DIE TALBOTHÖFE

Sozialer Wohnungsbau – ein Reizwort, welches man mit heruntergekommenen Plattenbauten aus den 1960er und 1970er Jahren verbindet. Verdichtete Bauweise, unnutzbares Abstandsgrün und wenig Wohnqualität. Restaurierte Altbauten aus der Jahrhundertwende bis zu den 1920er Jahren jedoch wecken Assoziationen an vornehme und entsprechend hochpreisige Wohnungen, an sogenannte 1A-Lagen und ein dementsprechendes Umfeld. Im Aachener Norden wird gerade ein Projekt fertiggestellt, das einen lehrt, umzudenken.

 

Bereits vor über drei Jahren haben wir in der zweiten Ausgabe der AQUIS CASA über die Umnutzung der ehemaligen Talbot-Fabrikantenvilla an der Jülicher Straße in Aachen berichtet. Schräg gegenüber sind nun die Arbeiten an der vormaligen Siedlung für die Talbot-Fabrikarbeiter in der Endphase angekommen. Im Jahr 1860 war die Produktion der 1838 von Johann Hugo Jacob Talbot und dem Brüsseler Kutschenfabrikanten Pierre Pauwls gegründeten Personen- und Güterwagenfabrik an die Jülicher Straße verlegt worden. Dort verfügte man über einen notwendigen Gleisanschluss und genügend Areal für eine weitere Ausdehnung. Durch Firmenzukäufe und die Entwicklung des „Selbstentladers“ mit weltweiter Vermarktung wuchs die Belegschaft stetig. Waren es 1900 noch 400 Mitarbeiter, stieg ihre Zahl in den 1920er Jahren auf das Dreifache. Das erforderte aber auch entsprechenden Wohnraum. Die damals bei Großunternehmen noch selbstverständliche Mitverantwortung für eine firmennahe Unterkunft in werkseigenen Wohnungssiedlungen mit Freiflächen zur Erholung veranlasste auch die Familie Talbot, ein entsprechendes Areal auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu kaufen, um dort ab 1922 eine Arbeitersiedlung zu errichten. Anders als vielleicht bei Bergarbeitersiedlungen aus dieser Zeit, deren Fassaden oft aus Ziegelsteinen bestand, legte man hier Wert auf ein „gehobenes“ Äußeres mit zeittypischen Stuckverzierungen und handwerklich aufwendigen Türarbeiten. Mag man diese Art des Vorläufers eines sozialen Wohnungsbaus auch mit dem Begriff soziale Kontrolle des Arbeitgebers über seine Angestellten negativ besetzen –schließlich verlor man mit dem Arbeitsplatz auch seine Wohnung- , so überwogen doch die Vorteile für die Arbeiter: Direkte Anbindung an den Arbeitsplatz, Grünanlagen mit ausreichend Licht und Luft, gemeinschaftliches Leben auch außerhalb des Arbeitsplatzes und somit der damals noch unbekannte Begriff des Wohlfühlcharakters.

 

große Gemeinschaftsflächen zum Spielen, Treffen und Relaxen

Nach heutigem Verständnis kann man noch hinzufügen, dass eine geringe Entfernung zum Arbeitsplatz auch eine tägliche Zeitersparnis bedeutet, die wiederum der Freizeit und somit der Erholung zugute kommt, ganz abgesehen von jeglicher Energieeinsparung. Nun sind aus diesen alten Werkswohnungen sehr moderne, größtenteils barrierefreie Behausungen geworden, deren Hauptausrichtung trotz der originalgetreu restaurierten Fassaden jedoch nicht mehr die Jülicher Straße ist, sondern durch moderne Anbauten mit raumhohen Fenstern und Türen die südlich ausgerichtete, ehemalige Hof- und jetzt Gartenseite. Zu den hier entstandenen Freiflächen mit kleinen Privatgärten und großen Gemeinschaftsflächen zum Spielen, Treffen und Relaxen orientieren sich alle Wohnungen, die nun modernstem Standard entsprechen. Im Gegensatz zu früher sind aber auch jetzt die ehemaligen Rückfronten gleich der Fassade verputzt und geschlämmt, die Anbauten markant farblich abgesetzt. Hinter die straßenseitig geschlossenen Altbausubstanz wurden in einigem Abstand vier Blockhäuser gebaut, wodurch die Anzahl der Mietwohnungen von 67 auf 104 erhöht werden konnte. Der Anteil an Wohnungen für Besitzer eines Wohnberechtigungsscheins beträgt in den Altbauten nahezu 75 Prozent, in den Neubauten immerhin noch die Hälfte. Eine gemeinsame Tiefgarage für die gesamte Talbotsiedlung verbindet unterirdisch die einzelnen Bauteile.

Die Durchmischung der Bewohner ist auch das spannende und durchaus herausfordernde an dem Bebauungskonzept für den Aachener Norden. Mit der Inbetriebnahme eines eigenen Blockheizkraftwerkes für die gesamte Wohnanlage will die gemeinnützige Wohnungsbau-Gesellschaft Gewoge Aachen als Auftraggeber und Betreiber auch energietechnisch den Weg in die nachhaltige Zukunft weisen. Auf diese Weise schließt sich auch der Kreis zum ehemaligen Talbot-Werksgelände auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dort entstand nach Schließung der Fabrik durch den Nachfolger Bombardier im Jahre 2013 und einem heftigen, von der Aachener Bevölkerung mitgetragenen Arbeitskampf, die neue Firma Talbot Services GmbH. Diese setzt mit der Produktion des Streetscooter nicht nur deutschlandweit Maßstäbe. Heute wird hier das Elektromobil im Auftrag der Deutschen Post, welche die Lizenz gekauft hat, gebaut. Ein größeres Nachfolgemodell ist derzeit in Planung und wird das Thema Nachhaltigkeit in Verbindung mit dem Namen der Stadt Aachen weiter in das Bewusstsein rücken. Auch die in zurückliegenden Ausgaben der AQUIS CASA beschriebene Umnutzung des ehemaligen Straßenbahndepots Talstraße und die Gründung des Digital Hub in der einstigen Elisabethkirche sind Mosaiksteine in der Neuerfindung und zukunftsorientierten Ausrichtung des Aachener Nordens nach all den Jahren seiner Vernachlässigung.

TEXT: Rainer Güntermann
FOTOS: Rainer Güntermann

DAS NEUE BAD -Fitnessstart in den Morgen Wellnessausklang am Abend-

Nasszelle – dieses Wort hat scheinbar immer noch nicht ausgedient, betrachtet man den Großteil der heutigen Badezimmer. Und damit meine ich nicht nur jene, oft diversen Zwängen ausgesetzten, Mietwohnungsbäder. Auch in Privathäusern oder Eigentumswohnungen steht die umgesetzte Realität oft in krassem Missverhältnis zu möglichen Alternativen. Vielleicht scheitern aber auch viele Eigentümer eben an dieser immensen Auswahl und wählen die einfache und stilsichere Boden-in-grau und Wand-in-weiß – Lösung. Aber nur Mut – wir geleiten Sie in dieser und den nächsten Ausgaben sicher durch den Auswahl-Dschungel. Zu Anfang ein paar Grundüberlegungen.

 

Beginnen wir mit dem Boden. In Zeiten von Silikon und Hightech-Oberflächen braucht niemand mehr Angst vor Nässe zu haben, von Rutschgefahr einmal abgesehen. Steinzeugdielen mit täuschend echter Holzoptik, sei es rustikal mit Astlöchern oder clean wie Parkett, schaffen direkt eine wohnlichere Atmosphäre, lassen den Übergang in den Nassbereich nicht so abrupt erscheinen und sind –sofern die Fugengestaltung nicht alles wieder zunichte und lächerlich macht- durchaus stilistisch erlaubt. Jedoch sollte man sich hüten vor jedweden Platten-Lösungen, auf denen schon einzelne Elemente zusammengefügt und nur die Fugen zwischen diesen Platten real sind, jene innerhalb der Platte aber nur angedeutet. Ein Parkett aus Steinzeugfliesen sollte wie das Original aus Holz ebenfalls nur aus einzelnen Elementen bestehen, die zu einer Gesamtoptik zusammengefügt werden. Bei entsprechend ausgerüstetem Untergrund kann dann auch auf breite Zementfugen verzichtet und alles dicht an dicht verlegt werden. Aber warum sollte man auf Echtholz im Bad verzichten? Schließlich sind auch im Bootsbau die Außendecks oft genug aus Holz gefertigt. Fachmännisch verklebt und versiegelt trotzen sie Wind und Wetter, selbst dem aggressiven Salzwasser. Wenn man auf Nummer doppelt sicher gehen will, kann man auf ein Echtholzparkett im Bad bei entsprechender Raumgröße auch wasserdichte „Inseln“ legen. Eine zumindest dreiseitig freistehende Wanne kann zum Beispiel auf einer Cortenstahl-Platte platziert werden, einem vorgerosteten, aber imprägnierten Material mit wunderbarer Patina. Der Kontrast wird um so größer, je kleinteiliger, ja auch verspielter das darunterliegende Parkett ist. Eine solche Lösung verlangt aber nach frühzeitiger Planung bezüglich Plattengröße, Transport und gegebenenfalls notwendigen Lochbohrungen für Leitungen. Eine perfekte Inszenierung wäre dann die Weiterführung des Plattenmaterials, in dem es in diesem Bereich auch an der Wand hochgezogen wird.

Apropos Versiegelung: Dem ohnehin feuchteren Raumklima der Badezimmer sollte man möglichst viele unversiegelte Flächen entgegenstellen. Weder komplett wanddeckende noch raumhohe Kachelungen oder auch nur Lackierungen sind spritztechnisch notwendig oder optisch reizvoll. Besser sind Fliesen-, Glas- oder Lackspiegel im Umfeld der jeweiligen Sanitärobjekte mit sinnvoller Ausdehnung nach oben und zu beiden Seiten, ähnlich den klassischen Kachelspiegeln hinter der Küchenarbeitsplatte mit Herdplatten und Spüle. Dadurch können gezielt Glanzpunkte gesetzt werden – im wahren Wortsinn. Durch diesen akzentuierten Einsatz verkleinert sich die versiegelte und erhöht sich der Anteil der atmungsaktiven Fläche. Diese Akzentuierung erlaubt dann auch expressivere Materialien, Oberflächen und Farben, fordert diese förmlich ein. Dabei sollte man sich nur nicht von aktuellen Modefarben verleiten lassen. Auch das sogenannte Alibi-Rot ist brandgefährlich. Auf Dauer sind diese Farben genauso wenig von Dauer wie die Mode selbst. Aber: Eine Wand, ein Pfeiler oder eine Decke sind schnell neu gestrichen, eine gekachelte oder geflieste Wand erfordert einen ungleich höheren Aufwand bei einer gewünschten Farbänderung. Also doch besser Wand-in-weiß? Nein! Welche unverzichtbaren Accessoires finden Einzug in das neue Bad? Welche Lieblings-Textilien kommen zum Einsatz? Welche Leuchten sind schon vorhanden oder bereits ausgewählt? Gibt es Bilder oder Ähnliches? Aus all diesen Komponenten ergibt sich oft automatisch eine Farbskala, die es nur zu komplettieren oder zu komplementieren gilt. Und keine Angst vor dunklen Flächen. Gerade dunkle Farben wirken umso mehr, je kleiner die Räume sind, da sie ihm den Charakter eines wertvollen Schmuckkabinetts geben. Da Bäder naturgegeben die bestausgeleuchteten Räume der Wohnung sind oder zumindest sein sollten, ist daher auch bei schwarzen Kacheln genug Licht vorhanden.

Wie in Wohnräumen sollte man aber auch im Bad nach der Maxime handeln, nicht zu viel unterschiedliche Materialien zu verarbeiten, nicht mehr als zwei verschiedene Breiten und Höhen markant gestalteter Felder zu planen, nicht zu viele Versprünge in der Wand- oder Deckenoberfläche zuzulassen. Trockenbauer sind Meister im Verkleiden von störenden Leitungen und dergleichen. Aber oft sind Aufdickungen durch Übereinanderlegen von Platten sinnvoll, um durchgehende Oberflächen zu erhalten anstelle eines Gipsreliefs. Hat man auf diese Weise Wandfelder erhalten, die vielleicht durch ihren Rücksprung nach Akzentuierung rufen, sind auch kleinteilige Mosaike eine sinnvolle und ansprechende Lösung. Durch die Kleinteiligkeit der Steinchen erhält das Feld auch eine optische Weite. Es gibt diese Mosaike aus Keramik in matt oder glänzend, aber auch aus Glas, zuweilen mit eingeschmolzenem Blattgold beziehungsweise Schlagmessing oder Goldstäbchen wie bei Bergkristallen mit rotilen Einschlüssen. Damit lassen sich verschiedenste optische Stimmungen erreichen. Eine interessante und wahrlich individuelle Lösung wird inzwischen von verschiedenen Firmen angeboten: Nach einem selbst ausgewählten Foto wird per Computer ein Mosaik nach Wunschmaß errechnet, auf einzelne Kachelplättchen gedruckt und exakt ausgerichtet auf ein Netz geklebt, welches dann an Ort und Stelle auf die Wandfläche aufgebracht und verfugt wird. Der Motivauswahl sind nicht nur in diesem Zusammenhang keinerlei Grenzen gesetzt.

Bei Wanne oder Dusche scheiden sich die Geister

Viele Sanitärobjekte-Hersteller nehmen den bei den Küchenherstellern schon seit Langem im Trend liegenden Einsatz von Modulsystemen auf. Das heißt, nicht mehr nur WC, Waschtisch und Wanne gehören zu einer Designlinie, sondern ganze Badmöbel. Die früher „nackt“ hängenden Waschbecken oder mit Wandkacheln kaschierten Badewannen werden in eine einheitliche Hülle integriert, aber durch ihre separate Platzierung zu Möbel-Solitären. Dazu passende Schränke –oft auch zum Hängen- komplettieren den Wohncharakter. Die oft klinisch-glatte Haptik mit ihren glänzenden Oberflächen kann aber auch zuweilen den berühmten Bruch vertragen, der aber einen geübten Umgang damit voraussetzt. Wie in der textilen Mode bricht ein kleines Accessoire in Material, Farbe oder Stil die bestehende Uniformität auf, bringt eine gewisse Spannung in die bisher eventuell langweilige Atmosphäre und sorgt gegebenenfalls auch für eine lockere Heiterkeit. Dies alles aber jenseits irgendwelcher schlüpfrigen Assoziationen.

Beim Thema Dusche oder Wanne scheiden sich bekanntlich die Geister. Es gibt bekennende Bader, es gibt eingefleischte Duscher. Lässt man einmal den ökologischen Aspekt außer Acht, ist ein entspannendes und entspanntes Wannenbad durch Nichts zu ersetzen. Daher wird dieses kleine Homespa auch vornehmlich abends genutzt. Die gemütliche Wanne ist auch gar nicht bestrebt, der schnellen Morgendusche Paroli zu bieten. Selbst wenn sie seltener benutzt wird, so stellt sie als größtes Badmöbel dennoch das Glanzstück des Raumes dar. Entsprechend gebührend sollte sie auch platziert werden. Die schönsten Modelle haben aber genau aus diesem Grund leider meistens keine Ablage. Die ist jedoch notwendig, um bei einem entspannenden Bad die Möglichkeit zu haben, Buch, Brille, Wasserglas, gegebenenfalls Handy, vielleicht Kerzen und, nicht zu vergessen, Pflegeartikel in Griffnähe zu haben. Nur dann wird das Wannenbad zu einem Wellnessaufenthalt. Natürlich kann diese Funktion auch ein klassischer Beistelltisch übernehmen. Bei der Dusche geht der Trend immer mehr in Richtung einer offenen Lösung ohne Tür, geschweige denn Vorhang, denn selbst eine kleine, aber offene Duschecke kann oft mehr Bewegungsfreiheit bieten, als eine größere, geschlossene Kabine. Darüber hinaus entfällt der unangenehme Moment des Türöffnens, wo man meint, in einen Großraumkühlschrank zu treten.

In diesem Raum beginnt der Tag. Und endet dort auch.

Auch für Shampoo- oder Seifenreste beliebte Scharniere, Anschlussschienen oder Dichtungslappen entfallen. Selbst für einen nachträglichen Einbau werden spezi­elle Duschtassen in verschiedensten Variationen für die offene Lösung angeboten. Verzichtet man auf die ohnehin pflegeintensivere Glasabtrennung und setzt stattdessen, zumindest bis in eine entsprechende Höhe, eine schmale Ständerwand, können in dieser auch Wasser- und Elektroleitungen für beiderseitige Anschlüsse untergebracht werden, ohne aufwändige Stemmarbeiten in den Raumwänden ausführen zu müssen. Dies ermöglicht eine völlige Neustrukturierung und Platzoptimierung des Bades.

Wird die Annehmlichkeit einer gemütlichen Badewanne oft unterschätzt, so sollten aber alle anderen Badezimmer-Posten einer gemeinsamen Nutzungs-Überprüfung unterzogen werden. Ist das zweite Waschbecken notwendig, oder ist jeweils nur eine Person „beschäftigt“? Wird ein Bidet ausreichend genutzt? Ist man der All-in-one-Typ, oder verlagert man das WC in einen extra Raum? Möchte man aufgrund der Haushaltsgröße vielleicht beides? Ist aufgrund der Haushaltszusammensetzung eventuell ein Deckelurinal sinnvoll? Welche Artikel möchte ich unbedingt im Bad untergebracht haben und in welcher Größenordnung? Manchmal entstehen aufgrund eines solchen Check-ups ganz neue Perspektiven bezüglich der grundsätzlichen Badausstattung.

Wie auch immer ihr Bad zusammengesetzt ist oder sein wird, es ist zu bedenken, dass in diesem Raum unser Tag beginnt und auch endet. Daher hat sein Erscheinungsbild tagtäglich einen nicht unerheblichen Einfluss auf unsere Gemütslage. Nach einer unruhig verlaufenen Nacht kann der morgendliche Schritt in ein einladendes Bad-Ambiente die Laune heben und zumindest die Voraussetzung für einen guten Tag schaffen. Ist dieser dennoch suboptimal verlaufen, bietet uns ein behagliches Bad am Abend die Möglichkeit, all dies hinter uns zu lassen und unseren Körper und Geist in wohltuender Atmosphäre zu verwöhnen. Behandeln wir also die ehemalige Nasszelle mit dem ihr gebührenden Respekt und verwandeln sie in eine Wohlfühloase von morgens bis abends.

 

 

 

 

 

 

 

 

TEXT: Rainer Güntermann

FOTOS: Bette GmbH & Co. KG | hansgrohe | www.hansgrohe.de | Bukoll | Sabine Jakobs | Dornbracht | www.dornbracht.com |  JASBA | www.jasba.de |  Geberit | www.geberit.de | Villeroy & Boch |

TERMINVEREINBARUNGEN BEI BAULEISTUNGEN

Melanie Bentz Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht

Melanie Bentz

Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht

Bei der Durchführung von Bauleistungen ist für den Auftraggeber – oft aber auch für den Auftragnehmer – der Zeitfaktor von besonderer Bedeutung. Wer entweder neu baut oder aber ein Bestandsobjekt umfassend saniert, möchte nicht nur eine schnellstmögliche Fertigstellung der Baumaßnahme, sondern auch Planungssicherheit hinsichtlich des Fertigstellungstermins.

Der Auftraggeber benötigt im Vorfeld einen verbindlichen Fertigstellungstermin, um disponieren zu können: Andere Handwerker müssen so koordiniert werden, dass es keinen Stillstand auf der Baustelle gibt bzw. die bisherige Wohnung muss gekündigt werden. Der Auftragnehmer benötigt ebenso Planungssicherheit, um Folgeaufträge annehmen zu können und Leerlauf im eigenen Betrieb zu vermeiden.

Bei der Vereinbarung von konkreten Leistungsterminen ist zu beachten, dass die Regelung aus sich heraus verständlich, klar und transparent formuliert wird.

Es kann ein kalendarisches Datum angesetzt werden, zum Beispiel Fertigstellung der Estricharbeiten am 30. September 2018. Ebenso ist es möglich, einen bestimmbaren Endtermin zu vereinbaren (Beispiel: schlüsselfertige Errichtung des Objektes binnen zehn Monaten nach Erlass der Baugenehmigung). Im letztgenannten Fall lässt sich der konkrete Endtermin problemlos berechnen.

Nach Ablauf des vereinbarten Fertigstellungstermins gerät der Auftragnehmer ohne weitere Mahnung in Verzug.

Von allzu komplizierten Regelungen sollte Abstand genommen werden. Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied bereits am 27.7.2016 (22 U 54/16 – IBR 2017, 242), dass mit „oder“ beziehungsweise „und/oder“ verknüpfte Formulierungen zur Bezeichnung eines vertraglichen Fertigstellungstermins bereits für sich betrachtet weder hinreichend klar noch verständlich sind. Die in Rede stehende Klausel definierte den Fertigstellungstermin als den Zeitpunkt, an dem das Objekt „generell nutzungsfähig erstellt oder nutzungsfähig ist, um Eigenleistungen auszuführen und/oder wenn das Haus bezogen werden kann und/oder wenn eine Bauzustands­- besichtigung gemäß § 82 BauO NRW durchgeführt werden kann“.

Dass diese Formulierung nachträglich zu Unstimmigkeiten der Parteien führte, dürfte nicht weiter überraschen. Welcher Termin sollte denn als maßgeblich und verbindlich gelten?

Auch wenn im Bauvertrag keine Fristen vereinbart werden, bedeutet dies nicht, dass der Auftragnehmer „alle Zeit der Welt“ hat. Vielmehr ist er verpflichtet, die Herstellung in angemessener Zeit zügig zu Ende zu führen.

Wie lange diese „angemessene Zeit“ ist, lässt sich nicht generell bestimmen. Dies hängt unter anderem von Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen ab. Im Streitfall wird ein Gericht ein baubetriebliches Sachverständigengutachten einholen.

Wichtig ist allerdings, dass bei Fehlen eines vereinbarten Fertigstellungstermins der bloße Ablauf des angemessenen Zeitraums für die Bauausführung zwar zur Fälligkeit der Bauleistung führt, jedoch keinen Verzug des Auftragnehmers begründet. Der Auftraggeber hat eine Mahnung auszusprechen, um den Auftragneh­mer in Verzug zu setzen.

Im Zuge der Reform des Bauvertragsrechts wurde nur für den Verbraucherbauvertrag (§§ 650 i – 650 n BGB) die gesetzliche Verpflichtung für den Auftragnehmer begründet, verbindliche Angaben zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Werks zu machen.

Damit bleibt es auch nach der Gesetzesnovelle dabei, dass die Vertragsparteien den Fertigstellungstermin für die beauftragten Leistungen vertraglich vereinbaren müssen, um Planungssicherheit zu erhalten und aus einer eventuellen Terminüberschreitung weitergehende Rechts – zum Beispiel durch Vereinbarung einer Vertragsstrafe – herleiten zu können.

 

 

TEXT: Melanie Bentz Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht

DER Hygge HOME HYPE

Alle 10 bis 20 Jahre geistert ein neuer Begriff für einen neuen Wohnstil durch die Gazetten, inzwischen selbstredend auch durch alle digitalen Kanäle. Immer dann, wenn der allgemeine Trend zu mehr Sachlichkeit, Schlichtheit und somit weniger Opulenz neigt, entsteht gefühlt über Nacht eine regelrechte Gegenbewegung, die uns wieder zurück zu unserer urdeutschen Gemütlichkeit führen möchte. In den Memphis- und Mendini-geprägten 1980er Jahren war es die Nostalgie-Welle (Intellektuelle –weil André-Heller-Fans- sprachen frankophon-näselnd von Nostalschie-Welle). Zu Anfang der 2000er wurden wir dann mit dem englischen Begriff Cocooning gedrängt, uns in unsere vier Wände zurückzuziehen, natürlich nachdem wir diese umfangreich umgestaltet und muckelig neu möbliert hatten. Jetzt ist die Zeit wieder reif für ein neues Wohn-Wohlgefühl, und zur Abwechslung haben sich die Einrichtungs-Trendsetzer dieses Mal des skandinavischen Wortschatzes bedient. Hygge heißt das neue Zauberwort. Was sich wie ein neues Schwedenregal anhört, ist aber nur der Oberbegriff einer ursprünglich dänischen Auffassung von Gemütlichkeit. Dass die Skandinavier eigentlich nur ein Gefühl umschreiben und nicht einen konkreten Wohnstil, lassen wir mit unserem deutschen Verlangen nach immer neuen Vorbildern gern außer Acht. Wir machen direkt Nägel mit Köpfen. Erscheint am fernen Horizont eine neue Sportart, decken wir uns direkt ein mit den Must-Haves der dafür angesagten Bekleidung. Wird irgendwo ein hipper Ernährungsstil kreiert, statten wir uns direkt mit dem kompletten für die Zubereitung nötigen und unnötigen Technik-Equipment aus. Jetzt also hyggt man, und es reicht uns nicht, für dieses Wohlgefühl unseren Kopf neu einzurichten, sondern wir brauchen handfestes Material in Form von gemütlichen Möbeln und vor allem heimelnden Accessoires. Ist die Welt außerhalb unseres Zuhauses unwirtlich und abweisend, richten wir uns halt eine heiles Heim ein, hyggen das Haus sozusagen, und alles ist gut. Hygge statt Schwamm drüber, und schon sind alle Sorgen vergessen. Wir ergeben uns in Bullerbü-Romantik und blenden den Rest aus. Wobei wir ja spät dran sind – scheinbar. Denn plötzlich sticht uns der Begriff nicht nur auf den Titelseiten der einschlägigen und –fältigen Wohnmagazine ins Auge, sondern auch in der Abteilung „Living“ des sogenannten gut sortierten Buchhandels entdecken wir gleich eine ganze Schar von Hygge-Ratgebern mit unzähligen gehyggten Wohnungen, in denen bereits seit langem und ganz selbstverständlich gehyggt wird. Da wird es höchste Zeit, dass auch wir uns von unseren nüchternen und klaren Interieurs verabschieden und ebenfalls mithyggen. Also: Auf die Plätze, fertig, Hygg!

von Rainer Güntermann

Veröffentlicht unter Glosse

Cyber Risiken lauern auch im privaten bereich!

Cybercrime, also durchs Internet oder Netzwerke begangene Straftaten, sind längst fester, bedauerlicher Bestandteil unserer Gesellschaft geworden. Das Bundeskriminalamt veröffentlichte in seinem Bericht zur Bundeslage fast 65.000 Fälle in 2017 – und das sind nur die Fälle, die auch zur Anzeige gebracht wurden! Die Spielarten der Cyberkriminalität sind inzwischen sehr vielseitig und reichen vom Datendiebstahl bis hin zur digitalen Erpressung. Die Medien berichten inzwischen regelmäßig von Fällen, bei denen große Konzerne gehackt wurden – aber auch kleine und mittelständische Firmen, wie auch private Haushalte sind beliebte Ziele für Angriffe, da Datenmaterial hier im Regelfall schlechter oder gar nicht geschützt ist. Die finanziellen Folgen eines solchen Angriffs können schnell in die Tausende gehen.

Cybercrime kann inzwischen jeder! Geschädigt werden auch!

Fallen die Begriffe „Hackerangriff“ und „Cybercrime“, denken viele automatisch noch an eher verschrobene Technikfreaks mit laxen Moralvorstellungen, die im Keller sitzen und das Tageslicht scheuen. Mag dieses Bild in den frühen Tagen der Hackerszene vielleicht noch korrekt gewesen sein, hat sich die Welt seit den 80er Jahren doch gewaltig geändert. Ging es früher in erster Linie darum zu zeigen, was technisch möglich ist und dies evtl. mit einem (zumeist) harmlosen Scherz zu verbinden, steht heute meist mutwillige Schädigung im Mittelpunkt solcher Aktivitäten. Es bedarf heute auch keiner besonderen Finesse im Umgang mit dem Computer oder ausgefeilten Programmierkenntnissen, um als Täter aktiv zu werden.
Auch Sie selbst könnten theoretisch innerhalb von 24 Stunden eine cyberkriminelle Laufbahn starten. Die nötigen Tools und Anleitungen sind in einschlägigen Foren schnell gefunden und heruntergeladen. Der einfache Zugang zu benötigtem Equipment und Informationen lässt erwarten, dass die Zahl der Täter von Jahr zu Jahr steigen wird. Hierbei steht dann nicht unbedingt das Ziel im Vordergrund, sich zu bereichern (zum Beispiel direkt über Missbrauch erbeuteter, fremder Kreditkartendaten oder indirekt über den Verkauf erbeuteter Daten). Auch der Anteil ideologischer Hacker erlebt einen gewaltigen Zulauf, ebenso wächst die Gruppe der „Script Kiddies“, der Heranwachsenden, die aus jugendlicher Dummheit heraus mit ihren Kenntnissen Schaden anrichten. Grundsätzlich könnte jeder zum Täter werden. Grundsätzlich kann jeder Haushalt betroffen und geschädigt werden und gegebenenfalls auch als „unfreiwilliger Helfer“ schadenersatzpflichtig gemacht werden, wenn Dritte dadurch geschädigt werden, dass man bei Ihnen an deren Daten kam. Die finanziellen Folgen, die Ihnen aus einer Cyberattacke direkt oder indirekt entstehen können, dürfen Sie keinesfalls unterschätzen.

Auch die Smart Home Technologie beinhaltet enorme Risken

„Sichere“ Systeme gibt es schon per se nicht. Hard- und Software haben schon vor vielen Jahren eine Komplexität erreicht, bei der Fehlerfreiheit nicht garantiert werden kann. Dies gilt auch für professionelle Systeme, in die exorbitante Summen für Tests und Updates investiert werden. Das bedeutet zugleich, dass vermeintliche „Smart Home-Schnäppchen“ schnell zum Sicherheitsrisiko werden. Manche Geräte verfügen nicht einmal über eine Möglichkeit zum Update. Andere wiederum sind ab Werk unzureichend konfiguriert, was für den ungeübten Nutzer kaum erkennbar ist.

Schadenbeispiel:
Bei einem Privathaushalt gab es eine Web-Überwachungskamera, die es ab Werk Unbefugten ermöglichte, über das Internet auf Kamerabild und Ton zuzugreifen. Zudem konnten Dritte über die Geräte Kennwörter für WLAN, E-Mail und FTP-Zugang des Nutzers abrufen. Leider ist so etwas kein Einzelfall. Leider gibt es bislang keine verbindlichen Standards. Auch nicht für Geräte, die in der unmittelbaren Privatsphäre der Verbraucher eingesetzt werden, wie die besagte internetfähige Kamera. Dabei können solche Sicherheitslücken von Kriminellen genutzt werden, um über das Internet Hausbesitzer aus der Ferne zu beobachten und den richtigen Zeitpunkt für einen Einbruch abzupassen. Im besten Fall sollten die Geräte mit einer neutralen Zertifizierung oder einem Produktsiegel gekennzeichnet werden, das zeigt, welche Produkte vorher festgelegte und normierte technische Mindeststandards für die Cybersicherheit erfüllen. Viele Nutzer spielen Updates nicht ein oder verwenden die Standardkennwörter, die der Hersteller bei Auslieferung gesetzt hat. Und so spielt das Thema Cybersicherheit beim Kauf der Geräte für viele Kunden auch keine entscheidende Rolle: Gekauft wird meist über den Preis – und der muss niedrig sein. Dass ein Plus an Sicherheit Geld kostet, wollen viele Verbraucher nicht wahrhaben. Das hat Folgen: Wenn Hersteller aus Kostengründen gar keine Sicherheitsupdates anbieten oder auf die hierfür notwendigen Schnittstellen verzichten, beginnt der sicherheitstechnische Verfall schon vor der Auslieferung. Deshalb achten Sie auf Hersteller, die qualitativ hochwertige Smart Home Produkte anbieten.

Es gibt Versicherungsschutz, der entstandene Schäden und Folge von Hacker-Angriffen auf Smart-Home-Systeme finanziell absichert. Versichert werden können zum Beispiel folgende Risiken:

-Smart-Home-Schutz bei Cyberangriffen: versichert sind Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungskosten nach Cyberangriffen auf Smart-Home- Geräte bis zur Höhe des Neuwertes oder Energiemehrkosten durch Cyberangriffe. n Betrug beim Online-Shopping (EU): Betrugsfälle bei Kauf und Verkauf im Onlinehandel in der EU, die Erstattung des Kaufpreises oder die Erstattung des Zeitwertes (begrenzt auf den Verkaufspreis) bei Warenkauf. n Attacken beim Online-Banking: versichert sind Schäden, die durch die unbefugte Verwendung von Kredit-, Bank-, Debitkarten, privater Online-Banking-Daten oder eines sonstigen elektronischen Bezahlsystems mit Bank-Funktion (z.B. PayPal, Google Pay, Apple Pay, NFC-Bezahlsysteme) infolge von Phishing etc. enstanden sind, sowie die Erstattung der dafür entstandenen Gebühren für Austausch oder Wiederbeschaffung von Zahlungskarten und Identitätsdokumenten n Versicherungsschutz bei Cyber-Mobbing: zum Beispiel anwaltliche Erstberatung: Versichert sind Kosten für die anwaltliche oder psychologische Erstberatung bei freier Wahl des Anwalts bzw. Psychologen oder jeweils die Beratung über Hotline. n Daten- und Identitätsmissbrauch: versichert sind Schäden durch missbräuchliche Verwendung von Zugangsdaten infolge von Pharming oder Phishing bei privat genutzten Online-Kundenkonten (zum Beispiel amazon.de, ebay.de, Facebook, Microsoft Store, GooglePlay, Apple App Store & iTunes, Spotify, Sony Playstation Network, Nintendo eShop, Steam. Achten Sie beim Kauf auf die geeigneten Geräte und lassen Sie sich vor dem Kauf beraten!

TEXT: Michael Foellmer