Funktion ohne Funktion

Funktionskleidung

Kaum sind die Waldwege wieder frostfrei, die Feierabende nicht mehr ganz so dunkel und die Atemluft nicht mehr gar so eisekalt, sehen wir wieder taucherähnliche Geschöpfe in extra-slim-fitten Ganzkörper-Überziehern ihre Runden laufen. Mitleidsvoll Anteil nehmende Autofahrer bekommen die gleichen Blicke der Durchtrainierten wieder zurück und erleiden umgehend Bauchschmerzen aufgrund des aggressiv nagenden schlechten Gewissens. So weit – so gut, würde es nur bei den morgendlichen oder abendlichen Begegnungen im Grüngürtel bleiben. Aber auch sonntags früh beim Bäcker findet ein frisch geduschter Kunde in, sagen wir, gängiger Kleidung sich wieder zwischen martialisch anmutenden Athleten in einem Outfit, welches einen veritablen Triathlon noch vor dem Frühstückscroissant erwarten lässt, zuweilen legen aber Auge und Nase die Vermutung auch nahe, er sei schon vorbei. Einer Kriegsbemalung gleich zieren überall neonfarbene Leuchtstreifen die hautenge Verhüllung, um das ohnehin eingeschüchterte Umfeld nachhaltig zu beeindrucken. Ist für die kommenden acht Stunden auch nur im Promillebereich des Möglichen feuchter Niederschlag oder eine Brise im einstelligen Kilometer-pro-Stunde-Bereich angesagt, hält die Funktions-Oberbekleidung auch Einzug in das alltägliche Straßenbild, um jederzeit gegen alle Widrigkeiten eines Stadtbummels gewappnet zu sein. Aufdrucke mit Windstopper-Formeln und Wassersäulen-Grade werden gern als Information, aber zugleich auch als Beeindruckung des Gegenübers wie tätowiert auf Brust oder Ärmel getragen. Um einer Verwechslung oder Personenfahndung im einheitlichen Schwarz-Grau-Beige der so verkleideten Asphalt-Athleten vorzubeugen, wird auch gern eine farblich mutige Partnerausstattung gewählt, die den Wetterkampf im City-Dschungel direkt leichter und lustiger angehen lässt. Mit einem entspannten Lächeln gehe ich derweil ins Parkhaus und besteige mein saharataugliches SUV mit Elchfänger vorn, Weitwinkelstrahlern auf dem Dach und 50 Liter-Reservekanister am Heck, um mich nach dem Kauf von einem Deospray im Drogeriemarkt wieder auf den asphaltierten Heimweg zu machen. Dabei geht mir die Feststellung einer deutschen Kabarettistin durch den Kopf: Funktionskleidung im Alltag ist die Menopause der Oberbekleidung…

Text: Rainer Güntermann

Veröffentlicht unter Glosse

Verkehrssicherungspflicht

Achim Delheid
Fachanwalt für Verkehrsrecht Fachanwalt für Versicherungsrecht

Paragraphen-SymbolVerkehrssicherungspflicht – Nach Schnee und Eis ist es noch lange nicht vorbei mit der Verkehrs- sicherungspflicht für Eigentümer & Co.!

Der Winter geht, der Frühling kommt. Mit dem Winter enden auch die lästigen Verkehrssicherungspflichten, wie Schneeschippen und Salzstreuen. Oft vergessen wird in diesem Zusammenhang aber, dass Verkehrssicherungspflichten nicht nur das Räumen und Streuen im Winter betreffen, sondern jede Gefahr betreffen, die von einem Grundstück ausgehen kann.

Immer dann, wenn eine Gefahr für den Haus- oder Grundstückseigentümer erkennbar ist, die zum Beispiel im Bereich der Zufahrt zu einem Haus besteht oder wenn von Bestandteilen des Gebäudes eine Gefahr ausgeht, müssen zumutbare Maßnahmen getroffen werden, damit Passanten oder auch Gäste nicht zu Schaden kommen. Wenn sich zum Beispiel auf dem Gehweg oder im Eingangsbereich des Grundstücks glitschige Blätter befinden, ist damit eine gleichhohe Gefahr verbunden, wie glatter Untergrund durch Schnee und Eis. Auch hier sind die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Das Gleiche gilt für jede andere Gefahr, die vom Grundstück her stammt. Oft unterschätzt werden in diesem Zusammenhang Verkehrssicherungspflichten, die die auf dem eigenen Grundstück stehenden Bäume betreffen. Fällt ein solcher Baum zum Beispiel auf ein vor dem Grundstück stehendes Fahrzeug oder auf das Nachbargrundstück herüber und beschädigt dort Gegenstände oder verletzt Personen, stellt sich stets die Frage, warum dieser Baum umgestürzt ist.

Wenn der umgestürzte Baum vollständig gesund ist, werden regelmäßig keine Schwierigkeiten auftreten. Meistens ist dann ein Sturm oder ein ähnliches Ereignis vorangegangen, so dass höhere Gewalt für das Umstürzen verantwortlich sein kann.

Häufig ist zwar ein Sturm oder ein Gewittersturm der Anlass des Umstürzens, nicht aber die alleinige Ursache. Oftmals stürzen Bäume um weil sie krank sind.

Es kommt in diesem Zusammenhang nun darauf an, ob die Krankheit und die sich ergebenen Gefahren erkennbar waren. Hierbei stellt die Rechtsprechung immer auf den konkreten Einzelfall ab und hat eine recht sperrige Definition gefunden, mit der eine Verkehrssicherungspflichtverletzung beschrieben wird: Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu be.

Es stellt sich also die Frage, ob ein Baum krank war und ob dies für den Eigentümer erkennbar war. Hierbei ist wichtig zu wissen, dass nicht die Expertise eines Experten als Maßstab gilt. Die Beobachtung von Bäumen kann der Grundstückseigentümer als Laie selbst vornehmen. Er muss nicht einen Experten zu Rate ziehen. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass auch ein Laie einen kranken Baum erkennen kann, zum Beispiel aufgrund abgestorbener Äste, brauner oder trockener Blätter, Verletzung der Rinde oder sichtbarem Pilzbefall zum Beispiel.

Wenn sich keinerlei Anzeichen für eine Krankheit zeigen, besteht keine Verkehrssicherungspflicht bzw. besteht keine Pflicht, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ob der Baum tatsächlich krank war und ob dies im Rahmen einer Besichtigung durch den Laien hätte erkennbar sein müssen, klärt im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ein Sachverständiger. Ergeben sich bei der laienmäßigen Sichtung der Bäume Anhaltspunkte für eine Erkrankung, muss ein Fachmann hinzugerufen werden. Dies stellt nach der oben genannten Definition dann die zumutbare Maßnahme dar. In letzter Konsequenz bedeutet dies aber auch, dass man auf dem eigenen Grundstück befindliche Bäume schon regelmäßig kontrollieren muss. Im Zweifel muss man die eigene Kontrolle nämlich in einem Gerichtsverfahren nachweisen.

Leider gibt uns die Rechtsprechung keine generelle Antwort darauf, wie oft zum Beispiel eine solche Kontrolle durchgeführt werden muss. Für eine Gemeinde wurde einmal vom Oberlandesgericht in Dresden verlangt, dass mindestens zweimal jährlich ein Fachmann Bäume am Straßenrand kontrollieren muss. Da auch die Kontrolldichte immer vom Einzelfall abhängt, ist die Frage, wie viele Bäume und Bäume welcher Größe kontrolliert werden. Je höher die potentielle Gefahr, desto häufiger dürfte eine Kontrolle geboten sein. Dem häufig dahergesagten Satz, dass man auf seinem eigenen Grundstück tun und lassen kann, was man will, steht daher die rechtliche Verkehrssicherungspflicht deutlich entgegen, nicht nur im Winter bei Schnee und Eis.

Text: Achim Delheid

Wohnen mit Möbelklassikern

Wohnen mit Möbelklassikern

We call it a Klassiker – nicht nur Franz Beckenbauer weiß Bescheid. Kaum ein Möbelhaus mit Qualitätsanspruch kommt an ihnen vorbei. Will ein Kunde auf Nummer sicher gehen bezüglich Design und Erkennungswert bei Gästen, wählt er gern ein Möbel, welches diesem Selbstverständnis entspricht. Möchte man dennoch eine individuelle, unverwechselbare Note bei der Möblierung mit Möbel-Klassikern einbringen, sind Vintage-Exemplare mit gern auch sichtbarer Vergangenheit das viel zitierte i-Tüpfelchen der Gesamteinrichtung.

 

Klassiker heißen Klassiker, weil sie nie richtig aus der Mode gekommen sind, alle Trends der Zwischenzeit überlebt haben und immer gut kombinierbar sind, obwohl oder auch weil sie Solitäre sind. Kein Möbel wird direkt als Klassiker entworfen oder mit dem Ziel gebaut, ein Klassiker zu werden, aber wenn der Entwurf sich als typisch für den jeweiligen Zeitgeist herausstellt und revolutionär neu ist, stehen die Chancen nicht schlecht, diese Laufbahn einzuschlagen. Oft gelten derartige Stücke zunächst als Mauerblümchen, weil sie –noch- nicht verstanden werden. Aber der Geist des Entwurfes überlebt und überzeugt mit der Zeit, weil er als Synonym für eine Epoche wahrgenommen wird. „Normale“ Möbelentwürfe bedienen nur den aktuellen, flüchtigen Einrichtungsgeschmack und verschwinden auch wieder mit ihm. Es gibt Möbel, die nahtlos diesen Übergang schaffen, andere werden oft in einem neuen Zeitgeist wiederentdeckt und sodann in den „Club“ aufgenommen.

Viele Klassiker wurden für den Massenmarkt entworfen

Grand Confort von Le Corbusier

Die Liste dieser Klassiker wird immer länger, da viele Hersteller, die im Besitz bestimmter Nachbau-Lizenzen sind, diese inzwischen variieren, ohne den Entwurf selbst zu verändern. Allein durch alternative Farben und Materialien entstehen gänzlich neue Aussagen. Auch dadurch besteht für den Käufer die Möglichkeit, eine persönliche Geschmacksnote in seine Einrichtung zu bringen.
Viele Klassiker wurden eigentlich für den Massenmarkt entworfen wie andere Möbel auch, wie zum Beispiel der Side Chair von Charles und Ray Eames aus dem Jahr 1950. Andere waren Bestandteil eines Gesamtkonzeptes für ein neues Gebäude, so der Barcelona-Sessel, entworfen vom gebürtigen Aachener Mies van der Rohe für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung 1929, der erst später in großer Stückzahl produziert wurde. Auffällig ist, dass viele heute beliebte Möbelklassiker aus der jeweils ersten Dekade nach den beiden Weltkriegen stammen. Allgemeine Ressourcenknappheit und Aufbruchstimmung führten damals zu klaren, im Wortsinn un-modischen Entwürfen, nämlich sparsam im Materialeinsatz, aussagekräftig in der Form, neuartig in der Herstellung und oft auch mutig in der Farbgestaltung. Das kompromissloseste Beispiel hierfür ist wohl der 1918 von Gerrit Rietveld entworfene Rood-en-Blauw-Sessel, ein Tabubruch auf der ganzen Linie in Form, Material und Farbe. Aber auch der Wassily-Sessel von Marcel Breuer aus dem Jahr 1925, der Fauteuil Grand Confort, besser bekannt als Sesselkubus, von Le Corbusier 1928 entworfen und der Edelstahl-Freischwinger-Stuhl S33 von Mart Stam aus dem Jahr 1926 gehören dazu.

Der Stuhl überhaupt gilt als die Herausforderung für den Entwerfenden

Ameisen-Stuhl von Arne Jacobsen

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es vor allem skandinavische Designer, die für innovative Möbel-Revolutionen sorgten. Der Finne Eero Saarinen 1956 mit seinem einbeinigen Tulpenfuß- Tisch 173 mit Marmorplatte, bereits 1949 der Schwede Nisse Strinning mit dem Hängeregalsystem String (Bild auf der rechten Seite) und 1952 Arne Jacobsen aus Dänemark mit seinem dreibeinigen Ameisen-Stuhl 3100. Dabei gilt überhaupt der Stuhl als die Herausforderung für den Entwerfenden, sei er Designer, Architekt oder Handwerker. Ästhetisch für das Auge, sinnlich in der Haptik und gleichzeitig und vor allen Dingen bequem für den Besitzenden. Erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es den Stuhl als Massenprodukt. Bis dahin wurden Stühle als handwerkliche Einzelstücke gefertigt. Michael Thonet aus Boppard gelang 1859 mit einem dampfgebogenen Buchenholz-Stuhl für ein Wiener Kaffeehaus der Durchbruch. Sein Verfahren revolutionierte den Möbelbau, auch weil er die Produktion dahin verlagerte, wo das Material herkam, nahe den riesigen Buchenholzwäldern im damaligen Mähren. Bis 1930 wurden allein von dem allseits als Kaffeehausstuhl bekannten Modell 14 mit den Doppelbögen als Rückenlehne mehr als 30 Millionen Exemplare gefertigt.

Spannende Italiener die schon vor der Memphis-Bewegung nachhaltig kreativ waren

Bogenleuchte Arco

Bei der Beschäftigung mit dem Thema Möbelklassiker ist man erstaunt, wie vielfältig und facettenreich diese „Einrichtungsecke“ ist. Sie besteht nämlich nicht nur aus dem allgegenwärtigen Lounge-Chair von Charles und Ray Eames und daneben dem Beistelltisch aus Chrom und Glas von Eileen Gray. Spannender, weil nicht so „kenn’ ich – hab’ ich“ sind viele „Italiener“, die auch schon vor der Mailänder Memphis-Bewegung der 80er Jahre und vielleicht im Gegensatz zu ihr nachhaltig kreativ waren. Gio Ponti reduzierte mit seinem 1957 entworfenen Superleggera den Stuhl auf sein Wesentliches, ohne Effekthascherei, bequem, leicht, angenehm. Das Sofabett oder Bettsofa Anfibio von Alessandro Becchi aus dem Jahr 1970 stellt keinen Kompromiss zwischen beiden Möbeln dar, sondern ist beides pur. Gino Sarfatti brachte 1952 mit dem Modell 2097/30 den Inbegriff eines modernen Kronleuchters auf den Markt. Dies war die Initialzündung für eine ganze Reihe von Lampenentwürfen italienischer Kreativer. Als Beispiele seien genannt die Bogenleuchte Arco mit Marmorfuß von Achille und Pier Giacomo Castiglioni aus dem Jahr 1962, die Deckenleuchte Bolla, 1965 von Elio Martinelli entworfen und 1967 die Tischleuchte Pipistrello von Gae Aulenti, eine der wenigen weiblichen Vertreterinnen der Designer-Zunft.

Einrichtungsgegenstände individuell kombinieren dann ist optische spannung garantiert

Vielen heutigen Klassikern ist gemein, dass sie aufgrund immer neuer Techniken und Materialien die Formgebung minimiert haben, um die jeweiligen Möbel auf den jeweiligen Zweck zu fokussieren, Schlagwörter hierzu sind „Form follows function“ und „Less is more“. Da heutzutage aber zum Beispiel auf dem Leuchtensektor durch LED-Technik diese Prämisse zu extrem winzigen Objekten führen würde, die gar nicht mehr als Einrichtungsgegenstand wahrgenommen würden, erleben wir zur Zeit nicht nur auf diesem Gebiet eine Gegenbewegung hin zu wieder opulenteren Hüllen, zu materialintensiveren Entwürfen, die herstellungstechnisch nicht notwendig sind, aber das Möbel wieder bemerkbar ins Licht rücken. Auch bei Sitzmöbeln „darf wieder gewohnt“ werden, ist man nicht mehr Statist in einer Möbelinszenierung. Nach wie vor aber besteht die Kunst darin, Einrichtungsgegenstände individuell zu kombinieren, seinen persönlichen Wohnstil zu finden. Nicht die Adaption gängiger Schaufenster-Ensembles von Klassiker-Nachbauten, sondern das Einfügen „visuell unverbrauchter“ Möbelstücke ergeben ein unverwechselbares Ambiente. Oder aber man findet Original-Klassiker mit Patina und eigener Geschichte, dann ist optische Spannung garantiert.

TEXT: RAINER GÜNTERMANN
FOTOS: Vitra, Thonet, Cassina

10 Tipps für einen erholsamen Schlaf

Frau verkriecht sich unter Ihrer Decke im Bett Zehn Tipps für einen erholsamen Schlaf

    • TEMPERATUR: Ideal sind 16 bis 19 Grad Celsius. Darunter besteht die Gefahr von Schimmelbildung, darüber von schlafstörendem Schwitzen.
    • LUFT: Ein geöffnetes Fenster ist nur sinnvoll, wenn die Umgebung ruhig ist und auch bis zum Wecken ruhig bleibt. Besser ist ein intensives Stoßlüften kurz vor dem Schlafen, um ausreichend Sauerstoff hereinzuholen.
    • LEKTÜRE: Thriller, Mystery-Romane oder sonst emotional aufwühlende Lektüre hat im Bett nichts zu suchen. Eigentlich sollte das Bett nur dem Schlafen vorbehalten bleiben, daher lieber vorher auf dem Lieblingssessel etwas nicht zu schwer Verdauliches schmökern.
    • RUHE: Das Schlafzimmer sollte eine Oase der Ruhe sein, ohne laut tickende Uhren, grell leuchtende Displays, auch ohne unruhige und geräuschvoll schlafende Vierbeiner.
    • DECKE: Gönnen Sie sich eine eigene Decke. Ohne Zieh- und Zupfstress die Nacht zu verbringen wirkt Wunder.
    • STRESS: Planen Sie nicht im Bett den nächsten Tag. Tages-Resumées und Zukunft-Agendas sollten vorher außerhalb des Schlafzimmers getätigt werden und auch dort liegen bleiben.
    • SPORT: Bewegung tut gut, aber nicht zu spät, nicht zu intensiv und nie direkt vorm Schlafengehen. Andersherum sollte ein Nickerchen am Mittag nicht zu lange oder zu spät gehalten werden.
    • NAHRUNG: Das einzige Nahrungsmittel im Schlafzimmer ist ein Glas Wasser, sonst nichts. Auch sollten zwischen letzter Nahrungszufuhr und dem Zubettgehen bestenfalls 3 Stunden liegen. Alkoholkonsum lässt vermeintlich besser einschlafen, dafür hat man aber in der zweiten Nachthälfte um so mehr Wachphasen. Der letzte Kaffee sollte nicht nach 16 Uhr genossen werden.
    • ENTSPANNUNG: Die Dusche ist ideal am Morgen, abends ist ein kurzes, warmes (nicht heißes) Wannenbad besser. Mit entsprechenden Kräutern können sich Muskeln und Atemorgane entspannen, der Körper schaltet automatisch auf Ruhe-Modus um.
    • RHYTHMUS: Sehr unpopulär, aber wirksam: Behalten Sie Ihre Weck- und Zubettgeh-Zeiten auch am Wochenende ein, dann braucht der Körper sich nicht jeden Montag wieder umgewöhnen. Die innere Uhr ist der freundlichste Wecker.

 

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Auf dem Teppich bleiben

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Auf dem Teppich bleiben

Wer bei Teppichen nur an die Stolperbrücken von den Großeltern denkt, ist nicht mehr auf dem neuesten Stand. In den letzten zwei Dekaden hat sich das Angebot auf diesem Einrichtungssektor gewaltig gewandelt. Damit sind nicht etwa neue Modelle der in Deutschland so beliebten Auslegeware gemeint, auch nicht psychodelisch gemusterte Wuschelteppiche aus Synthetikfasern, sondern hochwertige Neuinterpretationen von orientalischen Vorbildern aus hochwertigen Naturmaterialien, welche auch mit modernsten Einrichtungskonzepten harmonieren. Wir stellen Ihnen einige Beispiele dieser neuen Vertreter traditioneller Knüpfkunst vor und beleuchten auch deren Historie.

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Als erster nachweislicher, geknüpfter Teppich gilt der in der Sankt Petersburger Eremitage ausgestellte Pasyryk-Teppich, benannt nach seinem Fundort im südsibirischen Altai-Gebirge an der Grenze zur Äußeren Mongolei. Er wird auf etwa 500 Jahre vor Christus datiert und ist aufgrund seiner Eiskonservierung im Permafrostboden einer Grabstätte bis zu seiner Entdeckung 1947 sehr gut erhalten. Entstanden ist die Knüpfkunst wohl in Zentralasien, wo die Nomadenstämme mehr Schutz in den strengen Wintern brauchten, als dies die Felle ihrer Tiere erlaubte. Schafswolle und Ziegen- oder Kamelhaare wurden auf liegenden, mobilen Webstühlen verarbeitet, die leicht ab- und woanders wieder aufzubauen waren. Zunächst sind es aber vornehmlich sogenannte Wirkteppiche aus Flachgewebe, bei denen die Kett- und Schussfäden miteinander verflochten wurden. Sie bildeten Alltagsgegenstände wie Satteltaschen, Eingangsvorhänge zur Jurte oder Säcke, die beim Weiterziehen schnell aufgerollt und verpackt waren. Beispiele sind die bekannten Kelims, die aufgrund dieser Webart von beiden Seiten gleich aussehen. Im Laufe der Jahre gewann auch der schmückende Aspekt Bedeutung, und Knüpfteppiche, bei denen zusätzlich Woll- oder Seidenfäden eingeknotet wurden, bildeten repräsentative Statussymbole und waren oft der wertvollste Besitz. Einzelne Stämme entwickelten ihre eigenen Muster und Farbkompositionen, die nach der jeweiligen Herkunft, der sogenannten Provenienz, benannt wurden. Der Vergleich mit schottischen Tartans oder europäischen Familienwappen ist nicht abwegig.

Erste Exemplare ins Abendland brachte Alexander der Großen gegen 330 vor Christus von seinen Asienfeldzügen mit, und ab 710 nach Christus gründeten die Mauren auf der iberischen Halbinsel rund um Cordoba und Granada eine regelrechte Industrie für Teppiche nach orientalischen Stil. Im 16. Jahrhundert erreichte die orientalische Teppichkunst an den Hofknüpfschulen der Perser und Inder einen ersten Höhepunkt. Aufgrund der Vergänglichkeit der Materialien sind aber nur wenige Exemplare erhalten. Aufschluss geben aber Gemälde aus der Zeit, die in ihrer Detailverliebtheit auch Teppiche als Wand- oder Bodenschmuck zeigen. bangkok_004_v1_4500159-tabrizcanalrocked_navyblue-neonpinksilkZudem ist die Architektur mit ihren Ornamenten und Mosaiken ein wichtiger Zeitzeuge, da die Baumeister sich von den grafischen oder floralen Mustern der Teppiche inspirieren ließen. Orientteppiche können aber nicht nur aus Indien oder dem Iran kommen. Auch die Türkei, der Kaukasus, Pakistan und Afghanistan zählen zu den Produktionsländern. Weitere Teppiche kommen aus China, Nepal und der Mongolei, dazu die Berberteppiche aus der Maghreb-Region. Der Teppichflor, der nach dem Einknoten mittels einer einfachen Handschere auf gleiche Höhe geschoren wird, variiert je nach Knüpftradition. Je feiner die eingeknüpften Fäden sind, desto flacher ist später der Flor. Der größte handgeknüpfte Teppich stammt aus dem Iran und misst 6000 Quadratmeter, der feinste ist ein Seidenteppich aus der Türkei mit 625 Knoten auf einem Quadratzentimeter. Heute aber werden viele Teppiche als Kopien bestimmter Provenienzen hergestellt, sei es aufgrund niedrigerer Löhne in Nachbarländern, sei es aufgrund von ausgestorbener Knüpfkultur wegen des Fundes von Erdöl und somit besseren Verdienstmöglichkeiten in dieser Industrie.
Die erwähnten Wirkteppiche gelangten im 17. Jahrhundert in Frankreich mit den Gobelins zu neuer Blüte, aber auch im belgischen Gent, Brügge und Brüssel. In England spezialisierte man sich zur gleichen Zeit auf die Produktion von geometrisch gemusterten Teppichen nach anatolischen und floralen Exemplaren nach persischen Vorbildern. Hier wurde auch 1785 das erste Patent auf einen mechanischen Webstuhl angemeldet.

bangkok_010_4600019_serapiqueensburysky_brownredsilkWurden bis circa 1850 nur pflanzliche oder tierische Materialien zum Färben benutzt, kamen nun vermehrt synthetische Farbstoffe zum Einsatz.
In Deutschland fasste gegen Mitte des 19. Jahrhunderts die Teppichherstellung Fuß, die aber von Werk zu Werk sich auf andere Produktionsarten spezialisierte. Einige Betriebe schafften es, handgeknüpfte und künstlerisch außerordentlich wertvolle Teppiche herzustellen, die den Originalen in Nichts nachstanden. Bekannte Vertreter sind die Vereinigte Smyrna-Teppichfabrik AG in Cottbus, die Barmer Teppichfabrik Vorwerk & Co in Wuppertal oder die Firma Gebrüder Schoeller in Düren. Es entstand auch eine weitere Art der Teppichherstellung, das Tuften. Hier werden nicht einzelne Fäden in die Kette geknotet, sondern Fadenschlingen dicht nebeneinander eingebracht und später aufgeschnitten – getuftet. Statt Wolle wurde aber nunmehr vermehrt Baumwolle verarbeitet, nach dem Zweiten Weltkrieg sogar immer mehr Synthetikgarn. Auch das Aussterben des Nomadentums, das Sesshaftwerden, führte im 20. Jahrhundert zu gewaltigen Veränderungen auf dem Teppichmarkt.
In den 1950er Jahren erlangten hochwertige Orientteppiche nach Originalvorlagen und aus edlen Materialien wieder Luxusstatus und wurden nicht nur dicht nebeneinander auf Parkett und Naturstein gelegt, sondern auch gerne auf die neumodische Auslegeware. Junge Leute bekämpften kurze Zeit später zwar den Muff unter den Talaren, ‚alte Perser’ aber waren willkommene Unterlagen für ihre Matratzenlager, und nicht wenige Hippies kannten sie ja auch von ihren Trips nach Indien und Nepal.
Dort war auch der Sohn eines alteingesessenen Bochumer Orientteppichhändlers unterwegs, allerdings nicht beruflich, denn er wollte mit dem elterlichen Geschäft nichts zu tun haben, fand Orientteppiche uncool und spießig. Aber als ihm das Geld ausging, nahm er einen Job bei einem Freund und Lieferanten seines Vaters in Kathmandu als Warenkontolleur an. Die Teppiche holten ihn, Jan Kath, wieder ein, und er fand Gefallen daran. Nach Stationen unter anderem in Ulan Bator in der Mongolei kehrte er nach Bochum zurück, inzwischen mit Frau und Kindern. In einer Zeit, wo in seiner Heimat keiner mehr Orientteppiche haben wollte, kaufte er die Firma seines ehemaligen Arbeitgebers, und nach einigen Anfangsschwierigkeiten mit klassischen Tibetteppichen entdeckte er die gestalterischen Möglichkeiten, die die Knüpfkunst bietet. Zwanzig Jahre später lässt Jan Kath in verschiedenen Ländern wie Nepal, Indien, Türkei und Marokko anfertigen, von hunderten erfahrenen Knüpfer(inne)n – ohne Kinderarbeit, mit Fair-Trade-Siegel, in zentralen Werkstätten mit Kinderhort, Krankenstation und Arbeiterunterkünften. Er lässt aus Brennesselfasern, Seide und handversponnener Hochlandwolle nach eigenen, immer wieder verblüffenden Entwürfen qualitativ höchstwertige Teppiche knüpfen, die natürlich ihren Preis haben. Aber zu seiner Klientel zählt inzwischen auch das Who is Who der weltweiten Celebreties.

frwl_3Längst hat er das Genre des Orientteppichs gesprengt: Seine Exemplare lassen die Muster der Provenienzen noch erahnen, auch Fransen dürfen sein, zum Beispiel in pink, aber die Oberflächen scheinen sich wie nach einem Salzsäurebad aufzulösen, dreidimensionaler Flor verführt zum Streicheln, wie auf Gemälden ist das Auge permanent auf Entdeckungsreise.
Im Zuge der Teppich – Renaissance sind einige Hersteller dazu übergegangen, namhafte Künstler mit einem Entwurf für einen außergewöhnlichen Teppich zu beauftragen, der dann in Serie hergestellt wird und oft zur neuen Identität der Firma beiträgt. Längst werden Jan Kaths Teppich-Revolutionen aber für den Massenmarkt einfach nur kopiert. Dies bezieht sich natürlich mehr auf die Optik, die mal mehr, mal weniger gekonnt, mal mehr, mal weniger dreist adaptiert wird. Hinsichtlich Qualität und Aufwändigkeit in der Herstellung dagegen wird nur sehr selten das Vorbild erreicht. Es gilt daher auch hier: Eine Kopie ist eine Kopie ist eine Kopie. Das Original hingegen ist unverwechselbar, das gilt für einen alten Orientteppich genauso wie für einen Jan Kath.

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TEXT: RAINER GÜNTERMANN
FOTOS: Jan Kath