Beruf des Psychotherapeuten und dem eines Kunstsammlers beziehungsweise Museumsinhabers?

Die Betrachtung von Kunstwerken und das sich in diese Materie Hineinversetzen, kann einen neuen Zugang zu sich selber und Nähe zum Kunstwerk bringen. Besonders die Kunst von Orlik macht einen hohen Grad von psychologischer Deutung und Wirkung möglich. Er zeichnet die Menschen auf seinen Bildern schlicht und natürlich und ermöglicht damit die Nähe zum Betrachter.

Wie sind Sie zu Emil Orlik, dem Künstler der Eröffnungsausstellung, gekommen?

Ein Bild, „Der erste Schnee“, faszinierte mich seit dem ersten Blick. Eine Mutter stapft mit einem Kind durch frischen Schnee. Mit einer Aquatintaplatte und einer Radierplatte schafft Orlik eine Perspektive und Tiefenwirkung, die einmalig ist. Die Stellen für den Schnee auf dem Boden und auf den Bäumen wurde frei gelegt, so dass das Weiß des Papiers als Schnee wirken kann.

Sie haben seit 20 Jahren Werke dieses Künstlers gesammelt. Können Sie sich vorstellen, dass Sie sich mit ähnlicher Leidenschaft noch einem anderen Künstler oder einer Künstlerin widmen?

Viele Künstler, besonders der klassischen Moderne faszinieren mich auch weiterhin. Nun steht aber nicht mehr das Sammeln im Vordergrund, sondern die Gestaltung des Museums mit späteren Sonderausstellungen in den beiden Gewölben, mit einem Programm mit Veranstaltungen und dem Wunsch, viele private Sammler zu motivieren, ihre Schätze der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Wie waren die Resonanzen auf das zweitägige Pre-Opening während der Aachener Kunstroute im September?

Die Resonanz der Kunstroute Ende September 2018 war überwältigend. An dem Wochenende hatten wir 744 Besucher. Das zeigt ein großes Interesse für das neue Museum. Die Kunstfreunde fanden sowohl die Ausstellung als auch die Gestaltung der Räume sehr überzeugend. Besonders die Möglichkeit, zwischen den ausgestellten Bildern in einem Bistro mit Kaffee und Kuchen zur Ruhe zu kommen und dabei die Kunst betrachten zu können, fanden die Besucher einmalig.

Wird es auch einen Katalog oder ein Werksverzeichnis zur Dauerausstellung Emil Orliks geben?

Ein Katalog ist geplant, wird aber noch eine Weile auf sich warten lassen. In diesem Buch sollen alle Arbeiten abgebildet werden und die Lebensgeschichte des Künstlers im Spiegel seiner Arbeiten erzählt werden.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne bezüglich der Aktivitäten im Museum aus?

Zunächst bleibt diese Ausstellung einige Monate erhalten. Dann soll im Erdgeschoss mit Orlik eine Dauerausstellung bestehen bleiben und in den beiden Kellergewölben sollen Wechselausstellungen gezeigt werden. Das große Gewölbe soll dabei zusätzlich zu den Sonderveranstaltungen mit Lesungen und musikalischen Aufführungen genutzt werden.

Vielen Dank für die interessanten Einblicke!

TEXT: Rainer Güntermann
FOTOS: Rainer Güntermann

BLICK-FANG SICHTSCHUTZ UND RAUMTEILER IM GARTEN

Gartenthemen im Winter erschöpfen sich meistens in anrührenden Fotos von angefrosteten Restblüten, von infolge einer kalten Nacht gezuckertem Laub und von unberührten Rauhreif-Wiesen. Aber gerade jetzt, wo kahle Äste, Zweige und Hecken die tief stehende Sonne, aber auch jeden fremden Blick durchlassen, ist es eine gute Möglichkeit, sich unter realen Bedingungen dem Thema Sichtschutz zu widmen. Dieser kann überall gewünscht oder sogar nötig sein, nicht nur vor dem Haus, sondern auch rückwärtig an der Terrasse, an der Grenze zu den Nachbarn oder auch auf dem Balkon.

Einfriedungen von Gärten werden schon seit Jahrhunderten benutzt, um das eigene Gut abzugrenzen. Dabei ging es früher mehr um das Fernhalten von ungebetenen Raubtieren, weswegen die sehr stacheligen Weißdornhecken zunehmend kultiviert wurden. Für einfache Abgrenzungen von eigenen Tierherden reichten oft natürliche Weidenhecken, die zudem durch einfaches Einstecken von jungen Ruten in die Erde relativ schnell überall neu gesetzt werden konnten. Durch ihre Biegsamkeit konnte schon vor einer dichten Belaubung ein undurchdringliches Flechtwerk entstehen. Heute geht es mehr um das Abwehren von fremden Blicken. Es kann aber durchaus sinnvoll sein, auch unsere eigenen Blicke zu lenken und zu leiten, um nicht ständig auf unliebsame Anblicke in der Nachbarschaft gucken zu müssen. Vor jeder Materialauswahl oder Größenfestlegung sollte man sich genau über etwaige Bauvorschriften oder Gestaltungssatzungen der jeweiligen Kommune oder Gemeinde informieren, um keine bösen Überraschungen zu erleben.

Die natürlichste Variante von Sichtschutzanlagen ist selbstredend die Hecke in all ihren Varianten. Aber sie braucht nicht nur am Anfang Geduld, bis sie ihre Zweckbestimmung ausreichend erfüllen kann, sondern auf Dauer auch permanente Pflege, um nicht zu verwildern oder krank und somit stellenweise kahl zu werden. Zudem benötigt sie als niedrige Variante bereits eine Tiefe von mindestens 40 bis 50 Zentimetern. Je höher die Hecke sein soll, um mehr sollte man einplanen, zumal sie im Querschnitt konisch geschnitten werden muss, das heißt von oben schmal nach unten immer breiter, damit sie auch unten genügend Licht für dichten Blattwuchs abbekommt.

Ansonsten sind der Fantasie des Heckschneiders keine Grenzen gesetzt: Wolkenähnliche Gebilde aus ehemals enger als üblich gepflanzten Buchskugeln, ein wellengleicher, aber messerscharfer Abschluss bei Eibenhecken oder durch pfeilerartige Vorsprünge erreichte Nischen in einer Buchenhecke. Bei letzterer ist die Wirkung als Sichtschutz auch im Winter aber nur gegeben, wenn man sich für die Rot- oder Blutbuche entscheidet, deren Laub zwar eintrocknet, aber bis zum Austrieb der neuen Knospen im Frühjahr am Zweig bleibt. Die Setzlinge der Weißbuche werfen all ihre Blätter im Herbst ab und sind über den Winter kahl, sie sorgt dafür in der dunklen Jahreszeit aber auch für mehr Helligkeit. Buchs und Eibe sind immergrün, haben aber auch ihre Tücken. Die Eibe ist giftig, nicht nur die roten Beeren, sondern auch die Nadeln. Daher ist bei kleinen Kindern Vorsicht geboten. Der Buchs wird in jüngster Zeit immer öfter vom sogenannten Zünsler befallen und kann in diesem Falle nur noch gut verpackt im Hausmüll entsorgt werden.

Hat er sich einmal festgesetzt, ist auch die Nachbarschaft links und rechts nicht mehr sicher, und es entstehen oft flächendeckende Kahlschläge. Natürlich, wenn auch nicht mehr „lebendig“, sind Bambusstäbe. Es gibt sie mit bis zu 10 Zentimetern Durchmesser mit erstaunlicher statischer Robustheit. Damit nicht nach einigen Jahren der in der Erde befindliche Teil eines Stabes verrottet, kann man ihn –weil hohl- auch auf Holzpflöcke spießen, die schneller und kostengünstiger ausgetauscht werden können. Dünne Bambusstäbe können zu Matten geflochten werden und horizontal oder vertikal verarbeitet werden. Eine andere Variante ist das massenweise Einsetzen von gleichlangen Stangen in flache Gefäße mit frostfestem Estrich. Sie kämmen den Wind und lassen Zweige von Nachbarpflanzen hindurch. Zudem verändert sich die Perspektive mit jedem Schritt. Durch Platzierung von lebenden Bambuspflanzen in festen Kübeln, die in die Erde eingelassen werden, um die Wurzelausbreitung zu verhindern, erreicht man schnell eine asiatische Atmosphäre. Eine dritte Variante aus der Natur ist der Baustoff Holz. Lassen wir die zahlreichen Zaun-, Gitter- und Paneel-Varianten einmal außer Acht und kümmern uns um optisch ausgefallene Ausführungen. Ob man Holz in Form von Latten oder Stäben horizontal oder vertikal verarbeitet, stets sollte man die erwünschte Zielwirkung im Blick haben. Ein niedriger Raumteiler wirkt mit vertikaler Verkleidung oft stumphaft, während eine horizontale Anbringung die Wand streckt. Bei hohen Ausführungen kann man einer Monotonie vorbeugen, indem man verschiedene Breiten von Brettern und Latten verwendet. Wichtig ist eine in Struktur und Farbgebung homogene Außenfläche. Es sei denn, man spielt bewusst mit einer bewegten Oberfläche, indem man Platten aus Baumlängsschnitten horizontal mit einer gleichstarken Fuge schichtet. Die äußeren Rindenkanten lassen die Wand wellenförmig rhythmisieren. Mit vertikal auf Lücke gesetzten, tiefen Bohlen dagegen lassen sich luftige Sichtschutzwände erstellen, die dem Passanten immer nur bei exakt frontaler Betrachtung den vollen Blick für kurze Zeit freigeben. Das Thema Gabione ist in der letzten Zeit durch Billigvarianten ein wenig in Verruf geraten. Doch es gibt Variationen bezüglich des Befüllens, die sich wohlwollend von der Masse abheben. Statt der allseits verwendeten polygonalen Steinbefüllung wirkt die Bestückung mit rechtwinkligen, geradkantigen Steinen auf die Augen eher beruhigend. Selbst der sogenannte Holländische Verbund –ein Ziegel quer, der nächste längs- oder der Wechsel von quer und längs gesetzten Ziegel pro Lage lassen die Wände abwechslungsreich, aber ruhig erscheinen. Noch ausgefallener ist das Auskleiden der sichtbaren Gabionenflächen mit festem Plattenmaterial wie zum Beispiel dem wetterfesten Kunststoff Trespa, den es in allen RAL-Tönen zu bestellen gibt. Die Füllung kann in diesem Falle aus jedweden Steinresten bestehen, da sie nur aussteifend, aber unsichtbar ist. Bei der Variante mit ausreichend dicken Glasplatten und einer Bodenplatte kann die Befüllung sehr kleinteilig und dementsprechend individuell gemischt sein. Ob als einzelne Gabionenfelder, in horizontalen oder vertikalen Bahnen oder als Komplettwand gesetzt, erzielen Sie auf jeden Fall einen wahren Hin-, aber nicht Hindurch-Gucker. Stahl als Material im Garten wird derzeit immer beliebter. Daher erlebt auch die in den 1970er Jahren schon einmal bei Fassaden oft verwendete Ausführung als vorpatinierter Corten-Stahl ihre Wiederentdeckung. Da das Plattenmaterial bei entsprechender Bodenverankerung sehr schmal sein kann, ist sein Einsatzbereich sehr vielfältig.

Bei flächenbündiger Verarbeitung können die jeweiligen Anschlussfugen fantasiereich gestaltet werden: als schmale oder breite Lücke, mit einem Pfosten aus kontrastierendem Holz, durch kleine, gemauerte Pfeiler oder auch mit gerahmten Loch- oder Wellblechen. Ist genügend Tiefe für die zu setzende Wand vorhanden, können die Stahlplatten auch schräg versetzt angeordnet werden, sodass Licht, Luft und gegebenenfalls auch Pflanzen seitlich hindurch können, sie bei frontaler Sicht jedoch als geschlossen erscheinen. Massive Wände als Abgrenzung bieten durch ihre freie Formgebung die individuellsten Lösungen. Aber Vorsicht: Hier ist ein ausreichend dimensioniertes Fundament unabdingbar, genau so wie eine vorangehende Einholung von eventuellen gesetzlich notwendigen Genehmigungen. Mit Kalksandsteinen lassen sich Rundungen, reliefartige Faltungen, aber auch gezielte Lochaussparungen relativ einfach als Grundgerüst erstellen. Der Verputz kann beliebig farbig gestaltet werden, sei es durch einen gleichmäßigen Anstrich, lebendig wirkendes Schlämmen oder direkte Farbbeimischungen. Ein wetterfester Anstrich kann bei wechselnden Geschmäckern auch mal schnell durch eine andere Farbe ersetzt werden, sollte aber immer im Bezug zum Haus und der Einrichtung stehen, um nicht als optisch störender Fremdkörper wahrgenommen zu werden. Gemauerte Wände sind auch sinnvoll, wenn man die Funktion des Sichtschutzes mit der einer Feuerstelle und/oder eines Wasserspiels ergänzen möchte, wenn eine Sitzgelegenheit integriert oder eventuell ein Höhenversprung mit einer Stufenanlage dazu kombinieren werden soll. Die zweite Ausführung einer massiven Wand stellt der Werkstoff Beton dar. Hier kommt es maßgeblich auf die Schalung an, welche Wirkung am Ende erzielt werden soll. Bei sehr glatter, homogener Oberfläche ist es ratsam, Fugen und Armierungspunkte exakt zu planen. Anders bei amorphen Schalungsplatten. Für den Außenbereich sehr wirkungsvoll ist Einschalung mit sogenannten Rindenschnitten. Diese werden vertikal mit der Schnittseite dicht an dicht auf die Schalungsplatten befestigt, sodass beim Ausschalen die Oberfläche antiken Säulen ähnliche Kanneluren aufweist, jedoch mit sichtbarer Rindenmaserung und Astschnitten. Durch die raue Oberfläche bildet sich relativ schnell eine natürliche Bemoosung, die den Beton quasi der Natur zurückgibt. Eine andere Möglichkeit ist die des Stampfbetons. Hier wird in mehreren Arbeitsgängen unterschiedlich angerührter Beton, eventuell auch eingefärbt, in die Schalung eingebracht und bewusst unregelmäßig verdichtet. Beim Ausschalen entsteht eine homogene Oberfläche, jedoch mit lebendiger Optik durch die unterschiedlichen Schichtlagen. Für kleine Lösungen, die zugleich oder vornehmlich dekorativen Charakter haben, eignen sich auch Flächenleuchten, zumeist auf Wandfüßen. Hierfür ist aber gegebenenfalls ein Elektroanschluss im Boden einzuplanen. Das gleiche gilt für freistehende Flächenbrunnen mit Auffangbecken, die zumeist ebenfalls illuminiert sind. Wer weder die Zeit hat, auf einen dichten Heckenbewuchs zu warten, den Sichtschutz lokal variabel halten möchte, keinerlei Baumaßnahmen in Kauf nehmen oder nur minimalen Platz opfern möchte, für den gibt es auch eine Lösung: Kästen in verschiedenen Breiten, mit geringer Tiefe und unterschiedlichen Höhen. Sie sind bereits bestückt mit Buche, Efeu oder anderen rankfreudigen und dicht wachsenden Pflanzen, welche über ein integriertes Spalier hochgezogen und entsprechend geschnitten wurden. In Verbindung mit dem rasend schnell verlegten Rollrasen hat man hier in kürzester Zeit aus einer braunen Brache einen geschützten Garten gemacht.

TEXT: Rainer Güntermann

Fotos: Marianne Majerus | „Sichtschutz und Raumteiler“| www.bjvv.de,
Jürgen Becker | „Sichtschutz und Raumteiler“| www.bjvv.de,
Marion Brenner | „Sichtschutz und Raumteiler“| www.bjvv.de,
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